FEHLFARBEN / FAMILY 5 / PETER HEIN

Teil 1

Mit "Monarchie und Alltag" von den FEHLFARBEN wurde Ende letzten Jahres eine der wohl besten deutschen Platten überhaupt neu aufgelegt, ein Album, das mit Songs wie "Ein Jahr (Es geht voran)", "Militürk" oder "Paul ist tot" einer jener Überklassiker ist. Ein willkommener Anlass, sich mit Peter Hein, seinerzeit Sänger der Düsseldorfer Band, für ein Interview zu treffen. Einleitung von Claus Wittwer, Interview Joachim Hiller und Claus Wittwer.

Deutsche Musik habe ich nie besonders viel gehört. Schaut man in meinem Plattenschrank nach, wird sich in der Rubrik deutscher Punkrock nur sehr wenig finden. Schaut man näher nach, wird einem dabei auffallen, dass die paar Platten, die man doch da findet, fast alle von ein und derselben Band stammen. Holt man alle Platten dieser Rubrik heraus und schaut auf die Bandbesetzung wird man feststellen, dass zwar die Bands andere Namen tragen, dass aber fast immer der Name des Sängers derselbe ist. Da, wo er es nicht ist, ist er es auch, nur unter seinem Pseudonym. Der Mann heißt Peter Hein, a.k.a. Janie J. Jones. Die Bands heißen MITTAGSPAUSE, DEUTSCHLAND TERZETT, FEHLFARBEN, CAMP SOPHISTO, O.R.A.V., SILLY GIRLS, FAMILY 5. Gleichzeitig sind diese Platten ein Stück Musikgeschichte. MITTAGSPAUSE, das war Ende der Siebziger und läutete hierzulande den Punkrock ein. DIE FEHLFARBEN setzten Anfang der Achtziger die Standards für das, was später Neue Deutsche Welle genannt wurde, und FAMILY 5 gehör(t)en, obwohl leider viel zu oft verkannt, mit Sicherheit zu den besten deutschen Bands überhaupt. Joachim und ich trafen uns Anfang Januar mit Janie in der Düsseldorfer Altstadt, wo wir uns bei Weizen (Joachim) und Altbier (Janie und ich) über das was war, das was ist und das was sein wird unterhielten. Als "Zaungäste" saßen Uschi und Co mit am Tisch.
Da es in dem Interview, das sich über mehr als vier Stunden und dementsprechend viele Biere zog, um weit mehr als nur eine Band ging, eigentlich sogar um mehr als um mehrere Bands, findet ihr in dieser Ausgabe des Ox lediglich Teil I des Interviews, der sich mit der MIPAU und FEHLFARBEN Phase beschäftigt. Teil II wird sich mit den anderen Bandprojekten und vor allem mit FAMILY 5 befassen.

Rückblickend kann man wohl sagen, auch wenn der eine oder andere da anderer Meinung sein mag, dass Punk in Deutschland hier in Düsseldorf sowas wie seinen Ursprung hatte. Erstaunlicherweise fast unmittelbar nach dem ersten großen Aufkommen in England, nämlich schon 1977, gab es hier die ersten Bands. Soweit ich das beurteilen kann, gehörtest du damals mit zu den Ersten, mit vielleicht zwei drei Anderen.

Ja, wenige.

Jürgen Engler von MALE, Mary Lou Monroe (Anm.: Franz Bielmeier) mit dem du dann später auch bei MITTAGSPAUSE gespielt hast.


Ja. MIPAU und MALE, das war wirklich das Erste in Düsseldorf, was damals rumlief. Das war so, letztendlich im Jahreswechsel 76 auf 77, teilweise noch unter anderem Namen, oder so.

Erzähl doch mal ein bisschen mehr dazu.

Nä! (lacht) Ich meine, soll ich jetzt die ganze 6000jährige Geschichte in drei Sätzen zusammenfassen, oder was? Ohne Anstoß?

