Jerk Götterwind

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Der Pittbull

Im Mai dieses Jahres führte es mich gemeinsam mit dem Underground-Autor Jerk Götterwind auf eine Lesebühne in Darmstadt, Hessen. Jerk gehört zu einer Bewegung von Autoren, die sich bewusst vom allgemeinen Mainstream abgrenzen und in Kurzgeschichten und Gedichten zynisch, wütend und selbstironisch mit dem Leben in dieser morbiden Gesellschaft auseinandersetzen. Jerk veröffentlicht seit 1992 regelmäßig Texte in "Little Mags" und Punkzines. Er wurde im Jahr 1967 geboren und lebt in Süd-Hessen. Neben der Schreiberei engagiert er sich auch aktiv als Unterstützer von Tierrechtsorganisationen sowie als Sänger diverser Punkbands. Zudem trifft man ihn häufig bei D.I.Y.-Projekten an, wie unter anderem seinem ehemaligen Yage-Vegan-Versand und dem Punklabel Götterwind-Imperium. 2006 erschien sein aktuelles Buch "Was sich so Leben nennt", ein Band mit unter die Haut gehender Punk-Lyrik. Nicht faul, veröffentlichte er als Herausgeber im gleichen Jahr außerdem die Underground-Literatur-Anthologie "Die Städte brennen wieder" und in gewohnter Manier sein (Punk-)/Literatur-Fanzine My Choice. Und noch für dieses Jahr hat Jerk Götterwind eine Anthologie mit Underground-Lyrik angekündigt. Ein guter Anlass, um ihn mit einigen Fragen zu löchern.


Wie groß ist die Underground-Literatur-Szene hierzulande und wie lange gibt es sie schon?


Tja, schwierig zu sagen. Ich bin kein Historiker, denke aber, seit es Literatur gibt, gibt es auch eine Art Underground. Autoren wie Hadayatullah Hübsch sind schon seit den Sechzigern aktiv. Rolf Dieter Brinkmann, 1975 verstorben, hat Ende der Sechziger einen Überblick über die US-Szene in Buchform rausgebracht und war auch bereits vorher aktiv. Nicht zu vergessen Jörg Fauser, gestorben 1987. Die jüngere "Szene" hatte sich Anfang bis Mitte der Neunziger im Social Beat gefunden. Eine wirkliche zahlenmäßige Übersicht kann ich nicht geben, zumal auch viele Autoren und Autorinnen, die Mainstream schreiben, aber noch ohne Verlag sind, sich auch als Underground bezeichnen. Die Internetforen sind voll davon. Ich denke, die "Szene" brodelt und ist in Bewegung. Auch wenn es Zeiten gibt, in denen wenig von ihr zu hören ist, ist sie immer da. Die meisten neuen Veröffentlichungen gibt es über Roland Adelmanns Undergroundpress, undergroundpress.de. Ansonsten schadet auch nicht, einen Blick auf den Ariel Verlag zu werfen, ariel-verlag.de. Und das neue Underground-Portal kann man sich auch mal anschauen: undergroundstation.de.

Wie eng hängen Punk und Underground-Literatur zusammen?

Die beiden vertragen sich bestimmt gut, aber ich würde sie nicht unbedingt in einen Topf werfen. In der Auseinandersetzung mit dem so genannten Mainstream, dem D.I.Y.-Gedanken oder der Kritik an sozialen und politischen Missständen steht sich beides sicher sehr nah. Das heißt aber nicht, dass die meisten Autoren nun unbedingt Punks sind oder es bei jedem Überschneidungen mit Punk gibt.

Du bist gerne in Schottland, wie man deinen Reiseberichten entnehmen kann. Was fasziniert dich an diesem Land?

Der Regen. Unglaublich, oder? Die Geschichte dieses Fleckens Erde, in dem selbst 200 Jahre nicht unbedingt als lang gelten. Natürlich auch die Landschaft und dieses Abgeschiedensein. Zumindest der Eindruck davon. Auch mal rauszufahren und zu wissen, hier ist im Umkreis von einigen Kilometern kein Haus, kein Mensch, und einfach mal Ruhe. Lautlosigkeit. Und die Menschen sprechen die Sprache, die ich lerne, Gälisch. Auch ein wichtiger Grund.

