VAGEENAS

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Nix für Pussies

Warum ist es eigentlich einfacher, eine Band aus Australien zu interviewen, als mit Leuten zu sprechen, deren Sängerin man fast jede Woche auf einem Konzert hier in der Nähe sieht? Vielleicht ist man sich ja so nahe, dass das, was die Band da macht, nicht mehr als etwas besonderes wahrgenommen wird, und so gab ich mir einfach selbst einen Stoß und interviewte die famosen VAGEENAS, deren Frontfrau Babette für mich einfach die beste deutsche Punkrock-Sängerin ist. Außer Babette antwortete auch ihr Quasi-Gatte René auf meine Fragen.





Zuerst müssen wir mal die leidige Frage mit dem Namen klären. "Die Muschis" hätte es doch auch getan, oder? Im Ernst: der Name ist doch dazu angetan, Unbeteiligte etwas zu verstören ...

René:
Na ja, wir haben ja damals 1994 schon vorausschauend geplant, denn in Zeiten, wo man weder telefoniert noch in Büchern oder Magazinen nach Informationen sucht, sondern sich alle Informationen, die man braucht, ergooglet, ist es wichtig, einen Namen zu haben, der einmalig ist. Und das Wort "Muschi" ist ja im Internet bekanntermaßen ein nicht gerade selten gebrauchtes Wort. VAGEENAS ist ja zum Glück falsch geschrieben und so kann man sich sicher sein, dass, wenn man etwas über "Vageenas" im Internet findet, es sich auch tatsächlich um die Band VAGEENAS handelt oder um die Pornoseite eines Englisch- Legasthenikers.



Und wenn wir schon bei den Basics sind: Erzählt doch mal, wie das alles begonnen hat. Gefühlt gibt es eure Band schon seit 15 Jahren, und irgendwann war da mal was mit Jenz von den JET BUMPERS.

Babette:
Es begab sich anno 1994, da waren der Jenz Bumper und ich auf dem Weg nach Hamburg, zu einem GREEN DAY-Konzert, und wir standen ewig lange im Stau, und da Jenz und auch ich im Stau zu stehen total schrecklich finden, mussten wir irgendwas Produktives tun - und so entstand die Idee, eine Band zu gründen! Jenz sang zu dem Zeitpunkt noch bei den EMBRYONICS - Soundflat-Lutz spielte da Gitarre und CAVE 4-Jörg Bass -, doch da ich absolut nix anderes konnte als singen, also beziehungsweise nix anderes konnte, als den Versuch zu starten, zu singen, war der Gesangsjob in unserer neuen Band schon vergeben, und so entschloss Jenz sich, Gitarre zu spielen - was er bis zu dem Zeitpunkt noch nie gemacht hatte! Kurz überlegt, wen wir an die Trommeln setzen und wem wir einen Bass umschnallen könnten, dann kurz GREEN DAY abgefeiert, zurück in die Heimat, und sich mit Sepp, Drums, und Jochen, Bass, im EMBRYONICS-Proberaum getroffen - und schon waren die VAGEENAS geboren! Fünf Wochen später hatten wir sechs Lieder fertig, die wurden dann direkt vom S.Y.P.H.-Jürgen via 4-Spur-Gerät im Proberaum aufgenommen, bissken abgemixt, und fertig war die "PunkRockSingle Of The Month"! Und im März 1995 dann das erste Konzert - und ab da ging's dann los, zwischenzeitlich mit mal mehr oder auch weniger gewollten kreativen Schaffenspausen, eher weniger gewollten ... Doch da es immer Leute gab - und gibt! -, die die VAGEENAS sehen und auch hören möchten, wird es diese nette sympathische Band noch ewig lange geben.



Babette, du hast offenkundig die großen Damen des Punkrock als Vorbilder, etwa Penelope Houston von den AVENGERS oder Beki Bondage. Was fasziniert dich an denen?

