PROMISE RING

Seit ich sie vor Jahren in einem kleinen Essener Jugendzentrum erstmals live gesehen habe, bin ich ein Fan von PROMISE RING. Damals hatten Davey von Bohlen, Dan Didier, Scott Schoenbeck und Jason Gnewikow gerade ihre erste Platte raus, die mir nicht mal sonderlich gut gefiel, doch live war der Vierer aus Milwaukee einfach unglaublich. Doch dem schwachen Debüt "30 Degrees Everywhere" folgte 1997 das grossartige "Nothing Feels Good"-Album und schliesslich ´99 "Very Emergency", ihr bislang bestes Album und wie die Vorgänger auf Jade Tree. PROMISE RING erwiesen sich als begnadete Songwriter und als phantastische Liveband, und so war die Vorfreude angesichts der für Mai geplanten Tour mit ihren Labelmates JETS TO BRAZIL gross, doch kurz vor Tourstart kam die Hiobsbotschaft: Davey, Sänger und Gitarrist von PROMISE RING, liegt mit einem Hirntumor im Krankenhaus. Angst um dem Frontmann, Angst um die Band, doch bald Entwarnung: Operation geglückt, Patient auf dem Weg der Besserung - nur keine Tour mehr dieses Jahr. Zum Trost deshalb dieses Interview mit Jason, Gitarre.

Wie geht´s Davey?


"So weit ganz o.k., er hat sich gut erholt. Wir haben schon ein paar Mal geübt und letzte Woche hier in unserer Heimatstadt sogar schon ein Konzert gespielt. Du kannst dir vorstellen, wie erleichtert und froh wir waren, wieder mit ihm zusammen zu spielen."

Ich denke mal, die paar Wochen im Mai waren ein ziemlicher Alptraum für euch.

"Oh ja. Es war ein höllischer Stress, vor allem die zwei Wochen, als wir nicht wussten, wie schlimm oder nicht schlimm die Sache nun ist. Davey hat sich sehr schnell erholt, das war echt schön, und damit ist die ganze Sache nun für uns Vergangenheit - jetzt denken wir wieder ans Rocken!"

Wann können wir mit einer Nachholung der abgesagten Tour rechnen?

"Wahrscheinlich erst nächstes Jahr im Frühling. Ich weiss, das saugt, aber realistischerweise wird es nicht vorher klappen."

Da stellt sich die Frage nach dem neuen Album.

"Wir arbeiten schon dran. Wir haben uns den ganzen Sommer frei genommen, um neue Songs zu schreiben, und im Herbst geht es dann wieder los mit dem Touren. Wir werden mit BAD RELIGION eine dreiwöchige US-Tour machen, wobei wir die Support-Band sind. Seltsam, hm? Aber ich denke, es wird spassig werden. Danach machen wir uns wieder ans Stückeschreiben, und dann werden wir im Winter aufnehmen, so dass das neue Album im Frühjahr erscheinen kann."

Und, kannst du schon was sagen, wie das neue Album ausfallen könnte im Vergleich zu seinen Vorgängern?

"Hm, schwer zu sagen, dafür ist es einfach noch zu früh. Wir haben derzeit fünf neue Songs, und wenn ich darüber nachdenke, kann man wohl sagen, dass wir unserem Sound prinzipiell treu bleiben, die neuen Songs aber eher nach "Nothing Feels Good" als nach "Very Emergency" klingen. Aber das ist auch eher Spekulation zu diesem frühen Zeitpunkt, wir müssen einfach abwarten. Auf jeden Fall wird die neue Platte gut, ich mag die neuen Songs."

Wie geht ihr denn an eine neue Platte ran? Wisst ihr genau wo ihr landen möchtet, oder macht ihr einfach drauf los, um dann zu sehen, was dabei herauskommt?

"Das ist bei jeder Platte anders. Als wir "Nothing Feels Good" aufgenommen haben, lief das Songwriting so, dass wir einfach zusammen rumgejammt haben und sich dabei gute Sachen ergaben. Wir hatten keine Erwartungen und auch keine Ahnung, was dabei herauskommen würde, ja wir wussten nicht mal, wie wir wollten, dass die Sache ausfällt. Es zeigte sich, dass die Sache gut ausfiel und so war der Weg dort hin o.k. Bei "Very Emergency" war das Songwriting dann viel bewusster. Wir hatten einen Plan, hatten uns Gedanken gemacht und schafften es, die Aufnahmen genau so zu gestalten, wie wir es uns vorgestellt hatten. Diesmal werden wir wieder anders heran gehen: wir haben uns einen eher lockeren Ansatz vorgenommen beim Songwriting, wollen das Songwriting noch im Studio offen halten, um bei der eigentlichen Aufnahme noch Ideen einbringen und einfügen zu können und so alles spontaner zu machen."

