HEAVEN SHALL BURN

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Endzeit in Thüringen

Wieder einmal ist ein Jahr ins Land gezogen. Viele Bands sind gekommen, ebenso viele in der Versenkung verschwunden. HEAVEN SHALL BURN aus Thüringen sind 2008, allen Unkenrufen zum Trotz, immer noch präsent und mit "Iconoclast" hat die Band einen ebenbürtigen Nachfolger zum letztjährigen "Deaf To Our Prayers" vorgelegt. Grund genug also, mal mit HSB-Schlagzeuger und Band-Sprachrohr Matthias Voigt einen kleinen Jahresrückblick zu unternehmen und über die neue Platte zu sprechen.

Wie ging es HSB zur Jahreswende? Gab es 2007 irgendwelche extremen Hochs und Tiefs, an die du dich erinnern kannst?


Im Bezug auf HSB kann man kaum von Tiefpunkten sprechen. Die Band ist unser Hobby und wir haben schon viel mehr erreicht, als wir uns erträumt haben. Wir touren meist nur einmal im Jahr, spielen ansonsten ab und zu an den Wochenenden und sind deshalb immer mit vollem Spaß bei der Sache. Wir machen uns um das ganze Drumherum einfach keinen Kopf, was zur Folge hat, dass wir gar nichts erwarten und nie enttäuscht, sondern meist eher positiv überrascht werden. Allerdings haben wir seit dem letzten Sommer wegen der Aufnahmen zu "Iconoclast" und sicherlich auch wegen meines folgenden Auslandspraktikums in Brasilien relativ wenig gespielt. Privat wird jeder von uns das Jahr anders bewerten. Da kann ich kaum für die anderen sprechen. Dennoch haben wir alle zusammen ein paar enge Freunde von uns verloren und ich persönlich dann vor ein paar Wochen meinen lieben Vater. Das sind die absoluten Tiefpunkte, die jedem irgendwann bevorstehen. Alles andere wird dann unwichtig. So gesehen ist die nun anstehende Weihnachtstour auch irgendwo eine willkommene Gelegenheit, um den Kopf ein wenig frei zu bekommen.

Nach "Antigone" hätte ich von euch ehrlich gesagt keine Steigerung erwartet, aber "Deaf To Our Prayers" ist meiner Meinung nach euer bisher bestes Album. "Iconoclast" klingt für mich nach den ersten Durchläufen wie dessen guter zweiter Teil. Was ist deine persönliche Meinung und wie zufrieden ist die Band mit dem Album?

Was nun besser, schlechter oder gleichwertig ist, ist natürlich rein subjektiv. Für mich persönlich ist "Antigone" bis heute unser schwächstes Album, aber auch da gehen die Meinungen innerhalb der Band sicher auseinander. Es gibt viele richtig gute Songs auf der Scheibe, aber insgesamt gesehen waren wir davor und auch danach schon "besser". "Deaf To Our Prayers" war dann, aus heutiger Sicht der Dinge, vielleicht etwas zu eindimensional immer auf die Glocke, aber zu der Zeit stand uns der Sinn eben nach genau dem Album. Mit "Iconoclast" sind wir momentan auch absolut glücklich. Die Produktion, die Qualität der Aufnahmen und auch die Songs an sich sind genau so ausgefallen, wie wir uns das vorgestellt hatten. Ich denke "Deaf..." war die erste HSB-Platte, mit der wir auch spielerisch zufrieden sein konnten. Bei "Iconoclast" haben wir nun auch noch mehr Dynamik rein gebracht. Wir finden generell immer etwas, das wir verbessern können und bei der nächsten Platte werde ich dir dann sagen können, was wir, unserer Meinung nach, besser als bei "Iconoclast" gemacht haben, hehe.

Habt ihr euch ein Ziel gesetzt, bevor ihr ins Studio gegangen seid? Habt ihr irgendwas anders gemacht im Vergleich zu "Deaf…"?

