CAPTAIN PLANET

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Vom Kommen und Gehen der Rettung der Welt

Mit der 7" "Unterm Pflaster der Strand" und Konzerten in allen Teilen der Republik ließ mich das Planetenteam aus Hamburg zusammen mit ihren Freunden MATULA vor gut zwei Jahren den Blick in den Norden richten. Poetische Hintertüren der "1-2-3-4-Revolution"-Mentalität vorzuziehen und dabei die Energie und den Druck des Punkrock nicht zu verlieren, hinterließ deutliche Spuren. Mit ihrem ersten Album "Wasser kommt Wasser geht" erschien jetzt via Unterm Durchschnitt ein nachdenklicher, aber nicht trauriger Begleiter des Alltags und auch die wunderbare Möglichkeit, durch häusliche Dauerbeschallung auf den Konzerten endlich wieder textsicher in die choralen Publikumsgesänge mit einsteigen zu können.



Inwiefern spielt der Ursprung eures Namens für euch eine Rolle oder bin ich mit der Zeichentrickserie völlig auf dem falschen Dampfer?

Benni:
Nein, du liegst schon richtig. Der Name ist quasi identisch mit dem der moralgeschwängerten Zeichentrickserie vom Anfang der 90er, in der Captain Planet die Welt vor drohenden Umweltkatastrophen rettet. Der Name scheint aber erst in Interviews an Bedeutung zu gewinnen ...

Arne: Von dieser Serie hatten wir vor der Namensgebung natürlich nie etwas gehört. Aber mittlerweile können wir uns die "Wasser, Erde, Feuer, Luft, Liebe"-Youth-Crew-Chöre aus der ersten Reihe natürlich erklären ... Im Ernst: Wir grenzen uns natürlich klar von dem Helden- oder Jüngertum solcher Marvel-Helden-artigen Zeichentrickserien ab. Und mittlerweile muss sich wohl jeder eingestehen, dass kein Grünhäutiger unsere Erde retten wird, sondern dass es höchste Zeit wird, selbst mit anzupacken. So geht unsere Message dann eher in Richtung "So ist es uns ergangen, jetzt schau auf dich selbst" als in Richtung "So sieht's aus, Leute, mir nach!" Der Name CAPTAIN PLANET klingt aber trotzdem irgendwie super, er trägt in sich etwas Unerschrockenes, kindlich Unreifes und Größenwahnsinniges, was mir persönlich sehr gefällt.

Eine unerschrockene Jugendlichkeit oder jugendliche Unerschrockenheit fällt schon auf, aber von Unreife und Größenwahn würde ich bei eurem Album nicht reden. Mussten diese Attribute erst abgelegt werden, ging vielleicht gerade deshalb doch einige Zeit ins Land, bis das erste Langwerk auf die Welt kam, oder ist es eben gerade eine unbesorgte Infantilität, die so ein erstes Album braucht, um die Welt zu bewegen?

Benni:
Ich denke, die doch recht lange Zeit zwischen der 7" und dem Album zollt unserer Muße und unserem Perfektionsdrang beim Songschreiben Tribut. Vielleicht ist es aber gerade dem Größenwahn und vor allem der Unreife zu verdanken, dass das Album diese unerschrockene Jugendlichkeit - oder andersherum - behalten hat. Wir versuchen wohl immer alles auszureizen und scheitern dann glückselig an der eigenen Unvollkommenheit. Kindlich alles auf einmal wollen und dann doch einfach nach vorne ehrlich heraus. Hoffentlich klingt die Platte für andere auch so. Wie auch immer, zumindest unsere kleine Welt wird davon bewegt.

Arne: Ja, wer kennt das nicht: alles auf einmal wollen und für einen kurzen Augenblick gehen die Lichter aus. Du hast jetzt gerade irgend etwas herausgezogen, hältst auch das in der Hand, was du haben wolltest - aber etwas hat da böse gepoltert im Dunkeln. Also Tür zu und abhauen. So etwa fühlt es sich an, eine CAPTAIN PLANET-Platte zu machen.

