VOODOO GLOW SKULLS

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Kartoffelköpfe

2008 dürfen sie ihr zwanzigjähriges Jubiläum feiern, so lange sind die drei Casillas-Brüder Frank, Jorge und Eddie und ihre Mitstreiter mit den VOODOO GLOW SKULLS im Geschäft. Vor allem in den 90ern durften sie mit ihrer einzigartigen Mischung aus Ska, Hardcore und Latino-Elementen große Erfolge feiern. In den letzten Jahren allerdings ist es etwas ruhiger um die Kalifornier geworden, was mit dem Labelwechsel von Epitaph zu Victory und der Stagnation der Szene zu tun haben dürfte. Nichtsdestotrotz sind die Mittdreißiger selbst alles andere als ruhig geworden, was mir im Dezember im Kölner Underground wieder einmal bewiesen wurde. Vorher traf ich Bassist Jorge und Sänger Frank "Potato Head" zum Gespräch.

Für meine erste Frage muss ich mich entschuldigen, weil ihr die wahrscheinlich schon hunderte Male gehört habt, aber was genau bedeutet euer Bandname? Ich habe irgendwas von einer Halskette gehört ...

Frank
: Ja, "Voodoo Glow Skull" heißt eine Halskette, die die Form eines Totenkopfs hat und im Dunkeln leuchtet. Als wir damals anfingen, suchten wir einen einzigartigen Namen, den die Leute auf Anhieb nicht verstehen. Einen Namen, der auch ein bisschen mysteriös ist.

Wovon handeln die Texte auf eurem achten Album "Southern California Street Music"? "Morning air raid sirens" scheint einen sehr dramatischen und politisch-alarmierenden Kontext zu haben, ein deutliches Statement gegen die Kriege, die Amerika momentan im Nahen Osten führt.

Frank:
Da hast du schon Recht. Wir sind nicht direkt eine politische Band und wollen auch niemanden etwas vorschreiben, weil jeder seine eigene politische Meinung hat und sich da ungern reinreden lässt. In diesem Song singe ich aber ganz konkret: "Ich möchte nicht aufwachen im Dritten Weltkrieg!", eine Verallgemeinerung dessen, was momentan auf der Welt abgeht. Wir sind näher als sonst an dem Punkt angelangt, den Dritten Weltkrieg zu beginnen. Es wird immer wahrscheinlicher, dass der Krieg zu uns kommen könnte. Der Titel sagt, dass wir nicht von Luftangriffsirenen geweckt werden wollen.

Das neue Album behandelt noch andere Themen als Politik. Titel wie "Discombobulated" und "Say hello to my little friend" sind Songs über den Alltag, die sich mit der alltäglichen Routine, Eintönigkeit und Depression auseinandersetzen.

Jorge:
"Say hello to my little friend" ist über den Druck, der auf einem Arbeitnehmer lastet.

Frank: "Discombobulated" handelt von der täglichen Anstrengung, die es kostet, nur um leben zu können, um ein Familienvater zu sein. Arbeiten, Rechnungen zahlen, Stress und sich in der Kneipe zulaufen zu lassen. Es ist wieder einmal ein Song, der das Leben beschreibt.

Dann stellt sich die Frage, inwieweit die VGS vor einem alltäglichen Leben entfernt sind. Ist die Band für euch ein Fulltimejob, könnt ihr davon leben? Frank, von dir weiß ich, dass du auch als euer Tourmanager fungierst. Wie könnt ihr ein monotones Leben vermeiden?

Jorge:
Die Band ist, wenn du es so willst, auch ein Job.

Frank: Wir haben die Band zu unserem Beruf gemacht. Wir machen alles selbst, wir managen uns selbst, kümmern uns um das Merchandise, zumindest bestellen und verwalten wir alles, soweit es geht. Wir versuchen die Kontrolle über unsere Band zu behalten, weil niemand uns besser kennt als wir selbst und mit uns umgehen könnte. Somit sind die VGS unser Beruf, auch wenn ein paar von uns, wenn wir nicht auf Tour sind, Aushilfsjobs machen.

Seid ihr denn auch Familienmenschen?

Frank:
Ja, ich habe zwei Kinder, bin verheiratet und Jorge ist jetzt stolzer Vater eines kleinen Babys. Brody, unser Posaunist, hat auch eine Frau. Wir haben ein Familienleben. Es ist nicht einfach, ein Vater zu sein und so oft auf Tour gehen zu müssen.