Nee, es geht eher darum, dass Düsseldorf und Punkrock vielleicht doch mehr sein könnte als DIE TOTEN HOSEN, also bereits vor den HOSEN schon angefangen hat. Wobei der Vorläufer Z.K. ja schon zu den Anfängen zählte.

Ja schon, aber Z.K. war damals...

...zweite Garde.

Ja genau. Die kamen damals auf Rondo, dem Label vom Franz raus. Wann war das? Ende 79 glaub´ ich. Das war also gut zwei Jahre später, allerdings hatten wir bis dahin auch noch keine Veröffentlichungen. Auf Rondo sind dann vier Singles rausgekommen. Das waren MIPAU selbst, mit "Herrenreiter", AQUA VELVA, Z.K. mit "Tip von Twinky" und MALE mit "Clever und Smart".

Jetzt bin ich ein bisschen irritiert: Diese Singles sind ja dann ´81 auf so ´ner 10" wiederveröffentlicht worden, mit Liner Notes von Diedrich Diedrichsen, aus denen eigentlich hervorging, dass diese Z.K.-Single erst nach "Eddies Salon" rausgekommen ist.

Ja, was weiss der denn? Wo war der? Haben wir jemals solche Bärte gehabt? Nein!

(Lachen)

Alles klar, dem ist nix mehr hinzuzufügen.

Also Z.K. war später, wie gasagt so 79. Wir waren da alle schon seit zwei Jahren am Machen, haben aber eben nix veröffentlicht.

Da ward ihr mit MIPAU ja schon fast wieder fertig.

Ja eben.

Wann und wie wurde denn Punk wahrgenommen, wenn ihr die ersten zwei Jahre nichts veröffentlicht habt?

Also Anfang 77 war ich theoretisch, nach Bild-Zeitung oder so, vom Aussehen her plötzlich Punk. Aber ich lief da irgendwie völlig allein durch die Gegend und wusste auch eigentlich nicht warum, aber alle Anderen wussten das auch noch nicht und deswegen hab´ ich keinen auf die Fresse gekriegt. Das kam dann erst ein halbes Jahr später, weil das damals eben noch nicht in der Bild-Zeitung stand; Punks auf die Fresse nageln! In dem Frühjahr hab´ ich dann auch Monroe kennengelernt. "Bla bla bla, äh biste auch Punk?" Natürlich im Plattenladen beim Wühlen, wie üblich. Wir haben dann in dem Sommer schon angefangen zu spielen, bei ganz obskuren Gelegenheiten, in Köln meistens.

Als CHARLEY´S GIRLS?

Nee, noch vorher, oder nee, der Name war identisch, aber die Leute waren andere. Die kenn´ ich teilweise gar nicht mehr. Mindestens jeden Monat irgendwelche kompletten Bandwechsel, ausser dem Franz und mir. Warum wir jetzt zusammengeblieben waren und die Anderen immer weg waren, ist bei mir jetzt im Nebel untergegangen, das weiss ich nicht mehr. Wir haben auf jeden Fall geprobt, im Partykeller von Franzens Vater, irgendwo in Neuss. Da mußtest du ´ne halbe Stunde mit dem Bus ins Villenviertel fahren. Oder in Köln, da war irgend so eine Tiefgarage, wo Hippies Stadtzeitungen auf ´ner komischen Druckermaschine gemacht haben. Wir haben da nebenan, ohne Mauer oder sonstwas, unsere Verstärker gehabt und Lieder von RAMONES oder CLASH nachgespielt, obwohl wir das gar nicht konnten und ausserdem wusste keiner was wir singen sollten. Da haben wir dann alle Zettel, die irgendwo rumlagen, als Texte genommen. Dann kam auch immer mal einer und sagte, "So, das ist der Sowieso, der spielt jetzt Bass und auch Gitarre." Oder es gab einen Auftritt bei ´nem Schulfest in Rodenkirchen, da hat der Xao dann einen Bericht drüber geschrieben. Der Franz hat damals auch ein Fanzine gemacht, The Ostrich, für das ich auch geschrieben habe. Da hat auch Jackie Eldorado kräftig mitgearbeitet. Was macht man da? Man verherrlicht sich selbst, weil sonst niemand was macht, wir waren ja die Einzigen weit und breit. Da haben wir gedacht, wenn wir jetzt über uns schreiben, dann wird vielleicht ja was draus, oder vielleicht wird das, was du dann da schreibst, ja alles mal irgendwann mal wahr.

