TURBOSTAAT

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Der Punk ist ein Meister aus Deutschland

Die Lieblinge jedes vernunftbegabten Punks in diesem Lande, die Flensburger Ausnahmeband TURBOSTAAT, meldet sich zurück - und hat mit ihrem dieser Tage erscheinenden dritten Album zum Sprung angesetzt, zum Sprung in eine andere Liga. Nicht zuletzt durch ihre Freundschaft mit den BEATSTEAKS, die ja bereits beim Major Warner unter Vertrag sind, versuchen sich nun auch die Nordlichter in der Königsdisziplin des Musikbusiness. Ein Drahtseilakt, mag manch einer sagen. Denn Szene-Skeptiker sehen, wie so oft, bereits schwarze, subkulturelle Gewitterwolken über einer der intensivsten deutschen Punkbands aufziehen ...

Doch wer das neue Album gehört hat, wer die Texte bereits genießen durfte, der weiß: Der Untergang ist ferner denn je. Und getreu dem Motto "Augen auf und durch ... und dann weiter!", bleibt bei den sympathischen Jungs beruhigenderweise das komplette Schuhwerk mit Bodenhaftung gesegnet und letztendlich wurden dann doch lediglich die Vorteile eines finanziell hochpotenten und professionellen Partners genutzt. Die dennoch unvermeidlichen, immer gleichen, lästigen Fragen zu den Themen Ausverkauf, Veränderungen und Kompromissen beantworteten die mundfaulen Punker aus von ganz oben auf der Deutschlandkarte schon fast ungewohnt ausführlich und wie immer höchst liebenswert per E-Mail ...

"Gleich gleich aber anders" - ein schönes Motto für TURBOSTAAT 2007, oder? Was ist gleich, was ist anders?


Peter: Der Rahmen hat sich natürlich stark verändert, aber wir als Band uns eher nicht. Heißt: wir sind immer noch fünf Schlongos, die ihre Art von Punkmusik machen, durch die Gegend eiern und es lieben, Konzerte zu spielen. Wir kümmern uns nach wie vor um alle möglichen Dinge selber, haben kein Management und scheißen auf Koks und Nutten. Im Zuge der Veröffentlichung ist zum Beispiel der ganze Promokram extrem zeitintensiv und aufwendig. Vorher haben wir da nichts gemacht und auf einmal machst du jede Menge Interviews, ein Video, Promokonzerte, Internetsachen, Fotosessions ... Warner hat natürlich eine gut funktionierende Promoabteilung, die geben dementsprechend Vollgas und ballern uns ziemlich zu. Da die Leute dort sehr sympathisch sind, spielen wird dann auch größtenteils mit. Durch das größere Budget haben wir natürlich auch anders aufgenommen: Mit Produzent und einem längeren Berlinaufenthalt. Im Allgemeinen ist jetzt immer was los: man muss was entscheiden, auf den Weg bringen, hier her, da hin und an ach so wichtigen Events teilnehmen. Wird aber wieder ruhiger, wenn die Platte draußen ist ... hoffen wir zumindest.


Erklärt doch mal eben, was es mit Same Same But Different, Warner und den BEATSTEAKS auf sich hat.

Peter: Same Same But Different ist ein neues Label - Warner fungiert als Geldgeber. Die beiden Labelbetreiber heißen Torsten und Eric, beide sind auch Manager der BEATSTEAKS und Freunde von uns. Nebenbei machen der eine oder der andere auch noch das unclesally*s, das Label XNO, spielen bei SHE-MALE TROUBLE oder veranstalten Konzerte in Berlin.


Und, gibt es schon Unkenrufe bezüglich des Quasi-Majordeals oder freut man sich mehr mit/für euch? Wie reagiert die doch immer eher skeptische "Szene"?