Jorge: Du darfst auch nicht einfach krank werden, wenn du auf Tour bist. Da kann man nicht so einfach mal nach Hause, haha.

Wie lange seid ihr im Moment denn auf Tour?

Frank:
Diese Tour dauert einen Monat, jetzt sind wir ungefähr in der Mitte des Trips. Vor dieser Europatour haben wir eine komplette US-Tour absolviert mit gerade mal zehn freien Tagen dazwischen. Diese Zeit muss reichen, um die Familie zu sehen und sich für die nächste Tour fertig zu machen. LEFT ALONE, die mit uns hier sind, haben sogar nur zwei Tage frei gehabt.

Einer meiner Favoriten auf dem aktuellen Album ist "Home is where the heart(ache) is". Bitte erkläre mir die Geschichte des Mädchens, das die Protagonistin des Liedes ist.

Frank:
Unser Gitarrist Eddie hat den Text geschrieben. Das Mädchen will einfach ausbrechen, muss weg aus ihrem Umfeld und ihrem Zuhause, weil es eine Qual für sie ist dort zu sein, da sie missbraucht wird. Ihre Art der Flucht ist Pillen zu nehmen und zu trinken, was ja für viele Leute ein Ventil ist, um vor der Realität zu flüchten.

Wer schreibt sonst die Texte für die VGS?

Frank:
Meist kommt Eddie mit einer Idee an und wir basteln zusammen daraus dann einen Text.

Wie sind die Texte zu "While my city sleeps" und dem Titeltrack "Southern California street music" zu verstehen? Beide handeln von eurem Herkunftsort, nämlich den L.A.-Vorort Riverside. Einerseits scheint ihr die Gegend zu mögen, andererseits bringt ihr auch eine Menge an Sarkasmus in den Text hinein.

Frank:
Südkalifornien ist ein echtes Mekka für Punkrock-Bands. Viele gute Gruppen kommen und kamen aus der Region. BLACK FLAG, CIRCLE JERKS und viele andere, mit denen wir aufgewachsen sind. Andererseits ist es auch so, überall, wo du in Amerika hinkommst, triffst du Lokalpatrioten. Leute, die stolz auf ihre Sportmannschaft sind, und solche Klischees. "Southern California street music" macht sich über so einen Stolz lustig.

Jorge: Obwohl wir zur gleichen Zeit auch sagen, dass wir stolz darauf sind, aus Kalifornien zu kommen, ohne aber diese ganzen spießigen Klischees bedienen zu wollen.

Frank: "While my city sleeps" ist ein Song, der konkret von Riverside handelt. Dieser Vorort von Los Angeles zeichnet sich dadurch aus, dass all die Leute, die in L.A. keinen Platz zum Leben finden, dorthin gezogen sind. Deswegen ist es ein Ort geworden, wo viele schlimme Dinge passieren. Vor allem Drogen sind viel im Umlauf. Genau in so einer Gegend durften wir groß werden. Viele unserer Freunde von dort haben nicht das Glück wie wir, durch die Musik fliehen zu können. Sie sind entweder gestorben oder im Gefängnis. Durch die Musik hatten wir die Chance, uns von diesem Drogensumpf zu distanzieren. "While my city sleeps", also wenn meine Stadt schläft, kommen die ganzen bösen Buben aus ihren Verstecken, haha.

Sowohl eure Ticket- als auch eure Merchandise-Preise sind stets sehr fair gehalten. Wie viel Einfluss und Mitspracherecht habt ihr dabei?

Frank:
D.I.Y., Mann! Wir wollen halt, dass die Leute zu unserer Show kommen, sich das leisten können und im Idealfall auch noch mit einer CD, einem Shirt oder was auch immer nach Hause gehen können.

Jorge: Und dass sie noch Geld für Bier übrig haben.

Frank:
Die meisten anderen Bands verlangen astronomische Preise und das ist einfach lächerlich. Und sie kommen damit auch noch durch - wahrscheinlich leben sie davon auch noch super. Wir aber sind eine Punkrock-Band, vielleicht musikalisch nicht die typischste Punkrock-Band, aber definitiv in unserer Herangehensweise, Einstellung und Arbeitsmoral. Wir verdienen auch gutes Geld, nur halt zu fairen Konditionen.