Aber der Artikel von Xao (Anm.: Watergate Düsseldorf - Business Fick und Neue Welle, erschienen in Rock Session 6, rororo) ist erst 81 erschienen.

Ja, weil die haben ja alle vom Ostrich abgeschrieben. Auch der Alfred Hilsberg. Letztendlich war das damals mit dem Fanzine alles ziemlich wirr, ich kann mich da an die ganzen Details nicht mehr erinnern.

Haben damals Drogen eine Rolle gespielt?

Also bei uns, im engen Kreis, erstmal anderthalb Jahre ungefähr, meines Wissen gar keine.

Nichtmal Alkohol?

Nee, überhaupt nicht. So... Klebstoff, - angeblich. (Lachen) Letztendlich natürlich nur eine Tube dabei gehabt, aber nur zum Vorzeigen, nix damit gemacht, nur mal dran riechen, aber da kommt nicht viel bei rum.

Lustig. Solche Leute kannte ich auch. Die haben auf Partys da ein,- zweimal dran gerochen und dann den Rest des Abends auf´m Boden gelegen, als ob sie was weiss ich wie breit waren.

Nee, das haben wir so ja noch nichtmal gemacht. Das reichte, dass irgendwelche Leute letztendlich schockiert waren. So "Boah, mein Gott". (Lachen) Das war damals alles noch sehr einfach. Das war, wie gesagt, die Zeit, bevor in der Bravo und der Bild stand, was man zu tun hat, wer was auf die Fresse zu kriegen hat, wer wie auszusehen hat und so halt. Das wussten die alles noch nicht, wir auch nicht, aber genau deswegen konntest du so unglaublich viel machen und brauchtest nicht permanent über die Schulter gucken, wer verfolgt dich gerade. Das kam dann so 79 ungefähr, dass das festgeschrieben war, wo´s dann hieß, das sind die Feinde. Da wurd´s dann gefährlich. Bis dahin waren Drogen noch nicht aktuell. So ab ´79 haben dann ein paar von uns angefangen zu kiffen oder Trips zu nehmen. Ich bin damals von unserem Drummer dann auch zum Trinken verführt worden. Das war´s aber auch. Vom Kiffen ist mir nur übel geworden, das hab´ich einmal gemacht und fand es auch langweilig.

Wie war das dann, so rein vom persönlichen Empfinden, als solche Sachen, die man vorher rein aus einer Kid-Punk-Laune heraus gemacht hatte, plötzlich Ernst genommen wurden? Das wurde ja schließlich auch von bestimmten Leuten instrumentalisiert und medial aufbereitet. Somit war man ja plötzlich jemand, als den man sich vorher gar nicht gesehen hatte. Kannst du dich daran noch erinnern, oder ist das jetzt verschwommen?

Jein. Also, es ist schon verschwommen, weil ich das ja nie festgehalten oder rekapituliert habe. Also ich hatte nie meinen persönlichen Videofilmer dabei, was ja heute anscheinend unausweichlich ist. Ohne kannst du nicht mehr rausgehen. Letztendlich haben wir das alles nicht so ernst genommen, sondern ich fand das eher immer lustig. Man liest was über sich selber und wenn man damit nicht umgehen kann, fängt man irgendwann an, das alles zu glauben. Ich habe mir eher gedacht, dass das, was wir, was ich mache, das ist o.k. so und das soll irgendwie was bewirken, oder besser, anders sein, als Bravo oder so was. Aber niemals Botschaft, oder Sprachrohr einer Generation. Was weiss ich, was da hinterher immer für ein Scheiss dabei rauskommt. Wenn wir sowas am Anfang gelesen haben, fanden wir das natürlich auch super. Das wurde aber, wie gesagt, auch meist von Leuten geschrieben, die man kannte und da hat man sich natürlich auch eher wiedergefunden. Aber irgendwann ging das ja los. Da hast du dann im Spiegel, Stern oder im Fersehen so Berichte gehabt. Da merkst du dann auch, die haben null Plan, die wissen von überhaupt nix. Die saugen sich da Sachen aus den Fingern, aus zwei Fotos machen die eins und so Sachen halt. Da siehst du von dir ein Foto und da sind Leute neben dir, die hast du im Leben noch nie gesehen, die waren niemals da. Da habe ich mir dann auch gesagt, was soll´s, da habe ich nix mit zu tun.

