SEWER RATS

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2008 - das Jahr der Ratte

Es gibt viele musikalisch gute Punkbands. Die Ideale aber, die vorher für diese Szene wegweisend waren, treten immer mehr in den Hintergrund. Anders sind da THE SEWER RATS aus Köln, die Band um die Brüder Chris Kickass an Gitarre und Gesang und Puck Trouble am Kontrabass. Beide widmen ihr Leben komplett der Musik, gehen kaum Kompromisse ein und schaffen es, davon zu leben, ohne ihre Ideale zu verraten, weswegen ich interessiert daran war, die beiden im Kölner Sonic Ballroom zu treffen.

Die Band existiert seit 2005 in diesem Line-up, vorher hat Chris noch unter dem Namen SUBWAY SEWER RATS mit anderen Musikern gespielt. Das Debüt "Rat Attack", das am 4. April auf Bitzcore erscheint, wird mit dem gleichnamigen Song "Subway sewer rats" eröffnet und dieser stellt sich als sehr charakteristisch heraus für die Texte, die Chris verfasst. Dieser ist sehr persönlich und "handelt von uns und was uns ausmacht. Wir haben keinen Bock auf was anderes als Punk, wir gehen unseren eigenen Weg." Ähnlich wie bei ihren Vorbildern SOCIAL DISTORTION, RANCID und THE CLASH inspirieren zwischenmenschliche Beziehungen die Musik. So finden sich Nummern wie "The end" auf dem Album, der "das Ende einer Beziehung beschreibt. Nomen est omen", erklärt Chris den Inhalt, ohne ins Detail zu gehen. "Reach out" hingegen hat einen weitaus tragischeren Hintergrund: "Es ist die Geschichte eines guten Kumpel, der sich umbringen wollte, und ich wusste nichts davon, so dass ich nicht für ihn da sein konnte", resümiert er die Situation. Doch nicht alle Songs sind bestimmt von negativen Inhalten, so beschreibt "Riding downtown" das "geile Gefühl, mit dem Skateboard durch die Stadt zu fahren, mit nichts anderem in seiner Tasche als seinem Wohnungsschlüssel. Kein Geld, kein Ausweis, einfach nur skaten."

Abgesehen von diesem letzten Beispiel klingt es so, als sei die Musik der Band, die sich seit Neuestem Gitarrenunterstützung von ihrem Merch-Verkäufer geholt hat, melancholischer Natur. Dem ist nicht so. Vielmehr machen die zwölf Nummern gute Laune, sind flotter, melodischer Punk, der an die oben genannten Vorbilder erinnert und Akzente setzt durch hart gespielte Kontrabassläufe. Vor allem "You make me sick" geht direkt ins Ohr, weswegen es als Bonustrack auch mit deutschen Lyrics auf dem Album vertreten ist. "Die Anregung, den Song zu übersetzen, kam vom Label. Ich hatte dann richtig Bock, eine deutsche Nummer zu schreiben, denn ich finde auch Bands wie ZSK richtig geil", erläutert Chris dieses untypische Konzept. Zudem werde "die Japan-Ausgabe diese Nummer auf Japanisch enthalten". Puck ergänzt, dass sich ihre erste Splitsingle (mit den PEACOCKS) "am besten in Japan verkauft" habe. "Die haben direkt nach einem Album gefragt, es gibt schon immense Vorbestellungen" für ihre Platte. Warum das so ist? Chris: "Wir sind halt gut." Warum die Japaner so musikbegeistert sind, nicht nur von THE SEWER RATS, sondern generell, kann keiner von den beiden genau begründen. Chris meint: "Keine Ahnung. Die fahren dort aber auf Bands ab, die in Deutschland eher unbekannt sind, wie zum Beispiel die PUNKLES. Dort sind sie richtige Stars." Die eben erwähnte Single erschien auf Pucks eigenem Label Red Five Records, welches sich auf "Punk und Psychobilly konzentriert". Er kümmert sich unter anderem um die BOOZEHOUNDS, DAMAGERS und die PEACOCKS. Nicht ohne Stolz erwähnt er, dass diese erste EP, die PEACOCKS/SEWER RATS-Split-7", "von der es 500 Kopien gab, schon nach einem Monat ausverkauft" war.