Babette:
Beki Bondage fand ich früher natürlich total klasse, wie auch zum Beispiel Lene Lovich, Wendy O. Williams, Poly Styrene, ja, und als dann vor ein paar Jahren VICE SQUAD auf Tour in Deutschland waren, wollte ich natürlich supergerne mit denen spielen, sie haben unter anderem im Zwischenfall gespielt, und ich erinnere mich noch sehr gut, dass ich dort angerufen habe, ein AB war dran, und ich habe geredet-geredet-geredet, und unter anderem gesagt, dass ich dem Veranstalter - damals kante ich Nobbi noch nicht - den Fußpilz zwischen den Zehen weglecken würde, würde er die VAGEENAS mit VICE SQUAD spielen lassen. Und: wir spielten mit VICE SQUAD! Ich war total aufgeregt, und dann - sehr enttäuscht. In meinen Augen war wirklich so gar nix mehr da von der Energie, von diesem "Strahlen", was von Beki Bondage seinerzeit ausging, alles kam mir sehr routiniert und "jobmäßig" vor, und ich war echt traurig. Oh, vom Thema abgekommen, was fasziniert mich an den Frauen? Nun ja, es war einfach dieses sich auf die Bühne stellen, als einzige Frau inmitten von Männern, nicht nett und adrett angezogen wie ein Püppchen, nicht mit einem zartem Stimmchen besaitet, sondern einfach dieses Selbstbewusstsein, dieses alles Hinausschreien, diese Energie, diese Wut teilweise, einfach dieses Gefühl, dass diese Frauen einfach genau so sein wollten und eben auch wirklich waren, wie sie sich präsentierten, unabhängig von irgendeinem Bild, welches Frau erfüllen soll, unabhängig davon, angepasst zu sein, sich der Konfrontation stellen, wenn Ablehnung kommt, all das hat mich sehr, sehr, sehr beeindruckt und fasziniert. Allen voran wirklich die SLITS, so von ihrem ganzen Auftreten her. Ich war echt hin und weg, das weiß ich noch sehr gut, ich glaube, ich habe diese Band wirklich richtig bewundert - und das zu Recht!



Punkrock ist eine Männerdomäne. Wie schwer ist es da, sich als Frau zu behaupten und durchzusetzen?

Babette:
Punkrock mag eine Männerdomäne sein, aber ich persönlich empfinde es nicht so, von daher fällt es mir im Punkrock-Bereich genauso schwer oder leicht, mich zu behaupten und durchzusetzen, wie in allen anderen Lebensbereichen.

René: Punkrock ist in erster Linie eine Idiotendomäne. Manche meinen, mit so genannten Frauen-Motto-Konzerten wie "Female Power" und so weiter die Position der Frauen zu stärken und die Frauen mehr im Punkrock und überhaupt hervorzuheben, erreichen aber damit genau das Gegenteil, nämlich nicht, es als normal anzusehen, wenn eine Frau singt oder ein Instrument spielt, sondern es immer wieder erwähnen zu müssen und es als etwas Besonderes zu deklarieren. Dann gibt es da noch den anderen Teil, der auch unter "Punks" immer wieder zu finden ist, der "Ausziehen!" ruft - oder denkt. Das ist natürlich auch nicht wirklich witzig. Aber ist es wirklich so, dass es Frauen schwerer haben, sich im Punkrock zu beweisen, wenn sie wirklich etwas können? Ich habe nicht den Eindruck.



"Teenage Music" ist der Titel eures neuen Albums - und ich schätze, der kommt nicht von ungefähr. Weder seid ihr selbst im zarten Teenageralter noch ist Punk noch im Teenageralter, sondern locker 15 Jahre drüber. Also bitte eine Erklärung.

Babette:
Adolescent till I die.

René: Wenn man von "Teenage Music" spricht, erwartet man mit Sicherheit nicht das, was wir für Musik machen, und genau das hat es für uns interessant gemacht. Dazu kommt, dass man sich doch gerade in Punkrock-Kreisen immer wieder auf diese Altersdiskussionen einlässt, womit man irgendwie doch immer wieder auf dem eigentlich so gehassten Viva-Niveau landet, wo man gewisse Dinge ab einem bestimmten Alter nicht mehr machen darf. Und für andere Dinge halt zu jung ist. Dieses Punk-Spießertum mit all seinen merkwürdigen Regeln nervt einfach nur. Aber wie Babette es schon sagte ... Und wenn wir mal keine Teenager mehr sind, dann hören wir auf!



Babette, Punk als Jugendkultur ist das eine, das aber 25 Jahre als Lebensstil durchzuziehen das andere. Warum bist du der Sache bis heute treu geblieben?