Du hast für dieses Jahr eine Anthologie mit Underground-Lyrik geplant.

Sie wird "Schreie aus der Finsternis" heißen. Momentan sieht es nach etwa 150 Seiten aus.

War es schwierig, genug Autoren für deine Lyrik-Anthologie zu finden?

Wenn ich die Ausschreibung offiziell und öffentlich gemacht hätte, wäre ich wahrscheinlich in Texten ertrunken. Um dies zu vermeiden, habe ich Autoren und Autorinnen angeschrieben, die auch fast alle Lust dazu hatten und dann noch weitere empfohlen haben. So waren relativ schnell genug gefunden.

Deine aktuellen Bands heißen AMBUSH und MRS. KRABAPPEL, davor warst du bei der Hardcore/Punkband ABRAXAS. Du bist also nicht nur bei Lesungen auf der Bühne zu sehen, sondern auch als Sänger. Wobei fühlst du dich wohler?


Und neuerdings auch bei EXTREME SOY TERROR, einer EXTREME NOISE TERROR-Coverband. AMBUSH wird sich umbenennen, MRS. KRABAPPEL ist mehr ein Fun-Projekt und noch nicht wirklich in den Startlöchern, und dann ist da auch noch ein Projekt, welches bis jetzt unter dem Namen LIFELESS firmiert, aber da sieht es auch noch etwas mau aus. Wo ich mich wohler fühle, ist schwer zu sagen. Hat beides etwas, wobei ich mich beim Zusagen von Lesungen mehr überwinden muss. Auch mein Selbsthass scheint Grenzen zu haben, ebenso wie mein Hang zur öffentlichen Blamage, haha. Da ich kein Talent zur freien Rede habe, ist es leichter, mich mit einer Band im Rücken zum Clown zu machen.

Deine Gedichte und Geschichten handeln häufig von Punk, Irrsinn, Tod und von den hässlichen Seiten des Lebens, aber auch davon, wie du dich selbst als Autor siehst. Wie wichtig ist das Schreiben für dich?


So richtig klischeehaft könnte ich sagen, dass es mich in manchen Phasen am Kacken gehalten hat. Ich habe schon öfter gesagt, dass ich nie wieder ein Wort schreibe, doch irgendwann ertappe ich mich dabei, dass ich nachts aufstehe, meinen Notizblock nehme und Worte zu Papier bringe. Wenn ich eine zeitlang nicht geschrieben habe, werde ich unruhig und rastlos. Es scheint also sehr wichtig für mich zu sein. Diese Typen auf der Tastatur geben nie Ruhe.

Hast du Erfahrungen damit gemacht, wie Durchschnittsbürger auf deine Texte reagieren?

Ich weiß nicht, wie du Durchschnittsbürger definierst, aber im Allgemeinen werden meine Texte mit Unverständnis aufgenommen, auch mal mit Abscheu, und meistens als schlecht empfunden. Letzteres nicht nur vom Durchschnittsbürger. Damit habe ich mich abgefunden, und es ist mir auch egal. Daher sehe ich auch keinen Grund aufzuhören, was ja auch nicht wirklich zu gehen scheint, siehe die Antwort zuvor.

An was schreibst du zur Zeit gerade?


Immer noch an meinem Schottland-Text. Bestimmt die vierte Version und immer noch nicht rund. Das ist halt das Problem, wenn man völlig talentfrei ist. Alles dauert ewig. Die erste Übersetzung von Jack Blacks Aufzeichnungen "Der große Ausbruch aus Folsom Prison" ist fertig, wird gerade von Axel Monte, der das Projekt zum Laufen gebracht und mit übersetzt hat, in eine ansprechende Form gebracht und dann hoffentlich veröffentlicht. Ansonsten das übliche Gemurkse mit Gedichten und Kurzgeschichten.

Ein letztes Zitat zum Schluss?


Schreiben ist einfach, schwierig ist nur manchmal das Leben. Charles Bukowski.


Jörg Herbig