Jorge:
Wir sind in dieser Szene aufgewachsen, als der D.I.Y.-Gedanke aufkam: Buche deine eigene Tour, produziere deine eigene Musik, deinen eigenen Merch, mache dein eigenes Fanzine. Packe alles selbst an!

Ihr habt gerade eure Jugend angesprochen: Könnt ihr etwas über diese bestimmte Zeit, Kalifornien in den 80ern erzählen, als die Hardcore- und die Skapunk-Szene sich entwickelte? Es war bestimmt eine gewalttätige, aber gleichzeitig auch sehr idealistische Zeit.

Frank:
Es war damals wesentlich weniger kommerzialisiert. Bands mussten härter arbeiten, um beispielsweise einen Auftritt zu bekommen. Es gab damals noch kein Internet, kaum CDs, nur Cassetten und Vinyl. Man musste tatsächlich noch einen Brief an jemanden schreiben, um eine Auftrittsmöglichkeit zu haben. Viele brachten ihre eigenen Magazine heraus, da die großen Medien an unserer Bewegung kaum Interesse zeigten. Und die Kids, die heutzutage eine Band gründen, wollen direkt von Null auf Hundert gehen, ohne aber die Arbeit dazwischen zu machen. Jeder will direkt ein Rockstar sein.

Jorge:
Sogar die großen Bands wollen nicht mehr die Arbeit dazwischen machen. Deswegen sieht man leider viele Bands, mit denen man aufgewachsen ist, gar nicht mehr.

Frank: In den 90ern sind sie nämlich alle verwöhnt worden durch ihre Medienpräsenz. Und als diese nachließ, konnten sie mit der Situation nicht mehr umgehen. Sie haben keinen Bock mehr, für ihren Erfolg hart zu arbeiten. Für uns, die in den 80ern groß geworden sind, ist das ganz natürlich. Traurig, aber wahr: die D.I.Y.-Einstellung findet man so heute kaum noch.

In eurer Karriere habt ihr eine halbe Millionen Platten verkauft, die wichtigsten Punkrock-Festivals bespielt, Videoclips gedreht, mit vielen Genregrößen wie SUBLIME, den MIGHTY MIGHTY BOSSTONES oder auch mit NO DOUBT gespielt. Was ist für euch Erfolg, sowohl für die Band als auch für euch persönlich?

Frank:
Wir haben vieles mit der Band erreicht und bewältigt. Erfolg hat für uns verschiedene Formen. Wir sind nicht reich. Mit der Tour verdienen wir unser Geld, kommen nach Hause, bezahlen unsere Rechnungen, durch unsere Band können wir unseren Alltag bewältigen. Schön ist, dass wir in der ganzen Welt herumreisen, unsere Musik vor Leuten wie dir spielen können, die in anderen Ländern und anderen Kulturen verwurzelt sind. Musik ist eine Universalsprache, die Leute aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt zusammenbringt. Für mich persönlich ist es nach wie vor ein großes Erfolgserlebnis, nach gut und gerne 20 Jahren immer noch Musik zu machen, auch wenn die Zuschauerzahlen geschrumpft sein mögen. Die meisten halten so lange gar nicht durch.

Da stellt sich die Frage, wie lange ihr noch so weiter machen könnt und wollt ...

Frank: Solange wir keine ernsten Probleme haben, solange unsere Gesundheit noch mitspielt, solange die Leute noch Interesse an unserer Musik haben, solange werden VGS weitermachen. Es gibt so viele Bands, die sich trennen und sich zehn Jahre später wieder vereinigen und immer noch gut sind. Nimm die ROLLING STONES, die sind immer noch da. Wenn die das können, können wir das auch. Wenn wir irgendwann alle sechs in Rollstühlen vor leeren Hallen auftreten sollten, dann wäre es vielleicht an der Zeit, aufzuhören, hahaha!

Eine Frage habe ich noch: Wer hat dir den schmeichelhaften Spitznamen "Potato Head" gegeben?

Frank:
Haha, den habe ich bekommen, als ich angefangen habe, mir den Kopf zu rasieren. Ich denke, dass ich einfach aussehe wie "Mister Potato Head".

Wer ist das denn?

Frank:
Das ist ein Spielzeug mit einer Kartoffel als Körper, an der Beine, Arme, Augen, Ohren und eine Mütze dran sind. So bin ich mal an Halloween rumgelaufen ...