Habt ihr schon einen Produzenten ausgewählt?


"Nein, wir wissen noch nicht, mit wem wir arbeiten werden. Es ist noch zu früh."

Die letzte Platte habt ihr mit J Robbins aufgenommen.

"Ja, und er ist auch diesmal wieder ein guter Kandidat, aber da steht noch nichts. Wir wissen noch nicht mal, wo die Platte erscheinen wird."

Wie, nicht mehr auf Jade Tree?

"Das habe ich nicht gesagt, wir wissen es nur noch nicht. Unser Vertrag lief über drei Alben, mit "Very Emergency" war der erfüllt und jetzt müssen wir sehen, wie wir weiter klar kommen. Jade Tree lizensiert seine Platten beispielsweise nicht in andere Länder, was wir aber gerne hätten, da so die Platten in Europa einfach besser zu bekommen sind. Es gibt da eine ganze Menge zu klären, wir müssen für uns selbst viele Sachen neu klären, einfach damit es mit der Band weiter geht."

Du meintest eben, Jade Tree würde keine Platten lizensieren, aber kürzlich ist doch eure aktuelle EP via Burning Heart in Europa erschienen.

"Naja, das war so der Knackpunkt. Wir mussten ihnen schwer zureden, damit sie das machten, sie waren von dieser Idee nicht sonderlich angetan. Und wir konnten sie auch überzeugen, unsere Platte nach Japan zu lizensieren, und das war einfach sehr gut für uns. Da fingen wir eben an nachzudenken: wir waren im Februar in Japan und es war grossartig. Die Shows liefen fast alle in grossen Hallen, die Leute kannten die Songs, sangen sie mit und es war klar, dass die unsere Platten hatten. Es lief echt gut, besser noch als in Europa, wo wir schon dreimal waren. Da war uns klar, dass es einen Unterschied macht, wenn man seine Platten lizensiert und sie vor Ort erscheinen und nicht nur via Import."

Wie geht ihr mit der Erfahrung um, dass geschäftliche Aspekte eine immer grössere Bedeutung gewinnen, wenn eine Band grösser wird?

"Es ist schwierig. Je bekannter deine Band wird, um so mehr musst du aufpassen, was so läuft, um nicht Gefahr zu laufen, dass Sachen ausser Kontrolle geraten. Denn da fangen dann die Probleme an. Und es gibt ja auch genug Aspekte, die dich als kleine Band nicht weiter interessieren: du bist froh, dass überhaupt jemand deine Platte rausbringt. Das "Problem" mit Jade Tree ist jetzt, dass die Arbeitsteilung in den USA sehr gut funktioniert: sie bringen die Platte raus und kümmern sich um die Promotion, während wir viel auf Tour gehen, womit jeder seinen Teil zum Erfolg beiträgt. Aber in Europa etwa gehen wir auf Tour, ohne dass so richtig was an Promotion passiert, und da könnte uns ein Label vor Ort einfach mehr bieten. Solche Sachen gilt es eben zu klären, das ist nicht immer einfach."

Nehmen einem diese steigenden Erwartungen von allen Seiten nicht etwas die Unschuld?

"Aber klar, und ich mache mir darüber auch ständig Gedanken. Andererseits gibt´s ja nicht wirklich eine Alternative dazu, wenn man weiterhin das machen will, was wir machen. Wir haben aber immer noch Spass an der ganzen Sache, und ja, mehr Erfolg bedeutet mehr Verantwortung, aber dem müssen wir uns eben stellen, auch wenn es manchmal nervt."

Ich kann mich noch genau erinnern, wie ihr vor einem Publikum, das wegen der Vorbands gekommen war, in einem kleinen Jugendzentrum in Essen gespielt habt und euch keiner kannte. Schon erstaunlich, wie sich das alles entwickelt hat.