Das ist schwer zu sagen. Die Songs entstehen halt einfach, und sicherlich hat man die Dinge im Hinterkopf, die man von den letzten Sachen vielleicht nicht mehr so mag. Allerdings entstehen die Songs nicht nach einem gewissen Schema. Wir können vorher nie absehen, wohin sich die Songs entwickeln. Man nimmt sich zwar irgendwo schon vor, in eine bestimmte Richtung zu gehen, aber am Ende läuft es eben so, wie es läuft. Generell schreibt man einfach immer Songs, die dann auch die derzeitige Stimmung in einem selbst widerspiegeln. Das ist mehr oder weniger ein Prozess, den man kaum steuern kann. Sicherlich gibt es Leute, die auch Musik nach den "Vorgaben des Marktes" schreiben können und die ihre eigene Gefühlslage dabei ausblenden, aber zu der Sorte gehören wir mit Sicherheit nicht.

Wie akzeptiert sind HSB inzwischen eigentlich in der Metalszene? Mein Eindruck ist, dass ihr neben HATEBREED und AS I LAY DYING eine der wenigen Bands seid, die in der Metalcore-Szene - wenn man davon sprechen kann - als auch bei Metalpuristen durchaus akzeptiert seid.

Es wäre sicherlich anmaßend, wenn man sich selbst als "akzeptiert" in allen Lagern einschätzen würde. Das können und wollen wir auch gar nicht beurteilen. Es ist aber so, dass wir keinerlei Berührungsängste haben, da wir eh alle sowohl mit Metal, als auch mit HC aufgewachsen sind. Sicherlich sind wir als Band zuerst innerhalb der HC-Szene gewachsen, aber wir kommen mittlerweile überall gut zurecht. Ich denke auch, dass wir irgendwo schon Metalcore spielen, weil wir eben Metal und HC, bei sich verändernden Anteilen, mixen. Eine wirkliche Metalcore-Szene gibt es aber in dem Sinne nicht. Es gibt viele Bands, die diesen Stil spielen, aber eine Szene mit einem funktionierenden Underground gibt es nicht mehr. Die Sache hat sich so um 2002 herum erledigt.

Wohin entwickelt sich deiner Meinung nach Metalcore? Mein Eindruck ist, dass der Begriff immer sinnloser wird, da fast jede Band, sollte sie zu Beginn noch ansatzweise musikalische Hardcore-Einflüsse besessen haben, diese schon meist mit dem zweiten Album hinter sich lässt.

Ich denke, dass es generell falsch ist, den Stil einer Band rein an der Musik festzumachen. Für mich waren früher Bands wie EARTH CRISIS, DAY OF SUFFERING oder LIAR genauso Hardcore wie SICK OF IT ALL, MADBALL oder SAMIAM und SENSEFIELD. Das ist einfach eine Frage, aus welcher Szene die Band hervorgegangen ist. "Metalcore" ist ja nach wortwörtlicher Definition ein Mix aus HC und Metal. Das muss aber nicht unbedingt musikalisch zu erkennen sein. Es kann eben auch ein Mix aus HC-Attitüde und Metalsound sein. Dass nun irgendwann von Labels und Presse damit begonnen wurde, jede Band die mit verschiedenen Stilen experimentiert hat oder einfach nur schwer einzuordnen war, als Metalcore zu bezeichnen, steht auf einem anderen Blatt. Der Begriff wurde erst durch inflationären Gebrauch und später dann durch überflüssige Signings von durchschnittlichen Bands quasi zum Unwort. Irgendwie tragisch, aber im Prinzip auch egal ... Wohin der Weg geht, weiß ich nicht und ich habe auch keine Meinung dazu. Metalcore als bestimmte Musik existiert für mich eigentlich nicht. Es ist halt nur eine Art Sammelbegriff für viele Bands, die eigentlich nicht viel gemein haben. Von daher wird man da auch schlecht eine Tendenz erkennen können. Was den Begriff Metalcore angeht, so denke ich, dass er ganz verschwinden wird, da er schon heute eher gemieden wird. Er besitzt halt inzwischen einen gewissen Nervfaktor und Labels und Presse versuchen "neue" Begriffe wie New Death, Deathcore, Modern Metal zu finden. Ich denke mal, dass uns in Zukunft noch einiges mehr um die Ohren gehauen wird. New/Nu Metal gibt es ja quasi auch nicht mehr. Zumindest benutzt kaum noch einer den Begriff, doch die ganzen Kackbands, die den Begriff damals in die Scheiße gezogen haben, gibt es allerdings leider noch immer. Die Ratten haben das sinkende Schiff verlassen und bezeichnen sich jetzt vorsichtshalber erst mal nur noch wahlweise als "Rock" oder "Metal".