An so einen Bericht im Stern, kann ich mich auch noch erinnern. Das muß so Anfang der 80er Jahre gewesen sein, kurz bevor ich angefangen habe, Punk zu hören, da ging es um Jugendmoden...

Ja, da war dann eben auch was über den Ratinger Hof drin, damals DER Punkladen in Düsseldorf. Da hatten die so ein Bild, da waren Thomas und ich drauf, in so dicken Wintermänteln auf der Tanzfläche, das war damals gerade angesagt, und daneben waren irgendwie so halbnackte Frauen. Die waren im Leben nicht da gewesen. Zumindest nicht, als wir da waren. Völlig an den Haaren herbeigezogen.

Schade eigentlich, oder?

Ja, weiss ich nicht... Als ich das Foto gesehen habe, fand ich es eigentlich nicht so schade. Als wir da waren vielleicht, aber eher halb schade, weil Groupies und Rock´n´Roll, das war ja eigentlich LED ZEPPELIN-Programm, das wollten wir ja gar nicht. Wir haben ja damls noch geglaubt, was so CLASH und PISTOLS erzählt haben. Das die damls die größten Kiffer und Stecher waren, das haben wir ja nicht mitbekommen. Das liest man ja erst Jahre später. (Lachen)

Das liest man heute in Büchern, die die über damals schreiben.

Ja, obwohl, als ich mal mit den CLASH hier unterwegs war, bin ich doch leicht schockiert gewesen, als die dann alle hier in den Puff wollten. Da hab´ ich mich dann abgesetzt und gesagt, ich müsse unbedingt nach Hause fahren. (Lachen)

Ich würde gerne nochmal auf euer Fanzine zu sprechen kommen. Die Musikpresse heute in Deutschland, die sich mit dem Underground und alternativer Musik beschäftigt, basiert ja eigentlich auf dem, was sich so im Zuge der damaligen Punkbewegung entwickelt hat. Also zu eurer Zeit wurde quasi ein Grundstein gelegt, ohne den es heute vielleicht Hefte wie das Visions, Intro, Spex oder das Ox gar nicht geben würde. Letztendlich ist ja dem Ganzen erst dadurch, wie du eben gesagt hast, dass Leute darüber geschrieben haben, eine gewisse Aufmerksamkeit zuteil geworden. Während die Einen Musik gemacht haben, haben die Anderen drüber geschrieben.

Zuerst war das ja so, dass wir alles gemacht haben, alles gleichzeitig. Wir waren ja klein und dumm und wollten die Weltherrschaft innerhalb der nächsten fünf Jahre. Das hie§, schreiben, Fanzine machen und Design machen und T-Shirts drucken und nebenbei noch Musik machen. Am besten direkt Bürgermeister sein und wenn es nur von ´ner Kneipe ist und natürlich Kneipe auch noch machen. Alles! Das hat sich natürlich als unpraktisch herausgestellt.

Wobei ja der Anspruch alles zu machen, bestimmt auch heftig sekundiert wurde, von der Presse?