Peter: Es ist noch verhältnismäßig ruhig. Man hat uns noch nicht an den Pranger gestellt. Vielleicht interessiert das einfach auch keinen mehr. Wir haben ja vor einiger Zeit angefangen, mal größere Konzerte zu spielen, mit den BEATSTEAKS hier oder Festivals da - da tauchten auch immer "Szeneleute" auf, also die, die du dann auch wieder oder sonst nur auf D.I.Y.-Konzerten triffst. Geht also alles. Auf der anderen Seite gab's dann auch mal "Ausverkauf"-Gästebucheinträge oder Kommerzgezeter. Wir sind ja keine Arschlöcher geworden, noch nicht, hähä, spielen nach wie vor, wo und mit wem uns das passt, gleiches gilt auch für das Plattenveröffentlichen - wo und mit wem uns das passt. In diesem Fall gute Freunde, was will man mehr?


Was hat sich mit der neuen Platte an eurer Arbeitsweise geändert, wo musstet ihr angesichts der "Professionalisierung" umdenken, was läuft wie immer?

Tobert: Ey, wir haben geübt bis zum Umfallen! Das ist eine Live-Platte und wir sind nicht besonders konstant. Ich denke, jetzt spielen wir aber wieder genauso beschisse wie immer, keine Sorge ...


Ist das Ziel, die Musik als einzigen Lebensinhalt und Einkommensquelle zu etablieren, oder herrscht "einfach gucken, was geht" vor?

Peter: Im Allgemeinen denkt man ja, jetzt hat die Band einen Majordeal, dann läuft dat schon. Das fette Leben beginnt, alles wird gezahlt und immer auf dicke Hose machen. Ist ja nicht so. Natürlich kommt zurzeit auch was dabei rum, aber um alle Jobs zu canceln, reicht es nicht. Du machst ja auch des Geldes wegen nicht jeden Scheiß mit. Um davon leben zu können, müssten noch wesentlich mehr Kompromisse und Zugeständnisse gemacht werden, und das stinkt ja bekanntlich irgendwann. Wenn wir wirklich extrem viel spielen und wesentlich mehr Leute ziehen, würde das eine Zeit lang sicher gehen. Aber dann - und jetzt kommen die "Lebensinhalte" - haste auch keine Zeit mehr für Familie, Kids - wir haben drei Väter in der Band -, Frunslüd, andere Bands und sonstige Aktivitäten.


Eure Karriere weist ja durchaus Parallelen zu MUFF POTTER auf ... Erzählt mir nicht, dass man sich nicht kennt und im Blick hat, was die anderen so machen ...

Peter: Doch, man kennt sich, aber im Blick haben? Da gibt es nichts contestmäßiges oder dicke Bandfreundschaft. Jeder macht sein Ding, ab und an läuft man sich übern Weg, gut ist.


Aber sprechen wir über die Musik ... Viel INTERPOL gehört in letzter Zeit?

Peter: Immer mal wieder, wenn die Zeit danach ist, und auch gerne SMITHS, DEPECHE MODE, Ted Leo, WIPERS, BELLRAYS, Chet Baker und und und ... Aber das jetzt als Einfluss herbei zu zitieren, ist ja eher doof.


Ihr habt bei der neuen Platte mehr und andere Einflüsse zugelassen - warum, und welche?

Marten: Uns sind keine Lieder mehr mit A-F und Viertel eingefallen. Also musste man sich zwangsläufig etwas anderes einfallen lassen. Letztendlich haben wir elf Lieder gemacht, die uns allen gefallen, und die dann aufgenommen.

Tobert: Die Hörgewohnheiten jedes Einzelnen sind sehr verschieden. Wir sind pingelig mit allem, jedem möglichen Vergleich und Liedermachen bei TURBOSTAAT ist ein langwieriger und schwieriger Prozess. Ich denke aber, dass es dieses Mal zwar mit mehr Kompromissen pro Person, aber dadurch auch mit einer größeren Schnittmenge an Zufriedenheit pro Song, Plattenseite und Album gekommen ist.


Die Musik ist, so empfinden wir das, etwas weniger ruppig, um nicht zu sagen glatter, aber die Stimme "dackelblutet" nach wie vor, man spricht eher, als dass man singt. War das nötig oder ist das einfach passiert?