Trotzdem würde ich euch immer noch in erster Linie als Live-Band betrachten, und mit nur zwei gesehenen Shows liege ich zu meiner eigenen Schande wohl deutlich unterm Durchschnitt eines klassischen CAPTAIN PLANET-Fans. Kann man als Band diese beiden Elemente überhaupt getrennt voneinander beurteilen oder gehören Touren und Tonträger einfach zwangsweise zusammen?

Arne:
Ich denke, dass beides untrennbar zusammen gehört. Ohne Platte keine Gigs - und keine Zuschauer! Und ohne Gigs keine - verkauften - Platten. Eine schöne Platte bringt also die Tour nach vorne und viele Live-Shows die Platte. Ich möchte da auch keine Prioritäten setzen. Wir sind zwar viel unterwegs, aber neue Songs zu schreiben, zu proben und ins Studio zu gehen, ist uns ebenso wichtig, wie an die 30 Konzerte im Jahr zu spielen und das möglichst an verschiedensten Orten.

Benni: Klar sind Platten und Konzerte eng miteinander verknüpft. Gleichzeitig sind es aber auch zwei vollkommen getrennte Sachen, weil sie ganz unterschiedliche Bedürfnisse befriedigen. Songs zusammenzubasteln und aufzunehmen ist, wenn man nicht wie wir alle Teile zusammengeklaut hat, eine recht kreative Angelegenheit, an deren Ende ein Tonträger steht, was sich sehr gut anfühlt. Konzerte haben eher was von einer Klassenfahrt mit Freunden, da steht die Musik eigentlich fast im Hintergrund. Am Ende der Tour denkt man zwar "Scheiße, nie wieder", aber nach zwei Tagen zu Hause schleicht sich das "Eigentlich könnte es morgen wieder losgehen" zurück in den Kopf. Aber eines interessiert mich ja, Christoph: Wie sieht denn der klassische CAPTAIN PLANET-Fan aus?

Der Ausdruck "klassisch" ist an dieser Stelle vielleicht etwas ungeschickt gewählt, aber der Fan muss schon auf einer ganzen Hand voll CAPTAIN PLANET-Konzerte gewesen sein und konnte auch vor geraumer Zeit schon mehr, als "Baumhaus" mitbrüllen. Zumindest scheint ihr ein sehr "aktives" Publikum zu ziehen ...

Benni: Na ja, das ist mal so und mal so. Auf jeden Fall ist der aktive Zuschauer oder klassische Mitmacher sehr gerne gesehen. Alle anderen natürlich auch. Ich darf an dieser Stelle die Kollegen ANTITAINMENT zitieren: "Ihr da hinten in der ersten Reihe, ihr habt gecheckt, worum es hierbei geht. Blöde 'rumsteh'n, genauso ausseh'n und dann klatschen, am Ende vom jedem Lied."

Marco: Unser Publikum unterscheidet sich kein Stück von Konzertgästen vergleichbarer Bands und das ist gut so. Von einem "sehr aktiven Publikum" habe ich noch nichts bemerkt, wobei mir auch nicht ganz klar ist, wie sich das äußern sollte.

Arne:
Da du gerade "Baumhaus" ansprichst, das ist schon toll, wie viele Menschen auf unseren Konzerten den Song mitsingen. Am krassesten war das in Göttingen auf dem Antifee-Festival, bei der wahnsinnigen Menschenmenge kam schon ein nettes "Und es ist gut so!" zusammen - da kam dann gleich das Ordnungsamt. In Wolfsburg im Ost ist es mittlerweile Tradition, bei "Baumhaus" die Bühne zu stürmen und das Mikro zu kapern. So etwas sind ganz besondere Momente, die ohne ein "aktives" Publikum natürlich nicht möglich sind. Darum versuchen auch wir auf Konzerten stets selbst ein aktives Publikum zu sein und einiges von dem tollen Gefühl zurückzugeben, vorzugsweise an MATULA, die solche Momente sonst natürlich nicht kennen ... Trotzdem sehe ich das ähnlich wie Marco: Menschen, die auf Konzerte in kleine Juzis, Keller, Dachböden oder sonstwo kommen und sich nicht scheuen, mit der Band abzugehen, sind immer und überall zu finden und sind immer toll!

