SABOTAGE RECORDS/GOLDENSHOP

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Mittlerweile zu desillusioniert

Spätestens seit den Alben von MÖNSTER, THE NOW-DENIAL und AUSTIN LUCAS sind Sabotage aus der heimischen D.I.Y.-Szene nicht mehr wegzudenken. Der politische Anspruch des Labels wirkt unaufgesetzt und nachdem Sabotage Records inzwischen läuft wie eine gut geölte Maschine, tat Macher Franz sich mit Ausma zusammen, um in Bremen den Goldenshop zu gründen. Anfangs war der Shop, der neben Platten auch Bücher führt, in der Wohngemeinschaft der Betreiber untergebracht, letztes Jahr hat man aber einen geeigneten Laden zur Miete gefunden. Die Eigentümer äußerten sich zu den Themen Kunden, Motivation und Labelarbeit.

Welche Argumente sprachen denn in Zeiten von Downloads und Elektromärkten dafür, einen Plattenladen ins Leben zu rufen?

Ausma: Der Goldenshop ist ein Buch- und Plattenladen und war von Anfang an darauf ausgelegt, beides zu vereinen. Er wurde 2005 gegründet. Dafür, einen Buch- und Plattenladen zu gründen, spricht der Mangel an guten Läden, die Neuerscheinungen beobachten und schon einmal eine Vorauswahl treffen, um den Leuten den guten Kram zu präsentieren und den großen Teil Mist, der erscheint, zu filtern. Davon abgesehen macht es Spaß und ist das Größte!

Franz: Bei mir ist es so, dass ich davor arbeitslos war, keine Lust hatte auf meinen gelernten Job und das Arbeitsamt mir das gerade finanziert. Außerdem soll der Laden mehr sein, als nur ein Ort, wo man konsumieren kann, sondern auch einer, an dem kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen, Konzerte und Ausstellungen gemacht werden. Die Leute können sich also einbringen, wenn sie wollen.

Euer damals laut Eigenwerbung „wahrscheinlich kleinster Plattenladen der Welt“ war in eurer WG untergebracht. Welche Erfahrungen habt ihr denn mit diesem System gemacht?

Ausma: Das war eine Notlösung: Die Bücher und Platten waren da und wir haben uns gedacht, warum sollen die Leute bis zum nächsten Konzert warten, wo dann unser Stand zu finden ist. Irgendwo gelagert werden musste es ja auch und so gab es dann den einmal wöchentlich geöffneten Shop bei uns zu Hause. Es war aber von Anfang an so geplant, dass wir einen Laden anmieten, wenn wir den richtigen gefunden haben. Es war vor allem viel zu klein in der WG!



Denkst du, dass die Leute mittlerweile verstehen, dass Plattenläden schließen müssen, wenn sie nicht finanziell unterstützt werden?

Franz: Ich glaube, dass die Leute das verstehen. So ein Projekt kostet Geld, gerade wenn man über kurz oder lang davon leben will. Bis jetzt gab es da auch keine negativen Erfahrungen, dass Leute das kritisiert hätten. Es hat sich auch noch niemand über die Preise beschwert, obwohl man auch bei uns für manche Platten viel Geld bezahlen muss. Manche kosten eben soviel. Ist ja auch jedem freigestellt, sie zu kaufen oder nicht.

Ausma: Zum Glück gibt es die Buchpreisbindung.

Woran könnte es liegen, dass Büchertische und politisches Informationsmaterial mittlerweile eine Randexistenz innerhalb der Szene führen?

Franz: Ich kann dir leider nicht sagen, woran das liegt, aber es scheint ja sowieso so zu sein, dass der politische Aspekt in den Hintergrund rückt. Wir haben ja auch eine Zeit lang Bücher und Platten auf Konzerten verkauft und die Leute interessierten sich einfach nicht für die Bücher, sondern halt nur für Musik. Das gilt aber auch nicht für Bücher, sondern auch für Fanzines, wie ich finde, wobei ich aber auch sagen muss, dass es fast keine coolen Zines mehr gibt, vielleicht hab ich aber auch einfach den Bezug dazu verloren. Wenn jemand also sein Heft bei uns verkaufen will, einfach melden. Vielleicht lesen die meisten Punks einfach nicht mehr, sondern unterhalten sich lieber über farbiges Vinyl und sonstigen Blabla.

Ihr versucht das Angebot zu selektieren. Franz, findest du als Labelmacher, dass generell zuviel veröffentlicht wird?

Franz: Ich finde nicht, dass zuviele Sachen veröffentlicht werden. Ist ja die Entscheidung jedes Einzelnen, ob er die Sachen kaufen will oder nicht. Ich für meinen Teil versuche meistens, Musik zu verkaufen, die ich selbst mag, das geht aber natürlich nur zum Teil, weil man ja auch ökonomisch denken muss und deshalb auch Sachen verkauft werden, die mir selbst nicht gefallen. Aber es gibt natürlich Bereiche, auf die ich überhaupt keine Lust habe, die gibt es halt aber auch nicht hier im Laden.

Ausma: Darum geht es doch: die guten Sachen herausfiltern, auf die man Bock hat. Ich kann keine Bücher verkaufen, die ich schlecht finde.



Franz, erzähl doch mal, seit wann es Sabotage gibt, ob du schon Erfahrung in diesem Bereich hattest, was du eigentlich beruflich gelernt hast und wie du das Label finanzierst.