Stimmt nicht ganz. Eigentlich haben wir im Gegenzug auch die bestehenden Zeitungen infiltriert. Damals gab es zum Beispiel die ersten Stadtzeitungen, die da gerade überall aufkamen. Die haben schon von sich aus Leute aus unseren Kreisen gesucht, die da mitschreiben. Ich nehme an, in Hamburg und Berlin war das nicht anders. Wir haben auch angefangen für die Sounds zu schreiben. Letztendlich wurden das später völlig obskure Artikel, die niemand mehr verstanden hat, was dann wahrscheinlich auch etwas mit dem Ende der Zeitung zu tun hatte. Dann hatte Xao wie gesagt diesen Artikel in dem Rowohlt-Buch, womit also letzlich dieses alternative Selbermachen auch dahin führte, das man die bestehenden Sachen so ein bisschen unterwandert und für seine Zwecke genutzt hat. Daraufhin sind ja dann auch erst so Blätter wie die Spex entstanden. Aber wie gesagt, damals war das noch wesentlich einfacher, mit seinen Sachen wahrgenommen zu werden. Man konnte ja schon Aufsehen erregen, wenn man gesagt hat, "Alles ist scheisse". Heute musst du, damit du bemerkt wirst, schon wirklich schreckliche Dinge tun.

Also hat irgendwo die Revolution ihre Kinder gefressen. Heute kann jeder alles machen und sagen, aber es interessiert keinen mehr.

Zurück zur Musik. Was ja mit der damaligen deutschen Musikszene auch einherging, war ja auch, dass deutsche Texte wieder, oder überhaupt erst möglich geworden sind, dass also Rock´n´Roll aus dem englischen Sprachraum gelöst wurde. Gerade DIE FEHLFARBEN haben da meiner Ansicht nach ein textliches Monument geschaffen. Etwas ähnliches hat sich dann später wiederholt, als die ersten deutschen Hip Hop-Bands aufkamen und gezeigt haben, dass sich mit der deutschen Sprache mehr machen lässt, als bis dahin angenommen wurde, auch wenn ich in dieser Musik nicht zu Hause bin. Wie stehst du dazu, als Texter und Schreiber?


Schwierig. Das ist halt überhaupt nicht meine Welt. Die Musik mag ich einfach nicht, daher kann ich dazu auch nicht viel sagen. Das war auch früher so. Ich habe mir nie Sachen angehört, nur weil die Texte gut waren.

Gut, aber ich sag mal, eine Band wie TOCOTRONIC wäre ohne BLUMFELD nicht möglich gewesen und die wiederum nicht ohne DIE FEHLFARBEN. Gerade deren zweite Platte L´etat de moi erinnert glaube ich nicht von ungefähr sehr stark an Monarchie und Alltag.


Ja, das ist aber auch kein deutscher Hip Hop. Also BLUMFELD finde ich auch sehr klasse. Zuerst habe ich die nie wahrgenommen, aber so vor ungefähr zwei Jahren habe ich die mal kennengelernt und die haben mir einige ihrer Sachen zugeschickt. Auch live sind BLUMFELD wirklich große Klasse.

Die FEHLFARBEN sind eine Band, die interessanterweise immer noch aktuell sind. Auch im Jahr 2001 gibt es Bands, die wissen, wer die FEHLFARBEN sind, die sogar Sachen von den FEHLFARBEN covern. Ein Beispiel wären da die BAFFDECKS, deren Version von "Paul ist tot" allerdings ausgesprochen schlecht ist. Wie empfindest du das, wenn du so etwas mitbekommst?

Mit Verwunderung. Andererseits, Ehre wem Ehre gebührt, oder wie?

Mit Verwunderung?

Ja, ich wundere mich immer wieder, dass es Bands gibt, die so ähnlich sind wie wir. Also insofern ähnlich, das die Sachen covern, weil sie die Stücke gut finden. Meistens covern Bands doch nur Sachen, die gut verkauft werden.

Ihr habt ja mit FAMILY 5 auch viele Sachen gecovert, die ihr gut findet.

