NOMADS

Schweden rockt, und zwar nicht erst seit gestern. Bekanntermassen führten bereits in den Achtzigern UNION CARBIDE PRODUCTIONS das Erbe von STOOGES & Co. fort, und mit den NOMADS aus Stockholm war seit den frühen Achtzigern eine Band am Start, die sich vor allem dem Erbe des frühen US-Punk-Sounds verpflichtet fühlte. Nie aufgelöst führten die NOMADS nach ihrer Hoch-Zeit Mitte der Achtziger wieder ein Schattendasein, wurden sie zwar in Insiderkreisen geschätzt, spielten in den USA und hatten Platten auf Labels wie Estrus oder SFTRI, doch trotz des Hypes um schwedischen Rock schien sich kaum mehr jemand an sie zu erinnern. Doch siehe da, es gibt wohl doch sowas wie späte Gerechtigkeit, und so hat sich House Of Kicks Records, bekanntermassen Heimatbasis von GLUECIFER und HELLACOPTERS, jetzt der Veteranen angenommen und kürzlich deren neues Album "Big Sound 2000" veröffentlicht. Ich traf die NOMADS im März in Stockholm und liess mir von ihnen das Wichtigste aus beinahe zwei Jahrzehnten Bandgeschichte diktieren. Nick (Gitarre & Gesang) machte das im Alleingang, Joachim (Drums) und Björn (Bass) standen dabei und nickten, Hans (ebenfalls Gitarre) blieb verschollen.

Nick, soweit ich ich weiss sind Hans und du die beiden NOMADS, die von Anfang an dabei sind.

Nick: Ja, wir beide spielen echt schon seit 19 Jahren zusammen in dieser Band. Ha, das ist echt lächerlich, 19 Jahre!

Björn: Joachim und ich sind seit 1987 dabei, und seitdem hat sich das Line-Up nicht mehr geändert.

Nick, hast du für uns eine kurzen Abriss der NOMADS-History parat?

Nick: Wir gründeten die Band 1981 als Reaktion auf das, was damals mit Punk geschah: er wurde nämlich langweilig, entwickelte sich zu Oi!, Hardcore und anderen langweiligen Stilrichtungen weiter. Die Reaktion von Hans und mir darauf war, wieder die alten Punksachen zu hören, neben den RAMONES und NEW YORK DOLLS eben auch viel Sixties-Punk. Bei diesem Sound, den wir damals entwickelten, sind wir eigentlich bis heute hängen geblieben, und ich bin auch gar nicht böse, wenn man behauptet, wir hätten über all die Jahre letztendlich immer den gleichen Sound gespielt. So Mitte der Achtziger Jahre waren wir dann überall ziemlich beliebt, tourten immer wieder quer durch Europa, und 1991 erschien dann unser "Sonically Speaking"-Album, wobei ein paar Jahre davor lagen, in denen wir nicht besonders aktiv waren. Die Band hat aber immer existiert, war nie aufgelöst. Und in den letzten Jahren machen wir wieder mehr, spielen vor allem oft in den USA.

Du hast eben die RAMONES und die NEW YORK DOLLS erwähnt, was ich insofern interessant finde als die HELLACOPTERS mit der gleichen Begründung wie ihr ebenfalls diese Bands als wichtigen Einfluss beschrieben haben.

Nick: Ich denke, uns und die HELLACOPTERS verbindet eine Vorliebe für zeitlosen, coolen Rock´n´roll. Und ich denke, es ist nicht vermessen, wenn ich behaupte, dass es sich bei unserer Musik genau darum handelt - und es ist wohl auch der Grund dafür, dass wir es geschafft haben, die Band so lange am Leben zu erhalten. Wir haben eine gemeinsame musikalische Vision, und die setzen wir, wie ich denke, ganz gut um.

Was ist diese Vision?

Nick: Nimm die Essenz der coolsten Rock´n´Roll-Stile, mische Rockabilly aus den Fünfzigern mit Blues aus den Zwanzigern und Dreissigern mit Punkrock aus den Siebzigern und Garage-Rock aus den Sechzigern, nimm hiervon ein bisschen und davon ein bisschen und du bekommst als Ergebnis eine ziemlich coole Mischung. Das haben wir in der Vergangenheit gemacht und das machen wir heute.

Ihr seid eine Band, die sicher ziemlichen Einfluss auf viele der neueren schwedischen Rock- bzw. Rock´n´Roll-Bands ausgeübt hatte - oder seht ihr das anders?

Nick: Hm, es ist jedenfalls sehr schmeichelhaft, dass wir immer wieder von anderen Leuten als Einfluss genannt werden oder als eine jener Bands, die sie veranlasst hat, selbst eine Band zu gründen. Ich denke das bedeutet, dass wir doch etwas erreicht haben und dass andere eine Tradition am Leben erhalten.

Du hast eben erwähnt, dass ihr in den letzten Jahren vor allem in den USA Konzerte gespielt habt.

Nick: Das hat sich irgendwie so ergeben. Die Jahre davor haben wir ständig überall in Europa gespielt, wir kannten irgendwann alles und da war es für uns einfach aufregender in den USA auf Tour zu gehen. Seit 1994 touren wir jedes Jahr da drüben.

Auch labelmässig habt ihr euch in den letzten Jahren eher Richtung USA orientiert, habt Platten auf Labels wie Sympathy For The Record Industry und Estrus veröffentlicht.