Babette:
Ich habe für mich selbst nicht den Eindruck, dass ich irgendeine Sache "durchziehe", außer eben, dass ich mein Leben lebe. Und wenn diese Art und Weise der des "Punkrock" entspricht, nun, dann habe ich wohl irgendwann mal eine nicht nur gute, sondern absolut richtige Wahl getroffen, mein Leben zu leben. Ich fühle mich wohl in meiner Haut und gestalte mein Leben so, wie ich es möchte und es mir gefällt - nein, ich werde jetzt nicht Pipi Langstrumpf zitieren! Und da es ja nun mal einfach echt verdammt wichtig ist und vorrangig sein sollte, sich selbst treu zu bleiben, empfinde ich es so, dass ich mir selbst treu bin. Und nicht einer Sache oder Bewegung. Wenn ich zum Beispiel ein Hamster wäre, würde ich wohl den Sinn meines Lebens darin sehen, den Tag über zu schlafen und so Kräfte zu sammeln, um die ganze Nacht in einem - wahrscheinlichen rosafarbenen! - Rad rumzulaufen, und diese Sache würde ich dann ja auch nicht durchziehen, weil ich einer Sache treu bleiben muss, sondern eben weil ich es so möchte, und dies läge begründet in meinen Hamstergenen.



Was macht ihr denn so, wenn ihr nicht auf der Bühne steht?

Babette:
Ich bin Hundefriseurin. Und ich gehe sehr gerne und sehr viel mit Nancy, meinem Hund, einem taiwanesischen Faltenhund, spazieren, ich freue mich auf den Sommer und meine Blumen auf meinem Balkon, ich sitze gerne mit netten Menschen zusammen und esse was Leckeres, auf Konzerte gehen macht viel Spaß, einen Senseo-Kaffee trinken und die Bravo lesen auch, im Bett liegen und einen spannenden Film gucken, mit Kissen vor dem Gesicht für die gruseligen Szenen, das ist auch toll ... Ja, es gibt schon viele schöne Dinge, die das Leben lebenswert und schön machen.

René: Wenn wir gerade einmal keine Zeit in die Band stecken, müssen wir gucken, dass wir noch ein paar Euro verdienen und quälen uns tagtäglich zu unseren Knochenjobs. Ich trete als Alleinunterhalter auf bei goldenen Hochzeiten und so weiter. Mein Programm reicht von Schlager-Playback bis hin zu Zaubershows. Kommt richtig gut, wenn man mich buchen möchte, bitte über unsere Homepage ... Sonst besuche ich gerne Konzerte und versuche, mich auch im richtigen Leben immer punkrocktauglich zu verhalten, was konkret bedeutet: Haare färben, "D.I.Y." überall hinschreiben und gegen Kommerz sein. Ach ja, und das Useless Fanzine mache ich auch noch: useless77.de. Marcel dreht irgendwelche ominösen Videoproduktionen, da frage ich lieber nicht zu genau nach, was da passiert. Und Burn hat jetzt ein eigenes Nagelstudio aufgemacht. So was läuft immer ganz gut.



Apropos: Ihr beiden seid nicht nur durch die Band verbunden. Wie klappt das als "Ehepaar" in einer Band?

Babette:
Es klappt gut, ist nur manchmal etwas schwierig, da gibt es halt Vor- und Nachteile. René und mir bedeutet diese Band total viel, es steckt verdammt viel Herzblut von uns beiden in dieser Band, ich selbst bezeichne die VAGEENAS ja auch als mein Baby. Das mag sich absolut bescheuert anhören, aber ich empfinde es wirklich so. Ja, und da gibt es dann natürlich immer viel zu regeln und zu besprechen, was die Band angeht, es steckt sehr, sehr viel Zeit und "Arbeit" in dieser Band. Und da muss man dann schon aufpassen, dass das Privatleben nicht auf der Strecke bleibt. Auf der anderen Seite ist es dann umso schöner, wenn wir zum Beispiel einen echt total netten Auftritt hatten, und René und ich uns beide superdoll darüber freuen! Oder als die "Teenage Music" raus war, das war so toll, diese Platte gemacht zu haben, und sich gemeinsam darüber zu freuen. Und wie heißt es doch: Geteilte Freude ist doppelte Freude. Von daher empfinde ich es schon manchmal als Belastung, aber die total schönen Momente machen das dann wieder wett.