Franz: Ich bin ausgebildeter Sozialpädagoge. Das Label mache ich mit Pausen vielleicht seit acht Jahren, aber ich hab erst in den letzten zwei Jahren damit angefangen, regelmäßig Sachen zu veröffentlichen, und ich versuche auch, mich mehr dahinter zu klemmen. Das Label finanziert sich über die Verkäufe und Tauschaktionen. Ich hatte vorher natürlich keine Erfahrungen damit, es ging halt los damit, Tapes zu machen, dann Platten. Dazu kam immer das Tauschen und ein Distro.

Weshalb bevorzugst du es, Gruppen mit politischer Aussage auf deinem Label zu veröffentlichen?

Franz: Das ist keine Absicht, dass Bands mit politischen Aussagen auf dem Label sind. Und es gibt auch sicherlich Bands auf dem Label, die oberflächlich betrachtet keine politische Aussage haben. Ich hab eh ein Problem mit Labels/Bands, die sich als politisch bezeichnen. Was heißt das? Mir ist es manchmal sogar lieber, die Bands singen über irgendwas anderes, als eine verkürzte Kritik an den Zuständen abzugeben. Mit den meisten Bands, die sich politisch nennen, habe ich eher ein Problem, weil ich oft mit deren Aussagen Probleme habe. Auf der anderen Seite ist es natürlich schon ein Mittel, um auf gewisse Zustände aufmerksam zu machen und Leute zu erreichen, also auch wichtig. Aber um auf die Frage zurückzukommen: Ich finde eher die Art und Weise wichtig, wie die Bands arbeiten und an die Sache drangehen, und dass es zwischenmenschlich passt.

Denkst du, dass mit dem Verfall des Sozialstaates Punk und Hardcore wieder an Gewicht gewinnen werden und vielleicht eine ähnliche Brisanz bekommen kann wie in den Siebzigern und Achtzigern?

Franz: Das denke ich nicht. Objektiv gesehen hat Punk und Hardcore keine gesellschaftliche Relevanz mehr. Ich weiß auch nicht, ob das in den Achtzigern so war, ich war nicht dabei, aber es waren definitiv mehr Leute unterwegs, für die Punk und Politik zusammengehörten, was ja heute nicht mehr so gegeben ist. Gerade bei Hardcore habe ich das Gefühl, dass diese Musik mittlerweile völlig losgelöst ist von irgendwelchen politischen Ansichten. Ich habe schon lange kein gutes Interview von einer Hardcore- oder Punkband gelesen. Die Interviews von den meisten Bands finde ich total langweilig und nichtssagend. Und nur die amerikanische Regierung zu kritisieren, hat für mich nichts mit einer politischen Aussage zu tun. Aber vielleicht bin ich auch mittlerweile einfach zu desillusioniert.



Wie gestaltet ihr den Vertrieb, die Werbung und das Booking für das Label. Gebt ihr manches in fremde Hände ab?

Worin seht ihr die Vorteile, vieles selbst zu machen?

Franz: Booking machen eigentlich die Bands alle selbst, oder sie arbeiten mit Agenturen zusammen, meistens sind das aber auch Leute, die cool sind und ähnlich ticken. Der Vertrieb läuft eigentlich immer noch über die alten D.I.Y.-Kanäle, das heißt ich beliefere die Leute direkt oder tausche. Ist mir eigentlich am liebsten, aber auch eine schwierige Sache, da es mittlerweile einige Bands auf dem Label gibt, die auch Leuten gefallen würden, die sich nicht unbedingt in diesen Kreisen bewegen, und die zu erreichen ist schwierig. Um das zu bewerkstelligen, muss mal halt andere Wege gehen, und ich bin auch noch nicht wirklich zu einem Entschluss gekommen. Denn selbst auf so einer kleinen Ebene, wie wir uns bewegen, geht das schon los mit Geschleime, Arschkriecherei und Profilierungssucht und auf so was hab ich eigentlich keinen Bock. Auf der anderen Seite finde die ich vor allem hierzulande die D.I.Y.-Szene sehr intolerant und musikalisch festgefahren. Ich hab den Eindruck, dass es nicht um die Herangehensweise geht, sondern nur um die Musik, und das entspricht nicht meinem Verständnis von Do-it-yourself. Ich wurde schon häufiger gefragt, ob Sabotage jetzt ein Indie-, Pop- oder was weiß ich Label wird. Das ist natürlich totaler Schwachsinn, zeigt aber, dass diese D.I.Y.-Phrase oft einfach inhaltslos ist und wie engstirnig die Leute sind.



Verkauft ihr auch politische Bücher im Goldenshop? Welche würdest du denn momentan besonders empfehlen und aus welchem Grund?

Ausma: Wir verkaufen nur ein paar politische Bücher, es gibt hier in der Stadt auch einen schicken Infoladen und ich fände es cooler, wenn die Leute sich dort die politischen Bücher holen. Ein Buch, welches ich gerade empfehlen kann ist „Besetze deine Stadt“, es geht um Häuserkampf und Stadtentwicklung in Kopenhagen, besonders nach der Räumung des Ungdomshuset. Ich finde das sehr interessant, vor allem die Vielfalt und Breite der Proteste, und dass es auch jetzt noch Aktionen gibt für ein neues Projekt und die Leute sich das einfach nicht gefallen lassen. Manchmal wünschte ich mir diese Vehemenz auch hier.

Was steht noch alles an?

Franz: Konzerte machen, Lesungen organisieren, Kaffee trinken und gute Platten rausbringen. Wer Lust hat, kann uns ja im Fehrfeld 4, 28203 Bremen von Montag bis Freitag zwischen 11.00 und 19.00 Uhr oder samstags zwischen 11.00 und 17.00 Uhr einen Besuch abstatten. Es gibt Platten, Comics, Bücher, Shirts und etliches mehr.