NERF HERDER

Gehe ich doch mal wieder auf ein Milchschnitten-Konzert. Es standen NO USE FOR A NAME, NERF HERDER und RANSOM auf der Billinglist, wie man heutzutage Neudeutsch sagt. Kleine Skate-Popper sind doch immer wieder ein beliebtes Lästerobjekt. Und wenn eine Fat Wreck-Band ruft, kommen sie in der Regel auch alle angekrochen.

Gut, NO USE FOR A NAME muss und will man gerne zugute halten, dass sie schon melodisch gehardcoret haben, als ihr heutiges Publikum beim Erscheinen auf einem Hardcore-Konzert sofort was auf die Fresse bekommen hätte. Im Jahr 2000 ist das aber egal, denn das heutige Publikum kauft wenigstens Unmengen an T-Shirts und anderem Schrott. Doch wollen wir nicht unfair mit NO USE FOR A NAME und ihren Fans zu Gericht gehen, denn immerhin schafft es die Band noch immer, auch die Leute anzuziehen, die schon vor zehn Jahren zu ihren Konzerten kamen; zumindest einige davon. Die wenigen traf ich vorm Logo bei Dosenbier und Small Talk à la "Ach, du auch hier?" (beste Antwort: "Ja!"), "Dich hat man ja lange nicht mehr gesehen" (beste Antwort: "Ich trieb mich auch nicht dort herum, wo ich dich hätte treffen können."), oder "Bist du nicht langsam zu alt für solche Konzerte ?" (beste Antwort: "Nein!").

Die Musikanten der ersten Band waren Landsleute, versuchten sich aber zu hundertundzehn Prozent an amerikanischen Westküstenklängen. Ein paar Stakkato-Gitarren hier, ein wenig mehr Ska dort und oben drauf immer schöne, weichgespülte Melodien. Das Ergebnis war unglaublich nichtssagend und belanglos, der Name der Band RANSOM (oder so ähnlich).

Den musikalischen Reigen weiterführen sollten nun NERF HERDER aus Santa Barabara, Kalifornien. Jetzt also nach den Plagiaten echte Amis. Ursprünglich war geplant, ein Interview mit eben dieser lustig betitelten Band zuführen, was aber aufgrund terminlicher Fehlplanung an diesem Abend scheiterte. Meine erste, äußerst originelle Frage wäre sicher gewesen: Was soll der komische Name NERF HERDER ? Und dann hätte der Sänger oder wahlweise auch der Gitarrist (Bassisten und Trommler reden bei Interviews nie) geantwortet: Das stammt aus Star Wars. Und schon wären wir im Gespräch gewesen und eine tiefe, lange Freundschaft zwischen Abel und den Nerf Herders hätte sich angebahnt, denn beim Thema Star Wars hätte ich ordentlich mitreden können. "Habe ich auch alle Teile gesehen. Den ersten bestimmt acht mal. Da staunste, wa. Die neue Episode ist aber nicht mehr so gut. Nur noch ein Abklatsch glorreicher Filmtage. Bla bla bla..." Irgendwann wären wir noch einmal zurück auf die Band zu sprechen gekommen, und ich hätte kritisch hinterfragt, dass NERF HERDER ihr zweites Album bei einem Major-Label veröffentlichten (das Debüt erschien auf My Records, dem Label von Joey von LAG WAGON) und somit ihre Seele dem Satan verkauften. "Nein, nein. Wir wollten ja nur mal sehen, wie das so ist", hätte es geheißen. Jetzt sind sie ja wieder zurück im Untergrund und haben bei Fat Wreck unterschrieben. Ein Glück. Doch wird man nun immer noch Soundtracks für so unglaubliche Erfolgsserien wie "Buffy, die Vampirjägerin" schreiben können? Gibt es immer noch teuerproduzierte Videoclips, die man nachts bei MTV gelegentlich sehen kann? Ich hoffe schon, denn ohne das ist eine Punkband nur halb soviel wert.

Retrospektiv betrachtet war also ein tatsächliches Interview gar nicht von Nöten, denn die Antworten habe ich auch so. Allerdings finde ich es äußerst bedauerlich, nicht mit den Herren über ihre Zuneigung zu Van Halen reden gekonnt zu haben. Wir hätten zusammen einen David Lee Roth "Jump"-Wettbewerb veranstaltet, dass sich die Wände gebogen hätten. Aber so bleibt mir nur anzumerken, dass ich es mehr als löblich finde, seine erste Single nicht nur Van Halen zu widmen, sondern diese auch gleich so zu benennen.

Auf der Bühne standen NERF HERDER an diesem Abend natürlich auch noch. So jung, wie ich sie mir vorgestellt hatte, sahen sie dann doch nicht aus. Dafür aber der Sänger so wie mein Freund Aki. Der hatte also schon einmal gewonnen. Der Sound der Band war zu meiner Freude weniger Melody-Core als ramonesk, und damit hatten die Jungs gleich ein kleines Steinchen bei mir im Brett. Dem Publikum schien es auch zu gefallen. Erste, vorsichtige Stagediving-Versuche wurden unternommen, von mir ein Heineken verzehrt. Unspektakulär ging der Auftritt, wie bei Vorbands nun mal so üblich, auch zu Ende. Mir hatte es jedenfalls gefallen.

Danach ging ich raus und unterhielt mich mit einem Punk im KNOCHENFABRIK-Shirt darüber, wie unpunkig das Publikum hier doch sei. Recht hatte er. Trotzdem ging ich zu NO USE FOR A NAME noch einmal rein. Die hatten ihr Publikum fest im Griff, ließen die Leute tanzen und springen und rockten sich munter durch ihr Set. Leider wurde ich plötzlich aus unerklärlichen Gründen sturzbetrunken und wünschte mir ein Barjazz-Konzert (der Barhocker sollte aber aus Sicherheitsgründen eine Lehne besitzen). Barjazzmusiker fanden sich leider keine mehr so spontan ein, so dass ich es vorzog, noch den letzten Bus gens heimatliche Bett zu nehmen. Und NERF HERDER werde ich im nächsten Jahr mal interviewen.