Nick: Der Hauptgrund dafür, dass wir mit diesen Labels arbeiten, ist, dass sowohl Long Gone John wie Dave Crider gute Freunde von uns sind - und Fans der NOMADS. Dave etwa schrieb uns schon Ende der Achtziger Fanbriefe, und als er dann sein Label startete, war es irgendwie logisch, dass wir bei ihm eine Platte machen - und dann noch eine und noch eine... Bei SFTRI war das genauso: John ist ein Fan, wollte unbedingt eine Platte mit uns machen, und wir waren darüber natürlich auch erfreut, also machten wir das.

Björn: Wir haben in den USA auch mit Daves alter Band THE MONOMEN zusammen getourt und das hat uns natürlich auch noch stärker zusammengebracht.

Während ihr in den USA Platten rausgebracht habt und dort auf Tour wart, blieb es in Europa in den letzten Jahren eher ruhig um euch. Denkt ihr, dass sich das mit dem neuen Album auf White Jazz ändern wird?

Nick: Ich denke, es ist ziemlich gut für uns mit White Jazz zusammenzuarbeiten. Wir kennen Carl und Johann, denen House Of Kicks bzw. White Jazz gehört, seit Jahren, aber da sie jahrelang vor allem mit Hardrock- und Heavy Metal-Bands gearbeitet haben, kam eine Zusammenarbeit eigentlich nie in Frage. Jetzt, mit dem Rock´n´Roll-Label White Jazz, sieht das anders aus und es war letztendlich ein logischer Schritt, was zusammen zu machen. Wir haben mit dem neuen Album ein ziemlich gutes Gefühl, und ich denke, es dürfte alles ganz gut laufen.

Ihr habt euch mit einem richtigen neuen Album fünf Jahre Zeit gelassen.

Nicke: Stimmt, aber wir waren nicht völlig untätig. Wir hatten ein Cover-Album auf Lance Rock aus Kanada, wo wir kanadische Sixties-Punk-Songs nachspielten, wir hatten ein Live-Album auf 1+2 aus Japan und auch ein paar Singles auf verschiedenen Labels. Aber klar, diese Platten sind hier in Europa nicht überall einfach zu kriegen. Und so ist es schon gut, jetzt ein "richtiges" Album zu haben, mit lauter eigenen neuen Songs, das überall erhältlich sein sollte.

Die späten Achtziger waren ja eine Zeit, in der Sixties-beeinflusster Garagepunk eine erste Hoch-Zeit erlebte - und es dauerte dann bis zum Ende der Neunziger, dass diese Musik sich wieder etwas grösserer Beliebtheit erfreut.

Nick: Naja, ich weiss nicht so recht, was ich von diesen Sixties- und Psychedelic-beeinflussten Bands der Achtziger halten soll. Manche waren gut, andere richtig schlecht, und ich finde, dass die Garage-Szene heute viel besser ist als damals. Ich vermisse diese Zeit wirklich nicht, aber Bands wie die LYRES oder die FLESHTONES waren bzw. sind schon verdammt grossartig. Beide gibt es ja noch, mit beiden haben wir in den letzten Jahren gespielt und beide waren sehr gut. Gut zu wissen, dass wir nicht die einzige Band von damals sind, die noch existiert...

Ihr seht, wenn ich das anmerken darf, auch durchaus noch recht frisch aus.

Nick: Danke!

Bitte, bitte... Ich denke, ich trete euch nicht zu nahe wenn ich sage, dass ihr in all den Jahren immer eine Band geblieben seid, die sich eher unter "Insidern" als in der breiten (Szene-)Öffentlichkeit einer gewissen Beliebtheit erfreut hat.

Nick: Ja, das stimmt schon, aber was sollen wir machen? Unsere Musik ist wohl nicht gerade besonders "kommerziell", und das sind dann wohl die Konsequenzen, mit denen wir klarkommen müssen. Und es wäre wohl ziemlich blöd von uns zu versuchen "kommerziellere" Musik zu machen. Das ist nicht unser Ding. Wir machen eben, haha, völlig unkommerzielle Musik.

Was wären denn die paar Platten, die ihr auf eine einsame Insel mitnehmen würdet?

Alle: Von den STOOGES "Funhouse", das erste RAMONES-Album, die DEAD BOYS, etwas Blues wie eine HOWLIN´ WOLF-Compilation... Letztendlich sind es zu viele Platten, um sie alle aufzuzählen.

Blues - das bringt mich auf was. Es ist ja interessant, dass dieser Musikstil, der bis vor einer Weile in den Händen langweiliger alter Säcke gefangen zu sein schien, sich dank einem Label wie Fat Possum oder Leuten wie Jon Spencer wieder grösserer Beliebtheit erfreut.

Nick: Oh ja, es ist absolut erstaunlich, wie beliebt Blues derzeit wieder ist, mit Leuten wie R.L. Burnside. Mich freut das sehr, und ich bin froh, dass Fat Possum halbwegs erfolgreich sind und immer wieder alte Blueser auftun. Das ist sooo cool, und es ist klasse, dass jemand die Musik dieser alten Männer, die sicher nicht mehr lange leben werden, für die Nachwelt sichert.

Habt ihr eigentliche Pläne wieder mal in Deutschland auf Tour zu gehen?

Nick: Ja, wir sollten echt mal wieder nach Deutschland kommen. Genaueres wissen wir derzeit noch nicht, also haltet die Augen auf.