"Oh ja, ich denke auch oft darüber nach, wie das alles so gelaufen ist. Als wir das erste Mal nach Europa kamen, war alles grossartig, wir waren einfach von allem begeistert, sogar dann, wenn nur wenig Leute auf den Konzerten waren - wir fanden´s gut, dass wir überhaupt da auf dieser Bühne standen. Es war eine Erfahrung."

Im Ox sind in letzter Zeit AVAIL, HOT WATER MUSIC, AT THE DRIVE-IN, BURNING AIRLINES, JETS TO BRAZIL und GET UP KIDS interviewt worden, und keine dieser Bands hatte Spass daran, mit dem Begriff "Emo" in Verbindung gebracht zu werden. Wie steht´s um euch?

"Hm, also mir ist das ganze Gequatsche darum mittlerweile völlig egal. Ich weiss, es ist die erste Reaktion jedes Musikers, jeden Versuch einer Kategorisierung zurückzuweisen. Wenn man jetzt mal die Bands nimmt, die du genannt hast, so gibt´s da natürlich gewisse Ähnlichkeiten, aber eigentlich decken sie doch eine ziemliche Bandbreite verschiedener Sounds ab. Jeder Musiker hält seine Musik für eigenständig, für etwas besonderes und dazu hat er auch das Recht, aber andererseits kann man sich solchen Kategorisierungen auch nicht wirklich entziehen und es macht meiner Meinung nach nicht viel Sinn, zu viel darüber nachzudenken. Emo ist ein Begriff, der derzeit wie einst Grunge verwendet wurde, um eine bestimmte Gruppe von Bands zu beschreiben, die sich nicht unbedingt von ihrem Sound her, aber auch von ihrer "Szene" und ihrem Verhalten her ähneln. Wir machen uns darüber nicht zu viele Gedanken, denn wenn dich jemand so kategorisieren will, kannst du dich dem sowieso nicht entziehen."

Wärst du denn mit "Pop" eher einverstanden?

"Ja, warum nicht? Begriffe wie "Pop" oder "Rock" oder wegen mir "Independent Rock" sind nicht falsch, und Emo ist derzeit ja auch dabei, in diesen Begriffen aufzugehen. Im Gegensatz zu "Emo" werden diese Begriffe jedoch lange Bestand haben, da muss man ja nur mal dran denken, dass sich heute keine Band mehr als "Grunge" bezeichnet. Der Begriff ist völlig ausgestorben, und so wird es auch mit "Emo" geschehen."

Um nochmal auf Pop zu sprechen zu kommen: wenn man damit jetzt mal nicht grausamen Charts-Müll bezeichnet, sondern Musik, die einfach eingängig ist und sich durch schönes Songswriting auszeichnet - ich denke da an Grossmeister wie Elvis Costello -, könnt ihr euch dann darin wiedererkennen?

"Je nachdem, aus welcher Generation du stammst, hat "Pop" eine andere Bedeutung. Eingängige Musik ist Pop, diese allgemeine Beschreibung passt auf so ziemlich alles von N´SYNC bis Elvis Costello, und "Pump it up" ist genauso eingängig als Refrain wie "Bye bye", wobei dann die Unterscheidung auftritt, dass die eine Form von Pop Credibility hat und die andere nicht, wobei das auch wieder davon abhängt, wen du fragst: ein Mädchen mit 12 wird N´SYNC nennen, ein Mann mit 30 eher Elvis Costello - hoffentlich zumindest..."

Was hast du in letzter Zeit gehört, und könnte sich das als Einfluss auf das neue Album auswirken?

"Also der grösste Einfluss wird sicherlich sein, dass wir nicht noch einmal das gleiche Album machen können. Das wiederum ist etwas, was manche Leute nicht respektieren können und wollen, andere aber schon. Das hängt davon ab, wo du persönlich stehst, und wir mussten uns beim dritten Album anhören, wir hätten uns seit dem zweiten Album schwer verändert, was manchmal schon nervte, aber ich denke, auf lange Sicht ist es gut, sich zu verändern und die Leute werden das auch zu schätzen wissen. Warum soll man sich auch ständig selbst kopieren? Aber deine Frage war ja, was ich gehört habe. Also das neue JETS TO BRAZIL-Album ist grossartig, es ist immer wieder inspirierend für mich zu hören, was die so machen, denn zu denen blicken wir wirklich auf und sie sind definitiv ein grosser Einfluss. Auch sehr gut ist das letzte SUPERGRASS-Album, die Platte von BELLE & SEBASTIAN gefällt mir gut, ausserdem APPLES IN STEREO, PRIMAL SCREAM, wobei ich nicht weiss, ob das ein Einfluss sein wird bei uns, haha, doch wenn ich darüber nachdenke, könnte das schon sein. Ausserdem habe ich gerade meinen ewigen Liebling Mathew Sweet im CD-Player. Ich denke, das Songwriting wird diesmal etwas komplizierter sein, nachdem wir es bei der letzten Platte bewusst simpel gehalten haben."