Was hatte es mit der Memorial Show im Rosenkeller für euren Freund Denis Funke auf sich?

Denis war ein enger Freund von uns. Er hatte seit vielen Jahren eine eigene Radiosendung namens "Hellborn Metalradio" und hat auch sämtliche Metalshows im Jenaer Rosenkeller gebucht. Des Weiteren war er auch Stadionsprecher der 2. Mannschaft des FC Carl Zeiss Jena. Also egal, ob auf Shows oder im Stadion, Denis war seit wir ihn vor ein paar Jahren kennen gelernt haben immer präsent bei HSB. Wenn es zeitlich mal geklappt hat, ist er auch mit uns auf unsere Konzerte gefahren. Es war ein harter Schlag, als wir das erfahren haben. Denis litt seit seiner Kindheit an einer Herzkrankheit, aber sein Tod war trotzdem überraschend. Es ging ihm nicht schlecht und am Tag vor seinem Tod war unser Gitarrist Maik auch noch mit ihm zusammen im Stadion. Das Konzert im Rosenkeller war dann auch, ganz in seinem Sinne, eine Soli-Aktion zugunsten einer Organisation, die kranken Kindern aus ärmeren Regionen der Erde hilft und ihnen beispielsweise Herzoperationen in Deutschland ermöglicht. Wen es interessiert, der kann ja mal bei www.kinderherzen-retten.de vorbeischauen.

In Osaka/Japan wart ihr 2007 auch. Wie wurdet ihr aufgenommen, was war anders als hier und was war das schönste Tourerlebnis?

Wir waren 2005 schon einmal dort, aber das war ein größeres Festival in Tokio, bei dem wir auch im Hotel untergebracht waren. Das hat den Nachteil, dass auf diese Weise manche Eindrücke, die man gerne bekommen möchte, nicht möglich sind, weil einfach der persönliche Kontakt zu den Leuten dort fehlt. Dieses Mal waren wir deshalb privat untergebracht und haben zwei Shows in Tokio und eine in Osaka gespielt. Es waren Shows in Clubs für 300 bis 500 Leute. Wir wurden sehr gut aufgenommen und hatten unseren Spaß. Was den angesprochenen Ländervergleich angeht, tue ich mich immer schwer, da ich glaube, dass so etwas nicht nur länderspezifisch ist, sondern es auch innerhalb eines Landes noch regionale Unterschiede gibt. Das "typische japanische" Publikum gibt es eben genauso wenig, wie "das typisch deutsche" - oft machen 50 Kilometer schon den Unterschied. Noch besser als die Shows war aber die Zeit zwischen den Konzerten, wenn wir einfach auf der Straße waren und was von der Stadt oder dem Land gesehen haben. Es ist wahnsinnig interessant zu sehen, wie die Leute dort leben, welche besonderen Gewohnheiten sie haben oder wie sie miteinander umgehen. Es ist zwar immer nur ein winziger Einblick in eine andere Kultur, aber man kann dadurch nur gewinnen.