PEECHEES

Man könnte die PEECHEES natürlich dahingehend reduzieren, daß man sagt, bei ihnen handele es sich um diese Typen, die dieses Label betreiben, auf dem diese Band, die vor einiger Zeit mordsmäßig durchgestartet ist, mal ein paar Platten veröffentlicht hat. Allerdings wäre man dann ein ignoranter Arsch. In Zeiten, in denen Originalität bei den meisten Bands nicht mehr unbedingt hoch im Kurs steht, sind die drei Herren sowie die Dame aus Berkeley jedenfalls eine erfrischende Abwechslung, und wer jetzt schon mit einem "PEECHEES? Kenn´ ich nich..." kurz vor dem Weiterblättern steht, der sollte sich nochmal das vorzügliche "Antarticist" von der Ox-CD #30 zu Gehör bringen. Wir sprachen mit Chris Applegren, dem Sänger der PEECHEES.

Gib uns doch mal bitte einen kurzen Überblick über die Geschichte der PEECHEES - wann, wie, wo?

Die PEECHEES sind Molly am Schlagzeug, Carlos an der Gitarre, Rop am Bass - und ich singe. Gegründet haben wir die Band 1994, nachdem wir uns anfangs nur zum Spaß zum Rumjammen getroffen hatten. Wir nahmen dann ein paar Songs auf, tourten im Sommer an der Westcoast und brachten die erste EP raus. Unser erster Auftritt war in San Diego - zusammen mit RANCID spielten wir in einem Skateboard-Park.

Chris, du bist mittlerweile der Boss von Lookout Records und Molly, deine Frau, arbeitet auch dort - wie bekommst du es auf die Reihe, ein Label zu betreiben und dann noch in einer Band zu spielen, die Auftritte macht und auf Tour geht?

Das ist wirklich eine Kunst, und manchmal ist es schon ziemlich schwierig, das alles hinzubekommen. Aber Molly und ich bekommen es , je öfter wir auf Tour sind, immer besser hin.

Was machen die beiden anderen neben der Band?

Carlos und Rop haben beide normale Jobs. Rop ist ausserdem auch noch "DJ Ropstyle" und wird demnächst auch noch ein paar Sachen veröffentlichen, um seine Präsenz in der Szene zu zeigen...

Warum habt ihr euch entschieden, nur die "Scented gum"-EP auf eurem eigenen Label Lookout zu veröffentlichen, sonst aber mit Kill Rock Stars, Rugger Bugger, Skinnie Girl und G.I. Productions zu arbeiten?

Dahinter steckt keine bewusste Entscheidung, das hat sich einfach so ergeben und wir dachten, wir sollten das mal ausprobieren. Unser "Hauslabel" ist auf jeden Fall Kill Rock Stars, die Gum-EP und die anderen Sachen sind halt so nebenbei entstanden.

Fühlt ihr euch bei einem Label wie Kill Rock Stars musikalisch eher zu Hause als bei Lookout?

Kill Rock Stars ist ein musikalisch vielfältiges Label, wir passen da also so gut oder so schlecht hin wie die anderen Bands. Der Hauptgrund ist, dass wir uns sehr gut mit den Leuten, die es betreiben, verstehen und wir auch mit den anderen Bands auf Kill Rock Stars gut befreundet sind. Diese Freundschaften, der Enthusiasmus und die Unterstützung von seiten des Labels sind der Kern unserer Beziehung.

Chris, dein Gesangsstil ist ziemlich ungewöhnlich. Einer meiner Freunde hörte sich das letzte Album an und sagte dann: "Wow, Molly Lookout hat wirklich eine interessante Stimme!"...

Das passiert des öfteren, ich denke aber trotzdem nicht, daß mein Gesang weiblich klingt. Obwohl, wenn das die Leute glauben, ist´s schon cool... Es ist doch ziemlich üblich, daß man davon ausgeht, daß eine Frau in einer "Männerband" die Sängerin ist - oder höchstens noch die Bassistin.

Am prägnanten Rhythmus und deinem Gesangsstil kann man die PEECHEES sofort erkennen, darin unterscheidet ihr euch von allen anderen Bands. Daher die leidige Frage: was sind eure musikalischen Einflüße?

Wir alle haben verschiedene, eigene Vorlieben, die wir dann bei den PEECHEES einfliessen lassen, und das ist der Grund, warum wir überhaupt in einer Band spielen. Unser Sound ist einfach moderner Punkrock, nicht irgend ein Bastard oder Teil irgend eines neuen Punk-Genre, sondern einfach nur Punkrock: einzigartig, aggressiv, manchmal schräg, aber immer vom Herzen kommend. We are not "_____-core", okay?

Chris, wie kommst du auf deine stark metaphorischen, teilweise surrealen Texte?

Meine Texte sind Gedichte, die Vorkommnisse aus meinem Leben oder vielleicht auch irgenwelche Sensationen beschreiben oder sich darauf beziehen. Ich versuche, die Gefühle oder den Sinn der Situationen, über die ich singe, zu vermitteln. Klar, es sind ziemlich bildhafte Lyrics, sie sollten aber auch wörtlich gelesen werden. Für mich sind sie aber eher einfach und auf den Punkt gebracht, ohne ein verstecktes Geheimnis.