Ja eben. Aber ich wundere mich, dass es Leute gibt, die genauso blöd sind. Weil, was ham wir davon gehabt? Nix. Also ausser unserem Spaß haben wir nix davon gehabt. Verwunderlich auch deswegen, weil die Leute ja letztendlich auch Geld dafür ausgeben um das aufzunehmen. Ausserdem wird Zeit investiert, die einzelnen Sachen rauszuhören, zu üben und so weiter. Das Cover, das du da erwähntest, kenne ich allerdings nicht, also kann ich das nicht beurteilen. Na ja, hoffentlich gibt´s wenigstens ´n paar Mark GEMA, was ich bezweifle. (lacht)

Das wundert mich jetzt allerdings, dass du es merkwürdig findest, wie jemand DIE FEHLFARBEN covern kann. Denn ihr wart ja entsprechend populär, oder viel besser, seid es immer noch, also ist es ja, wie du gerade gesagt hast, schon "lohnenswert" euch zu covern. Der einhellige Tenor, den man immer wieder mitbekommt, egal ob im Bekanntenkreis oder bei vielen Plattenkritikern, ist eigentlich immer der, dass "Monarchie und Alltag" zu den besten deutschen Platten zählt, die je aufgenommen wurde.

Ja ja. Das hat sich auch bei der Wiederveröffentlichung letztes Jahr gezeigt. Wir sind besser als die BEATLES. Genau einen Platz. In den Lesercharts der wichtigsten Platten des letzten Jahrhunderts oder so, vom Musikexpress, wenn ich mich recht erinnere. Ich persönlich finde natürlich, das ist ein Skandal. Andererseits, wenn man sieht, was dann noch so vor uns ist, das ist natürlich ein noch viel größerer Skandal. Irgendwelche, politisch unkorrekte, analphabetischen Bimbos, die deutschen Kanacker inbegriffen. (lacht) Wir haben ja wenigstens immer noch auf Grammatik und anständige Sprache geachtet. (lacht) Aber um auf´s Thema zurückzukommen. Manche Leute meinen schon, dass da was dran war, an uns, aber sowas nimmt man letztendlich, wenn man betroffen ist, mit Verwunderung wahr. Also wir fanden uns nicht scheisse, aber warum jetzt ausgerechnet wir, also ich weiß nicht...

Da hätte ich jetzt eine Theorie anzubieten. Erstens, weil die Platte völlig zeitlos ist, sowohl von der Musik, als auch, und vor allem von den Texten. Zweitens, weil sie sich ganz klar von dem Rest der Alten Deutschen Welle absetzte. Das aus denselben Gründen, aber auch produktionstechnisch.

Was meinst du jetzt mit Alter Deutscher Welle? Das hab´ ich jetzt nicht verstanden.

Neue Deutsche Welle hat im Nachhinein so einen negativen Touch bekommen. Mit alt meine ich die damalige Düsseldorfer Musikszene, die von Punk und New Wave beeinflusst war, und nicht wie später, der ganze Schlagerscheiß la UKW, Nena, Markus und der ganze Kram. Besser wäre, die "Alte Neue Deutsche Welle" zu sagen, also Bands wie MALE, MITTAGSPAUSE, Z.K., KFC und eben DIE FEHLFARBEN.

Ach ja, klar. Also auch Hamburger wie HANS-A-PLAST?

Ja genau, alles was vor "Es geht voran" schon da war.

Na gut, in der Hinsicht und für die damaligen Verhältnisse, war das schon sowohl technisch als auch qualitativ ein Quantensprung. Obwohl, wenn man sich das heute so anhört, klingt das ziemlich grob, so mit dem Bagger irgendwie gemeiselt. Ich muss allerdings dazu sagen, wir haben als Zielgruppe auch nicht, die ich sag mal, 12 bis 15 jährigen im Auge gehabt. Das war dann wirklich eher sowas wie Nena, Leute die das bewusst kalkuliert haben. Wir haben da nicht drüber nachgedacht, sondern eher Musik für Leute wie uns selbst gemacht. Wir waren ja auch schon so zwischen 22 und 25 damals. Die Musik war von daher für uns selbst, nicht für unsere Eltern, aber auch nicht für die kleinen Geschwister. Wenn das bei euch damals angekommen ist und heute immer noch ankommt, um so besser.

Wie kam es denn jetzt zu der Wiederveröffentlichung von "Monarchie und Alltag"?