Marten: Ich empfinde das Ganze etwas anders. Die Platte ist doch wesentlich ruppiger als zum Beispiel die "Schwan". Wir haben uns jedenfalls bemüht, dass es mehr ballert. Jan singt so, wie er halt singt, und das ist doch ein wichtiger Teil von TURBOSTAAT.


Was hat Moses Schneider mit euch gemacht? Ich denke mal, so ein renommierter Produzent nimmt eine Band ja irgendwie an die Hand.

Tobert: So ein renommierter Produzent geht mit dir zum örtlichen Griechen Nachtisch essen oder headbangt permanent im Proberaum, trinkt Bier nach vier. Damit sich das nicht albern oder so anhört: für uns ist so was schon fast weltmännisch und verändert die Sichtweise auf vieles um Einiges. Will sagen, dass Moses' Herangehensweise, seine Gelassenheit und nicht zuletzt auch sein immenses Know-how - zum Beispiel Nachtisch beim Griechen - dazu beigetragen haben, dass wir jetzt so gut drauf sind. Es ist schwierig, mit uns ehrlich auf Du zu kommen. Moses nehm' ich Weihnachten mit zu meiner Oma.

Marten: Moses hat uns gesagt, wir sollen mehr proben. Dann haben wir noch an ein zwei Teilen herumgedoktort. Außerdem hat er gesagt, dass wir live einspielen, in welchem Studio wir aufnehmen sollen und so weiter. Er hat uns in die Musik so gut wie gar nicht reingeredet, sondern eher einen Plan entworfen, wie man TURBOSTAAT live klingend auf Platte kriegt.


Bitteschön, wer solche Sorgfalt auf seine "komischen" Songtitel verwendet, der muss auch mal was dazu sagen. Also, wer war/ist "Vormann Leiss"?

Peter: Ist ein Seenotrettungskreuzer, der vor Nordstrand liegt. Das Lied selber hat indirekt damit zu tun.


... und wer ist "Harm Rochel", was ein "Schalenka Hase"?

Tobert: Harm Rochel ist ein Arbeitskollege meines Opas, Polizist a.D., er hat einen guten und sehr besonderen Namen. Schalenka darf ich nicht verraten, gehört zu den geheimen Zutaten unseres Nichtkönnens ...


.. "Ja roducheln"?

Tobert: Roduchelsdorf, ist Jahre her, irgendwo in der Pampa, wir haben sehr gelacht und lange, länger als bei der Entscheidung für einen Titel für dieses Lied. Manchmal liegt das Glück auf deinen Füßen, Alta ...


"Hau ab die Schildkröte" ...

Tobert: Spiel mal "Mario Brothers" zu zweit, Digger.


... ficken Hunde Vögel, oder wie kommt es zu "Haubentaucherwelpen"?

Tobert: Nee. Sach ich nich.


Wann etabliert ihr endlich die Turbostaatjugend? Und wie sieht die Uniform aus?

Peter: Geschissen sieht die aus. Turbostaatjugend braucht kein Mensch.

Tobert: Turbojugend auch nicht. Gibt doch schon Schützenvereine.


Im Vorfeld des Albums gab es eine vegetarier- und straightedgerfeindliche Kutterfahrt auf der Ostsee. Sollte da die Presse verschaukelt und ihre Standfestigkeit getestet werden oder was?

Peter: Es gab lecker Essen in Form von Hot Dogs und Getränke, ein paar Hände voll geladener Pressefuzzies, und man schlug sich tapfer auf der stürmischen Ostsee. So sieht das aus, wenn Promoleute aktiv werden, da ist für alles gesorgt. Wir haben uns sehr wohl gefühlt und einen schönen Tag gehabt - der eine oder andere sicherlich auch einen dicken Kopp.


Und zum Schluss erklärt ihr bitte noch, was euch da oben, als norddeutsche Quasi-Dänen, vom Rheinländer und dem ganzen Pack von südlich des Mains unterscheidet ... Lustig reden tut ihr jedenfalls.

Marten: Ähh ... gar nichts vielleicht? Bis auf die in Göttingen reden doch alle irgendwie lustig. Aber du hast Recht: Wir sind die Lustigsten.