Ein wichtiger Aspekt an THE PROMISE RING waren für mich schon immer die Texte. Nun stammen die von Davey, ich weiss also nicht, ob du dazu was sagen kannst oder willst.

"Die Texte sind Daveys Sache, das stimmt, aber oft hat er auch nur eine Rohfassung und wir bringen die dann gemeinsam in eine Endfassung. Aber es sind seine Texte."

Also bringt es wohl nichts, dich nach ein paar konkreten Texten zu fragen.

"Nein, nicht wirklich, aber das würde dir mit ihm wohl genauso gehen, hahah."

Wie gehst du denn mit seinen Texten um, die meist recht poetisch sind und sehr viele Wortspiele enthalten?

"Ich liebe seine Texte, die meisten zumindest. Manchmal kommt er auch mit völligem Schrott an, aber das sagen wir ihm auch, denn niemand ist perfekt und schreibt nur gute Sachen. Aber die meisten seiner Sachen sind gut. Manchmal habe ich das Gefühl, ich weiss wovon er da redet, manchmal habe ich nicht die geringste Idee. Er hat nicht eine bestimmte Art seine Texte zu schreiben, sie sind also nicht rein autobiographisch oder reine Poesie nur um der Poesie Willen, sondern auch mal Blödsinn, weil es sich irgendwie reimt. Da ich die Texte nicht schreibe, ist es für mich beinahe wie ein Song von jemand anderem, wenn Davey seinen Gesang über die Musik legt. Ich denke also schon, dass bei uns die Texte eine wichtige Rolle spielen."

Fragst du ihn denn schon mal, was dieser oder jene Text zu bedeuten hat?

"Manchmal reden wir darüber, aber nicht oft und es ist ein komisches Gefühl, wenn mich Leute fragen, was dieser oder jene Text bedeutet und ich ihnen antworten muss, dass ich wie sie keine Ahnung haben. Ich denke aber, das ist o.k. so, und es wäre sicher was anderes, wenn wir eine politische Band mit politischen Texte wären und ich seiner Meinung nicht zustimmen kann."

Eine spezielle Textfrage habe ich allerdings, vielleicht weisst du dazu ja was. Und zwar singt Davey in "Forget me" im Refrain die deutschen Worte "Ach du".

"Ha, das habe ich vergessen. Ich wusste mal, was es damit auf sich hat, aber sorry, ich hab´s wieder vergessen. Damals lief Davey rum und wiederholte immer wieder diese beiden Worten "Ach du". Davey hat, wie man seinem Nachnamen von Bohlen ja auch ansieht, auf jeden Fall deutsche Vorfahren."

Und was ist mit dir, beherrschst du ein paar Worte Deutsch?

"Ja, und zwar "keine Fleisch"."

Du bist Vegetarier?

"Ich bin seit acht oder neun Jahren Vegetarier. Mittlerweile ist es für mich ganz normal, kein Fleisch zu essen, aber trotzdem ist es noch ein politisches Statement. In Deutschland ist das mit dem Essen auf Tour ja kein Problem, aber Japan war die Hölle. Und dazu kommt, dass ich schon vorher die japanische Küche gehasst habe, auch die vegetarische japanische Küche. Ansonsten mag ich so ziemlich alles. Wir hatten unserer Touragentur natürlich gesagt, dass wir alle Vegetarier oder Veganer sind und sie bemühten sich auch, für uns immer was zu essen zu bestellen, aber letztendlich hingen wir völlig von ihnen ab, wir konnten ja nicht mal mit den Leuten reden. Und dann gab´s natürlich die Momente, wo du was angeblich vegetarisches isst, aber beinahe sicher bist, dass da Fisch drin ist. Ich habe echt wenig gegessen auf dieser Tour und sieben oder acht Kilo abgenommen - in einer Woche."

Womit der Beweis erbracht wäre, dass die wirksamste Diät die Japan-Diät ist. Danke!