MINUS THE BEAR

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Seeing is believing

"Wer nicht gesehen hat, wie ich spiele, wird kaum verstehen, was ich tue." Dave Knudsen hat Recht. Erst nachdem man den Gitarristen, der vor zehn Jahren mit BOTCH Hardcore-Geschichte geschrieben hat, live erlebt hat, wird man seine Musik gänzlich nachvollziehen können. Denn das Spielen der Lieder von MINUS THE BEAR verlangt ihm eine Choreografie ab, an der die meisten Boy-Bands verzweifeln würden: Seine Hände tanzen auf dem Hals seiner Gitarre einen Quickstep, seine Füße fliegen so schnell über die Effektgeräte auf dem Boden, als wollten sie sich bei Riverdance bewerben, während sich sein ganzer Körper im Takt des Indie-Rock bewegt, der dabei entsteht.

Erinnerst du dich noch an deine erste Gitarre?


Klar. Das war eine ganz beschissene Akustikgitarre, die mir meine Mutter geschenkt hat. Ich habe dem Teil echt übel mitgespielt und ganz furchtbare Songs darauf geschrieben. Ich glaube, sie liegt sogar noch irgendwo rum.

Hattest du damals ein großes Vorbild?

James Hetfield. Er ist schuld daran, dass ich mit dem Gitarrespielen angefangen habe. Als Kind habe ich METALLICA einfach geliebt.

Und wer inspiriert dich heute?

In letzter Zeit wahrscheinlich am meisten Robert Fripp von KING CRIMSON und Steve Howe von YES. Ich stehe total auf den Prog-Rock der sechziger und siebziger Jahre.

Das hört man eurem neuen Album auch an.


Auf alle Fälle. Ungefähr eineinhalb Jahre vor den Aufnahmen zu "Planet Of Ice" haben wir "Close To The Edge" von YES für uns entdeckt und von da an haben wir uns intensiv mit dieser Art von Musik beschäftigt. Das ist natürlich nicht ohne Folgen geblieben.

Woher kommt diese Faszination für Prog-Rock, die man seit einiger Zeit bei vielen Bands mit Hardcore-Background beobachten kann? Ist Punk ursprünglich nicht gegen die Musik angetreten, die eine Band wie THE MARS VOLTA heute spielt?


Letztendlich kommt einfach alles wieder. Es ist ein großer Kreislauf. Wobei ich mich selbst zu BOTCH-Zeiten nie für so stumpfen Kram wie EARTH CRISIS interessiert habe. Wir wollten immer mehr sein als eine schlichte Hardcore-Band. Unser Ding waren eher Sachen wie DEADGUY: geiles kompliziertes Zeug, das trotzdem total hart ist.

Inwiefern kann man den Ansatz von BOTCH mit dem von MINUS THE BEAR vergleichen?

Ich versuche, mich ständig weiterzuentwickeln. Das ist der rote Faden, der sich durch beide Bands zieht. Aber natürlich tauchen bestimmte Akkorde oder Taktarten, die ich schon bei BOTCH verwendet habe, auch bei MINUS THE BEAR auf.

Außerdem hast du schon immer versucht, deiner Gitarre Töne zu entlocken, die man nicht unbedingt mit diesem Instrument in Verbindung bringen würde. Man könnte fast auf die Idee kommen, du magst gar keine Gitarren.

Am Anfang wollte ich einfach so spielen können wie der Typ von METALLICA. Aber mit der Zeit lernt man eben dazu, entdeckt neue Bands und kauft sich die verschiedensten Effektgeräte. Und irgendwann entwickelt man dann eine eigene Vorstellung von seinem Instrument. Zuerst habe ich mich sehr für das Tapping interessiert, dann kam der Einsatz von Samples dazu und in letzter Zeit wird mein Spiel immer technischer. Ich beschäftige mich zudem vermehrt mit theoretischen Aspekten von Musik.

Wie würdest du die Anschlagtechnik des Tapping jemandem erklären, der vom Gitarrespielen keinen blassen Schimmer hat?

Man spielt nicht mit einem Plektrum, sondern hat beide Hände auf dem Griffbrett. Im Grunde spielt man die Gitarre wie ein Keyboard.

Wer hat dich auf die Sache mit dem Tapping gebracht?

Angefangen hat alles mit einem Solo von Eddie Van Halen, dann habe ich mich für Musiker wie den Jazz-Gitarristen Stanley Jordan interessiert. Auch Bands wie DON CABALLERO setzen diese Technik ein. Aber im Kontext eines Songs fällt diese Art zu spielen eigentlich gar nicht besonders auf.

Auf eurem Debütalbum spielst du aber bei fast jedem Lied so, oder?

Stimmt. Inzwischen mache ich das aber bei weitem nicht mehr so häufig wie früher.

Dafür setzt du mittlerweile sehr viele Samples ein, die du auf der Bühne vor einem Song live einspielst.

Manchmal sogar während eines Songs.

Ist das nicht wahnsinnig kompliziert?


Es gibt sicherlich Momente, in denen es nicht so funktioniert, wie man sich das vielleicht vorstellt. Innerhalb weniger Sekunden sechs verschiedene Fußschalter betätigen zu müssen, kann ganz schön verwirrend sein. Manchmal ist aber auch die Technik selbst das größte Problem. So Spielzeug geht eben schnell kaputt. Aber genau das macht ein Konzert ja so interessant: Es geht mehr ab als auf einer Platte. Und die unerwarteten Dingen, die passieren, sind letztendlich eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration, haha.

Denkst du wirklich, dass man die Musik einer Band erst dann wirklich verstehen kann, wenn man sie live gesehen hat?


Ja. Ein Konzert ist mächtiger als eine Platte - zumindest meistens. Wenn man einen Musiker auf der Bühne sieht, wenn man sieht, wie er sein Instrument beherrscht, wie er ihm Töne entlockt, dann findet man einen ganz anderen Zugang zu seiner Musik. In einem Studio einen Song mit 50 Gitarrenspuren aufzunehmen, ist eine Sache, ihn anschließend auch live umsetzen zu können, eine ganz andere.