Wo wir gerade so viel am zitieren sind: "Nach Hause, wo immer das ist" heißt es in eurem Song "120 Sachen". Nun dachte ich immer, dass CAPTAIN PLANET sehr wohl wissen, wo sie herkommen ...

Benni:
Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen musikalischer und geografischer Verortung kommt immer wieder. Du hast sie allerdings bisher am schönsten verpackt. Es gibt wohl eine gewisse Konzentration von Bands mit gewissen Parallelen im Norden, gar nicht mal auf Hamburg beschränkt. Wieso wir auch solch einen Quatsch machen? Irgendwie scheint das die gemeinsame Ausdrucksform zu sein, die sich am authentischsten anfühlt. Meine persönliche Beziehung zu dieser Musik - wenn es da denn so viele Gemeinsamkeiten zwischen den Bands gibt - sieht ungefähr so aus: EL MARIACHI sind die, die das bei mir losgetreten haben, MATULA sind die, derentwegen ich das weitermache, DACKELBLUT etc. beweisen, dass man so was glücklicherweise mit Würde bis ins hohe Alter weiter betreiben kann, und TURBOSTAAT sind wohl die, die wissen, wie man so was in Perfektion wiedergibt.

Arne: Ja, das sind alles Bands, die toll sind, die uns begleiten und sicherlich auch irgendwo beeinflussen. Aber nicht mehr oder weniger als der ganze andere Klimbim, den man so hört und bei dem sicherlich die amerikanischen Kapellen die Oberhand haben. Für mich kann ich sagen: Als wir den ersten CAPTAIN PLANET-Song erfanden, "Eingekehrt", kannte ich weder DACKELBLUT noch TURBOSTAAT. EL MARIACHI haben mir gezeigt, dass es funktioniert, auf Deutsch zu singen, ohne nach SLIME, Campino oder sonstwelchem Arschtritt-Punk zu klingen - "Schweineherbst" und die Hosen mit einem Sarg auf dem Dach in Ehren. Carstens DELLWO-Texte zeigen wiederum, dass man auch wunderbar ganz ohne Zeigefinger und Parole texten kann. Und HOT WATER MUSIC hatten diese tollen Singalongs auf der "No Division" ... Noch mal zu "120 Sachen": In dem Text geht es eigentlich um einen Menschen, der ganz plötzlich erkennt, dass seine Stadt, seine Straße, sein Land nicht beziehungsweise nicht mehr sein Zuhause sind. Das kann verschiedenste Gründe haben: geplatzte Träume oder Beziehungen oder sonst was. Hände geschüttelt, die man nicht schütteln wollte, aus Versehen gebetet, hilft alles nichts. Ich denke, jeder erlebt solche Momente dann und wann, nur hauen die Wenigsten gleich ab. Meistens schlägt man sich dann so durch ...

Aber solche Phasen des "unkonkreten Danach" können unter Umständen auch sehr inspirativ und produktiv sein. Eine gewisse "positive Melancholie", zieht sich, wie ich finde, durch das bisherige Gesamtwerk CAPTAIN PLANETs ... Hilft Musik, sowohl Machern als auch Hörern?

Arne:
Das muss man ganz klar mit "Ja!" beantworten. Klar hilft es, die ganze Grütze im Kopf in Worte zu fassen und rauszuschreien. Klar hilft ein klasse Konzert am Ende eines beschissenen Arbeitstages. Wenn Musik auch seltener inhaltlich wirkt, so hilft sie doch als eine Art Soundtrack dabei, Zeiten und Erlebnisse zu ordnen oder, besonders die "positiv melancholische" - tolle Beschreibung! - Musik, Vergessenes für einen Moment zurückzuholen und den jetzigen Standpunkt neu auszuloten. Sie macht tolle Zeitpunkte zu unvergesslichen.