Nichtsdestotrotz hat man dankend bei Bitzcore unterschrieben. Denn dies war "das Label, zu dem wir unbedingt wollten. Die haben alles, was cool ist: TURBONEGRO, Bela B., BRIEFS und viele andere gute Bands." Man hat den Hamburgern ganz klassisch "ein Demo geschickt und direkt einen Deal bekommen". Chris kann das ganz einfach erklären: "Wir sind halt gut." Durch diesen besseren Vertrieb und die Labelarbeit ist schon eine große Europatournee geplant, die im April beginnt und mindestens bis zum Herbst dauern wird. "Das wird eine komplette Headlinertour, bei der wir durch lokale Bands unterstützt werden", erklärt der Bassist, der seinen Kontrabass im Alter von 13 Jahren in seiner Schule geklaut hat. Er brauchte ihn, um seinen Traum zu erfüllen, "Punkrock mit einem Kontrabass zu spielen". Da fragt man sich allerdings, wie man so ein Monster aus der Aula unauffällig entwenden kann. Das schulische Instrument spielt er heute noch ab und zu - wollen wir einmal hoffen, dass der alte Direktor kein Ox-Leser ist.

Man legt außerdem Wert darauf, dass man eine Punk- und keine Rockabilly-Band ist. Die beiden Brüder, die durch ihren Freundeskreis zunächst mit kalifornischen Punkrock in Berührung kamen, wollen "als Punkband angesehen werden", weil hier ihre Wurzeln liegen. An dem Herrn Direktor lag es übrigens nicht, dass Puck mit 15 die Schule verließ. Dies war ein freiwilliger Entschluss, denn auch "ohne einen Abschluss zu haben", hatte er schon damals das "Ziel vor Augen, Musik zu machen". Beide sind sich einig, dass die Musik ihr ganzes Leben bestimmen wird. Auch wenn Chris nebenbei studiert, ist "Musik machen unsere Zukunft". Neben THE SEWER RATS spielt Puck auch bei den KNOCKOUTS aus Schweden. "Wir proben nicht, die haben mir die Alben geschickt und dann sind wir direkt getourt." Wenn das Geld aber mal ganz knapp wird, jobbt er "als Imker bei unserem Onkel".

Hier zeigt sich der Idealismus, der sowohl im Alltag aber auch in der Musikbranche alles andere als selbstverständlich ist, auch wenn diese Zukunftsplanung für manche naiv erscheint. Denn auf die Frage, wie man sich das Leben mit vierzig aufwärts vorstellt, antwortet Chris lapidar: "Mit achtzig kacke ich mir in die Windeln, deswegen will ich gar nicht so alt werden und in einem Altersheim versauern. Wir sind komplett von uns überzeugt, ansonsten würden wir das hier nicht machen." Puck relativiert die Aussage und betont, dass die Band sich gesund ernähre, da alle vier ausschließlich vegetarisch essen. Chris weist auch darauf hin, dass man nur spielt, "wenn es vegetarisches Essen gibt". Diese Konsequenz fand er erstmalig im Punk: "Bands wie PROPAGANDHI haben mich beeindruckt." Er projiziert dieses unkonventionelle Weltbild auch auf eine gesellschaftskritische Ebene, die der Band sehr wichtig ist. So "sind wir gegen diese Gleichschaltung. Du bekommst von der Gesellschaft eingeimpft, wie du zu leben hast", was beide auf den Alltagstrott beziehen. Anstelle sich diesem zehrenden Alltagstrott zu unterwerfen, folgt Puck einer einfachen Alternative: "Da stehe ich lieber auf der Bühne und betrinke mich." Na, dann: Stößchen!