MALKOVICH

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Being who?

Es gab in der Vergangenheit immer wieder Bands, die mich verwirrt haben. Bands, deren Auftreten und deren Musik zunächst befremdlich auf mich wirkten und deren Wesen sich mir erst nach intensiver Beschäftigung mit ihren Alben erschloss. Wie etwa MALKOVICH, die sich Anfang des neuen Jahrtausends im niederländischen Randstadt gegründet haben und mit "Kings n' Bosses" ein Album aufgenommen haben, das zwar gewöhnungsbedürftig ist, aber, wenn man sich darin zurecht gefunden hat, großen Spaß macht.



MALKOVICH brechen mit "Kings n' Bosses" ein Stück weit aus ihrem bisherigen musikalischen Schaffen aus. Zwar ist eine gewisse Unberechenbarkeit geblieben, insgesamt kontrastiert die Band ihre bisherige Laufbahn aber mit einem Album, das anfänglich nicht ansatzweise eine ähnliche Tiefe zu haben scheint wie seine Vorgänger. Denn zunächst profilierten sich die fünf als kreative Chaoscore-Band, die mit ähnlich pointierten Songs wie etwa CONVERGE durchaus das Zeug dazu gehabt hätte, zu einem europäischen Pendant von Jacob Bannon und seinen Jungs zu werden. Mit musikalischen Ideen dieser Art brechen MALKOVICH aber wenigstens teilweise auf "Kings n' Bosses". War der Vorgänger "A Criminal Record", das zweite MALKOVICH-Album, wie die Band selber sagt, noch "a chaotic hardcore album", so sind Einflüsse von CONVERGE und Artverwandtem auf "Kings n' Bosses" in den Hintergrund gerückt. Zwar experimentiert die Band auch hier mitunter unzugänglich mit verschiedensten Elementen, diese sind aber eben nicht mehr nur Hardcore- und Metalparts. Vielmehr wirft das Quintett wüst Rock, Hardcore, Pop, Techno und Jazz zusammen, betitelt alle Songs mit Nummern und erklärt Party zum zentralen Thema des Albums. Die frühere Tiefe ist wahnwitzigem Experimentieren mit ungewissem Ausgang gewichen. Man könnte meinen, MALKOVICH hätten vor der schwierigen Existenz als Hardcore-Band kapituliert und sähen keinen Sinn mehr darin, im Anbetracht zahlreicher Majordeals und vielerlei Szenetrends das Leben als mehr oder minder kleine Band zu fristen, und verabschiedeten sich deswegen mit einem Album, aus dem keiner so richtig schlau wird.

Dass dieser Eindruck aber nicht unbedingt das finale Urteil über dieses Album ist, das bestätigt nicht nur ein Gespräch mit der Band, sondern auch die vertiefende Beschäftigung mit der Platte. Zwar muss man sich ein wenig zusammenreißen, um die Vielfalt und die bunte Mischung der Musikstile bei den ersten Hördurchgängen zu verdauen. Dann tun sich aber viele interessante Momente auf. Da werden unstrukturierte Songstrecken mit Pop-Hooks kontrastiert, und kleine Rockriffs bieten einen Punkt, an dem man ansetzen und sich in einen Song hineinfinden kann, während zum Beispiel Techno-Elemente wieder bestens in das Bild eines chaotischen, allerlei Stile mixenden Albums passen. Um die Erkenntnis reicher, dass dieses aber doch Spaß machen kann, fügen sie sich nun aber in das Gesamtbild der Platte ein. "Das mit den Technoparts im Song ?044' war eine sehr gute Idee, wie ich finde", meint MALKOVICH-Gitarrist Thomas. "Unser Freud Aux Raus hat sie gemacht, dessen Musik wir alle lieben. Ich denke, dass sie gut zur musikalischen Vielseitigkeit des Albums passen und zudem auch noch mal das zentrale Thema des Albums - Party - stützen, weil man mit solchen Klängen eben Feiern assoziiert."

In der Tat - man darf schon fragen, warum eine vorher eher nachdenklich wirkende Band wie MALKOVICH anno 2007 und in einer Zeit, in welcher so ziemlich alle für die Existenz dieser Welt relevanten Dinge schief laufen, auf einmal pubertärer wirkt denn je - Sänger Hugo etwa präsentiert sich auf der MySpace-Seite mit schlechtem 70er-Schnauzbart und Hippie-Kopftuch. Auf allen Bandfotos fliegt im Hintergrund Konfetti herum und mit Sprüchen wie "Ain't no party like a Malkoholic party" provoziert man spielend allen Zweifel daran, dass diesen Musikern noch ein letztes Fünkchen Ernsthaftigkeit innewohnt. Zwar könnte das neue Konzept von MALKOVICH als extrovertierte Partyband auch blanke Ironie und Spiegel einer allzu sorglosen Weltgesellschaft sein. Bevor man sich aber in Spekulationen oder gar Anschuldigungen, MALKOVICH nähmen rein gar nichts mehr ernst, ergeht, kommt Thomas mit der Aufklärung herbei und die Wahrheit liegt - wie fast immer - irgendwo dazwischen. "Dass wir Party, Feiern und Ausgelassenheit als zentrale Themen gewählt haben und derzeit vielleicht ironisch wirken, hat zwei Gründe. Erstens denken wir, dass in der Welt momentan unglaublich viel schief läuft. Dennoch sollte man sich davon nicht das ganze Leben versauen lassen und ab und zu eine gute Zeit haben, eben das Beste aus dem eigenen Leben machen, ohne die relevanten Dinge in dieser Welt aus den Augen zu verlieren. Gleichwohl ist es zweitens auch so, dass das Partythema uns Möglichkeit gab, ein wenig Zynismus und Ironie in das Album einzubringen. Nämlich in der Art, dass wir der Gesellschaft manchmal durchaus einen Spiegel vorhalten wollen und die sorgenlose Art und Weise kritisieren, wie viele Menschen mit der Welt umgehen. So ist Party beides: Ein wichtiges Thema für das Album, das durchaus auch eine Aufforderung zum Feiern ist. Das aber genauso Mittel ist, um eine gewisse Sozialkritik zu üben" erläutert er.

Dennoch - und irgendwo ist es aufgrund des momentanen Auftretens von MALKOVICH nicht verwunderlich - wird die Band dann doch nicht immer für ganz voll genommen. Was schade ist, denn "Kings n' Bosses" ist trotz benötigter Gewöhnungsphase letztlich ein spannendes Album, das zeigt, dass die Jungs ihre Sachen durch und durch ernst nehmen und zu versierten Songwritern geworden sind. Nur, dass das Können sich hier nicht in eindimensionalen Songs erschöpft, sondern zur Kombination von Elementen ohne jegliche Genregrenzen genutzt wird. So schreibt auch Thomas: "Wir nehmen diese Band sehr ernst! Es geht uns ganz sicher nicht darum, irgendwelche Stile sinnlos zusammen zu werfen und dabei irgendeinen Sound entstehen zu lassen. Uns geht es darum, ergreifende Musik zu schreiben und dass dabei ein vielseitiges Album heraus gekommen ist, ist Resultat der Tatsache, dass wir fünf Bandmitglieder sehr verschiedene Musikstile hören. Nicht etwa eines bewussten Plans, den wir uns gesetzt haben und der vorsah, dass das Album so divers wird, wie es geworden ist. Ich denke, wenn man sich das Album mehrmals anhört, wird man merken, wie ernst uns MALKOVICH ist." Ein schönes Schlussplädoyer, das direkt von der Band kommend die Quintessenz von "Kings n' Bosses" nicht besser zusammenfassen könnte.