Tja, es war mal wieder an der Zeit, ein paar Mark rauszuschlagen. (lacht) Aber vor allem, wegen der CD, da gab´s bisher eigentlich nur ´ne ganz schäbbige Version, zwar für wenig Geld, aber auch nur mit so ´nem Zettel drin. Da haben sich die Jungs mal ein bisschen hintergekniet, bei der EMI auf den Tisch gehauen und gesagt "So geht´s nicht". Dann haben die ein paar Mark locker gemacht, die Platte ist neu remixt worden und ein Booklet mit Fotos und Texten kam dabei, so halt.

Hat sich das gelohnt?

Kann ich dir nicht sagen, zumindest nicht vom kommerziellen Standpunkt aus, das weiß ich nicht.

Ich denke aber, es l_sst sich schon als Erfolg verbuchen, dass das Repertoire...

...wieder aufgewertet wird. Aber das ist das ja. Diese Plattenfirmen, die haben ja unglaubliche Schätze da rumgammeln. Also ich würde, na ja, ´ne Fingerkuppe dafür geben, um mal von so ´ner Plattenfirma einfach das Archiv komplett durchwühlen zu können. Aber ohne, dass da einer beisteht und sagt "So, jetzt isset aber vorbei". Allein schon die ganzen Tapes, die die da haben, das muss ja irgendwie der Hammer sein.

Der Reissue-Markt boomt auf alle Fälle. Es ist aber einfach gut, dass die Leute durch sowas wieder die Möglichkeit haben, sich bestimmte Sachen kaufen zu können und nicht unbedingt von einem Flohmarkt zum anderen laufen müssen. Natürlich steht das vom Aufwand her in keinerlei Relation mit dem zu erwartenden Gewinn. Wenn da früher mal 10.000 von weg gegangen sind, finden sich heute vielleicht nur noch 1000 Käufer, aber das ist natürlich schade, dass die das da verstauben lassen.

Das ist ja im Prinzip auch Blödsinn, weil das kostet die Labels ja keinen Pfennig mehr letztendlich. Das ist ja alles schon bezahlt. Die brauchen ja eigentlich nur noch mal hingehen...

Das kostet aber die Mühe und vor allem die Zeit. Die wird jedoch lieber in Sachen investiert, die sich finanziell mehr lohnen.

Bei uns die Plattenfirma, die haben ja zwei Kanäle. Einmal die ganze Neukacke und so, während wir ja schon unter Katalog fallen. Das sind ja ganz alte Leute.(Lachen) Das sind ja nicht die 20jährigen aufstrebenden Jungspunde, die irgendwie mit den Nasenziehern da über die Höfe müssen, sondern meist gestandene Charaktere, die alles hinter sich haben und dann irgendwo auf´m Abstellgleis landen. (lacht) Letztendlich haben wir ja früher auch Archivarbeit betrieben. Wir fanden das ja auch immer klasse, rumzuwühlen und alte Sachen rauszusuchen. Wir haben auch einerseits gedacht, wir sind das Neueste im Block, aber na ja gut, was hab´ ich damals gehört? 10 Jahre alte Sachen, und das hat wiederum auch unsere Musik geprägt.

Ist geplant, die anderen Sachen von FEHLFARBEN auch nochmal zu veröffentlichen?

Na ja, das betrifft mich ja nur periphär, aber je nachdem, wie das läuft, planen die Jungs, den ganzen FEHLFARBEN-Katalog ähnlich aufgemacht herauszubringen.

Wie stehst du denn zu dem, was DIE FEHLFARBEN nach deinem Ausstieg gemacht haben? Also mir hat das nicht mehr viel gesagt.

Na gut, ich finde zumindest "Glut und Asche" ist ´ne schöne LP geworden.

Geschmackssache.

Ja, aber immerhin haben die da nicht mehr versucht, so zu klingen, als wenn ich noch dabei wäre. Das war nämlich bei der zweiten Platte ein bisschen das Problem, deswegen fand ich die auch nicht so dolle. Da waren teilweise ein paar gute Stücke drauf, aber die hören sich irgendwie Kacke an, find´ ich.