Bei dir gibt es immer wiederkehrende Themen, wie z.B. der Meeresboden in "Slicks living it up" und "Antarticists" oder die High School in "Do the math", "To be counted" oder beim Cover der "Cup of glory"-EP. Hat das irgendeine Bedeutung?

Schule, Wasser und Eis sind für mich starke Bilder, die auch in der Verbindung mit der Musik der PEECHEES prima wirken. Wenn wir zusammen spielen, denke ich oft an diese Sachen, daher schlagen sich diese Themen auch in den Texten nieder.

Gibt´s irgendeine Geschichte zu der Textzeile "They come from Germany. And they got the Rock´n´Roll..." in "I could have loved you"?

Diese Textzeile bezieht sich auf KRAFTWERK. Als wir den Song schrieben, hatte ich mit Carlos, unserem Gitarristen, eine Diskussion über KRAFTWERK. Er bezeichnete sie als seelenlose Band, was ich für eine völlig unzutreffende Einschätzung halte. Naja, und daraufhin schrieb ich diesen Text, ich liebe KRAFTWERK eben.

Wie kommst du mit dem intellektuellen Kunststudenten-Image zurecht, das dir bzw. euch immer wieder nachgesagt wird?

Ich befürchte, daß viele Rock´n´roll- und Punkrock-Fans uns für eine schwache, wenig eindrucksvolle Band halten. Mir kommt es so vor, als ob uns die Punk-Fans über uns hinwegsehen, wir aber auch nicht den Avantgarde-Geschmack irgendwelcher Kunststudenten treffen. Wir sitzen halt zwischen den Stühlen, sind total "out of time"!

Und, seid ihr dann eher damit zufrieden, als Garagepunk-Band bezeichnet zu werden?

Neee, lass mich mit sowas zufrieden...

"Peechee" ist der Name eines amerikanischen Büroartikelherstellers. Gab´s bisher mal Ärger mit der Firma, weil ihr den Markennamen benützt?

Der Peechees-Hefter ist absoluter Standard für Westcoast-Schoolkids, vom Kindergarten bis zur High School. Aber der Hersteller hat sich bis jetzt noch nicht bei uns gemeldet, Gott sei Dank! Das würde höchstwahrscheinlich vor Gericht enden.

In wieweit wurde die Wahl eurer Produzenten - unter anderem O, John Reis, Mark Trombino und Slim Moon - durch die Platten, die sie gemacht haben oder durch die Bands, in denen sie spielten, beeinflußt?

Sie haben uns alle vorzüglich unterstützt, sie halfen uns wunderbare Sounds aufzunehmen. Bei den Aufnahmen waren sie die Übersetzer unserer Ideen. Das meiste, was wir bisher aufgenommen haben, lief einfach im "Trial and error"-Verfahren ab. Ich denke, unsere beiden LPs sind das beste Beispiel dafür, wie es klingt, wenn wir genau das bekommen, was wir wollen. Wenn wir ´ne EP oder nur ein paar Songs aufnehmen, dann haben wir nicht soviel Zeit zur Verfügung. Die Zeit reicht dann einfach nicht, um die Aufnahmen perfekt zu machen.

Chris, waren THE LEFTIES nur ein einmaliges Projekt, um mal was völlig anderes auszuprobieren, oder wird´s davon in Zukunft noch weitere Releases geben? Was hat´s mit dem Bandnamen auf sich, und was ist mit der Brian Wilson-Fixierung?

Die BEACH BOYS liebe ich wirklich, besonders Brian Wilson. THE LEFTIES waren eine Weile eine richtige Band, aber wir sind schon über ein Jahr lang nicht mehr aktiv gewesen. Natürlich gibt es bei THE LEFTIES viele Anspielungen auf die BEACH BOYS, die stammen aber fast alle von mir. Rop, der Songwriter und Gitarrist, ist selbst gar kein grosser BEACH BOYS-Fan. Ich denke, daß es meine Produktionsvorstellungen waren, die für die Entstehung dieser speziellen Vibes verantwortlich sind. Das mit dem Bandnamen ist ganz einfach: Rop und ich sind Linkshänder, und Carlos auch.

Ich habe gelesen, daß du dich für Autos begeisterst und selber auch so ´nen alten Schlitten hast. Details?

Ich habe einen 1963er Lincoln Continental, silber-grün mit weißer Lederausstattung. Unglücklicherweise verkaufe ich ihn demnächst, denn ich will mir diesen neuen Volkswagen Beetle, den Käfer-Nachfolger kaufen. Der Lincoln ist zwar ein wunderschönes Auto, aber viel zu teuer im Unterhalt. Ich kann dummerweise keine Autos reparieren, und darin liegt das Problem.

Dein beliebtestes Rauschmittel?

In meinem Falle Gin, aber Carlos ist absolut gegen alle Art von Drogen.

Wenn dieses Interview erscheint, wart ihr gerade in Deutschland auf Tour - habt ihr da irgendwelche Erwartungen?

Hm, bisher kam aus Deutschland noch kein grosses Feedback. Wir hoffen, dass sich das mit der Tour ändern wird und ein paar Leute auf den Geschmack kommen.

Ja dann - wir sehen uns. Danke!

Joachim Hiller, Norbert Johannknecht