René: Da uns beiden die Band sehr viel bedeutet, ist das natürlich etwas, was uns auch "privat" sehr viel beschäftigt. Es gab auch Zeiten, in denen das wirklich zuviel wurde und wir beide dabei auf der Stecke blieben, dann gab es nur noch einhundert Prozent VAGEENAS, und das war ein kleines Stück zu viel. In der Band klappt es super, das können wir gut trennen. Sehr gut sogar, das hat die Erfahrung gezeigt. Ohne, dass sich das jetzt doof anhören soll, aber ich glaube, das machen wir doch recht professionell.



René, wie habt ihr euch kennen gelernt? Standest du Babette anhimmelnd vor der Bühne und sie hat dich eines Tages erhört?

Rene:
Das muss so Anfang '98 gewesen sein, da hat mein damaliger bester Freund Mike Weger mir erzählt, dass er jetzt bei den VAGEENAS eingestiegen wäre. Ich kannte die Band bis dahin nur vom Namen her. Als ich dann das erste Mal auf Babette traf, das war vor einem VAGEENAS-Konzert, fand ich sie total klasse. Sie hatte soviel Power und Ausstrahlung und nach diesem Abend, an dem wir zufällig sogar den gleichen Pullover trugen, habe ich gedacht: Das ist so eine klasse Frau, das ist meine Traumfrau ... Aber ich hielt das alles für total abwegig und völligen Quatsch und habe diese Gedanken auch schnell wieder verdrängt und habe da natürlich auch niemandem was zu gesagt und außerdem hatte Babette ja einen Freund und überhaupt ... ich war halt ein kleiner Junge ... Also habe ich da nicht weiter drüber nachgedacht, ich stand also auch nicht anhimmelnd vor der Bühne, sondern hatte einfach nur Spaß daran, mir die Band anzugucken, obwohl ich die Musik damals doch eher schlecht fand, aber live war es die totale Energie. Ich bin dann ständig mit den VAGEENAS unterwegs gewesen, und habe Babette auch oft auf Konzerten getroffen, wir haben ab und an telefoniert und haben uns immer mehr angefreundet. 1999 bin ich dann in die Band eingestiegen und blablabla. Irgendwann waren wir halt zusammen auf einem Konzert irgendwo auf dem Land und plötzlich war es von einer Minute auf die andere mehr als nur Freundschaft.



Wo liegen eure gemeinsamen musikalischen Vorlieben, wo habt ihr Differenzen?

Babette:
René liebt BILLY TALENT! Ich liebe die BRIEFS! Und wir beide lieben die VAGEENAS!

Rene: Irgendwie dachte ich eigentlich immer, wir hätten ähnliche musikalische Vorlieben, aber was ich auch unternehme, Babette möchte sich einfach nicht weiter entwickeln. Und so ist es halt heute noch so, dass Babette immer nur ihre alten zerkratzten und verstaubten Platten auflegt und zum fünf Millionsten Mal "Anarchy in the UK" hört. Es gibt da schon gewisse Überschneidungen, die irgendwo im 77er Punkrock liegen. Bei mir dürfen Songs aber gerne auch schon mal über mehr Struktur als str.ref.str.ref. verfügen und ich bin neueren Veröffentlichungen durchaus aufgeschlossener. Mittlerweile schäme ich mich sogar nicht mehr dafür, zuzugeben, dass ich auf GREEN DAY oder BILLY TALENT stehe. Bei den BRIEFS gibt es in jedem Fall eine Überschneidung. Und: wir sind uns größtenteils einig bei den Bands, die wir so richtig scheiße finden. Größtenteils.



Sonst noch was?

René:
Klar! Wir werden von März bis Juni viel live unterwegs sein und beginnen danach mit neuen Songs mit unserer neuen Rhythmusgruppe, wie man unter Musikern so sagt. Das Ergebnis wird ein Album sein, dessen Veröffentlichung aber noch vermutlich bis Ende des Jahres dauern wird. Außerdem steht dieses Jahr noch das Force Attack-Festival an, auf das wir uns schon riesig freuen. Und auch sonst lassen wir uns noch einiges einfallen. Vermutlich kaufen wir bald auch MySpace.

Vielen Dank für das Interview!