Du redest von "33 Tage in Ketten"?

Ja genau.

Langweilig war die. Hab´ ich einmal gehört und schnell wieder verkauft, bevor es sich rumgesprochen hatte, dass die es nicht mehr bringen.

Wir haben ja ´91 auf der Reunion-Tour ein paar Songs davon gespielt und als ich die dann gesungen habe, da fand ich die dann auch okay. Es waren zwar für mich letztendlich Coverversionen, aber es ist okay so, weil es waren ja meine Jungs, die das gemacht hatten.

Wie war denn die Arbeitsteilung bei den FEHLFARBEN? Wie wurde da Musik gemacht, wer war der Business-Checker, wer Texter, wer Musikschreiber? Wurden die Sachen aufgeteilt, oder war das eine Gruppensache?

Jein. Meisteins war es so, dass wirklich Thomas Schwebel, wenn ich mich richtig erinnere, ich will da den Micha Kemner nicht übergehen, die Stücke gemacht hat. Wenn das dann stand, ging´s ans Proben. Da hab´ ich dann meistens irgendwas drauf gesungen. Irgendwelchen Scheiss, MIPAU-Texte zum Beispiel, oder CLASH, also Sachen, die hinterher dann nie jemand gehört hat. Das hab´ ich selbst später bei FAMILY 5 noch so gemacht. Wenn wir dann wussten, wie das Stück geht, dann kamen die Texte. Da hat der Thomas dann die eine Hälfte gemacht und ich die andere Hälfte, oder wir haben auch mal ein Drittel davon zusammen geschrieben. Das war bei "Monarchie und Alltag" so und bei der 90er war das auch so.

Das nehme ich mal als Stichwort. Wie kam es denn dazu, dass ihr euch 1990 nochmal zusammengetan habt und mit "Die Platte des himmlichen Friedens" eine zweite LP in der Originalbesetzung veröffentlicht habt? Für mich war das, trotz diverser Platten ohne dich, somit die zweite FEHLFARBEN-LP.

Ja klar, das war für mich ja auch die zweite FEHLFARBEN-LP. Also, das war im Sommer oder Frühherbst, kurz nach der Popkomm. Die war damals noch in Düsseldorf, also als die erfunden wurde. Das war hier im Zak, da war das noch keine multinationale Messe, also bevor da einer seine sozialdemokratischen Plauze rumgetragen hat und bevor Gorny da irgendwelche Multimediascheisse produziert hat und als noch kein Kinderfernsehen damit zu tun hatte. Also damals, früher, als alles noch besser war, wie alle wissen, (lacht), auch die Jüngeren, haben wir halt irgendwie mit der Plattenfirma gesprochen. Das übliche Blabla und so, man könnte ja und ich weiss nicht was. Irgendwie haben ja immer alle geglaubt, die Jungs, also Thomas, Michael und ich, wir hätten irgendwie Streit oder sowas. Das wurde ja immer gesagt, aber das war ja überhaupt nicht so.

Das stand ja auch überall, also in diversen Musikzeitungen. Die schrieben alle, ihr hättet euch nach der "Monarchie und Alltag", kurz vor der Tour, überworfen.

Ja, das war drei Wochen oder so. Natürlich waren die sauer, als ich weg war, klar. Aber letztendlich haben wir drei Monate später wieder irgendwelche obskuren Platten zusammen gemacht. Dass wir später weniger miteinander zu tun hatten, lag eher an der Entfernung. Der Eine wohnt in Berlin, der Andere in Hamburg, ich in Düsseldorf, da seh ich die nicht, die sehen mich nicht, aber das ist ja kein Streit, sondern es ist einfach niemand da. Auf jeden Fall kam das dann auf, ob wir nicht nochmal ´ne Platte zusammen machen sollen. Alle schauen auf die Uhr, 10 Jahre danach, das reicht doch. Alle 10 Jahre ´ne Platte ist schon o.k.! Also haben wir gesagt, lasst es uns angehen, mal proben, das war in Ordnung, jemand hat die Kohle rausgetan und dann war´s das.