SLIM CESSNA'S AUTO CLUB

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Mit Johnny Cash und Jello Biafra als Rückendeckung

"This is the country band that plays the bar at the end of the world", hat einst Jello Biafra über SLIM CESSNA'S AUTO CLUB gesagt. Wie Recht er damit hat. Seit ihrer Gründung im Jahre 1993 verzaubert und fasziniert Sänger Slim Cessna mit seinem Gefolge die treu ergebenen Fans. Düsterer Gothic-Country-Blues mischt sichmit fast alttestamentarischem Southern Gospel, melancholisch-verheißungsvollem Americana und einer entsprechenden Punk-Attitüde. Neben Slim Cessna ist es vor allem auch Sänger und Banjo-Spieler Jay Munly, der mit seiner apokalyptischen Bildersprache und seinen dunklen Geschichten über Alkohol, Religion, Gewalt und menschliche Beziehungen eine prägende Rolle im SLIM CESSNA'S AUTO CLUB-Universum einnimmt. Mit "Cipher" erschien dieser Tage, wieder auf Jello Biafras Label Alternative Tentacles, das lang ersehnte neue Album.


Aber alles der Reihe nach. "We are just a little country band from Denver. We got started about ten years ago, just me and some friends drinking beer in my basement", so hat Slim Cessna im Jahr 2003 den Ursprung von SLIM CESSNA'S AUTO CLUB zusammengefasst. Und ja, begonnen hat alles einst in Denver, Colorado. Die Stadt Denver hatte im Übrigen schon immer eine recht vitale Musikszene. In den 60er und 70er-Jahren war es vor allem die Folkmusik-Szene, die von sich reden machte. Bob Dylan und Judy Collins lebten und musizierten in dieser Zeit regelmäßig in Denver. Ende der 1970er begann sich dann eine Country-Szene zu entwickeln. Colorado hatte schon lange Zeit einen Namen, was Western und Country betraf, Country-Pop-Aushängeschild John Denver machte die Region weltbekannt. Denver wurde zum anderen Nashville.

In den 80ern sah Denver viele Trends kommen und gehen. Ende der 80er/Anfang der 90er entwickelte sich langsam eine völlig neue Szene. Die Country-Einflüsse waren immer noch massiv, doch die musikalische Herangehensweise wurde weitaus dunkler und düsterer. Es entstanden Begriffe wie "Southern Gothic" oder "Country Gothic", die aber nur bedingt in der Lage waren, diese musikalischen Vorgänge zu beschreiben. Es war ein äußerst finsteres Gebräu aus Folk, Country und Southern Gospel, das man in Denver zubereitete und im Mittelpunkt stand da anfangs vor allem eine Band: THE DENVER GENTLEMEN. 1988 gegründet, bestand das ursprüngliche Line-up der DENVER GENTLEMEN aus David Eugene Edwards (16 HORSEPOWER/WOVEN HAND), Jeffery-Paul Norlander (16 HORSEPOWER) und eben Slim Cessna. Ab 1992 ging man dann aber getrennte Wege: David Eugene Edwards gründete 16 HORSEPOWER, und 1993 begann Slim Cessna mit SLIM CESSNA'S AUTO CLUB. Die Popularität von 16 HORSEPOWER wuchs stetig, vor allem auch in Europa, doch SLIM CESSNA'S AUTO CLUB war lange Zeit so etwas wie der kleine Stiefbruder, mehr ein Geheimtip.

2005 dann das Aus für 16 HORSEPOWER wegen religiöser, politischer und spiritueller Differenzen. SLIM CESSNA'S AUTO CLUB aber gingen beständig ihren Weg. Auch wenn sich das Line-up unzählige Mal änderte, und auch die Liste der Seitenprojekte immer länger wurde, Slim Cessna hielt die Fackel stets hoch. Nach dem 1995 noch in Eigenregie veröffentlichten selbstbetitelten Debüt folgten 1998 "American Country Music Saved Her Life" und 2000 "Always Say Please And Thank You". Letzteres erschien bereits auf Jello Biafras Label Alternative Tentacles, mit dem SLIM CESSNA'S AUTO CLUB seit damals eine innige Freundschaft pflegen. 2004 veröffentlichte man "The Bloudy Tenent Truth Peace", für mich ein kleines Meisterwerk und das Album, das mich zum Fan machte. Im März 2008 erschien das aktuelle Album "Cipher". Dies nahm ich zum Anlass, um Slim Cessna einige Fragen zu den Themen Religion und Musik, Country im Allgemeinen, der christlich-missionarischen Haltung des einstigen Bandkollegen David Eugene Edwards und natürlich dem neuen Album zu stellen.

Slim, vier Jahre sind seit "The Bloudy Tenent Truth Peace" vergangen. Hat sich die Art und Weise, wie du über die Musik von SCAC denkst, verändert? Ist eure Herangehensweise an euer neues Album dieselbe geblieben oder hat sich da etwas verändert?

Unsere Musik mag sich vielleicht ein wenig gewandelt haben, diese Veränderung empfinden wir aber als nicht besonders auffällig. Wir haben überdies keine Kontrolle darüber. Das ist wahrscheinlich so, als wenn man seinen Kindern beim Aufwachsen zusieht. Wenn du jeden Tag mit ihnen verbringst, bemerkst du gar nicht, wie groß sie geworden sind oder wie stark sie sich verändert haben. Im Gegensatz zu den Personen, die sie nur alle vier Jahre zu Gesicht bekommen.

Euer neues Album trägt den Titel "Cipher" und ist wieder auf Alternative Tentacles erschienen. Kannst du uns etwas darüber erzählen?

Jeder einzelne Song auf "Cipher" hat mit einer Geschichte oder einer Idee von Munly begonnen. Eines der vielen großen Talente von Munly ist es, Geschichten zu erzählen, und davon haben wir bei diesem Album in besonderem Maße profitiert. Eine Sache haben wir über all die Jahre gelernt: Man muss auf die Stärken in jedem Einzelnen von uns setzen. Es ist eine Notwendigkeit für uns, die Talente, die jeder von uns hat, zu erkennen und zu nutzen. Das gibt den Songs viele verschiedene Ebenen, was die Musik und die Texte betrifft. Jeder Song auf "Cipher" kann für sich alleine bestehen und großartig klingen, und dennoch fügen sich alle Songs im Endeffekt ineinander und komplettieren sich zu einer einzelnen Geschichte. Die Songs sind im Übrigen in keiner besonderen Reihenfolge.

Welchen Stellenwert hat Religion als Thema für das Schaffen und die Musik von SCAC?

Religion als Thema scheint etwas zu sein, das uns immer begleitet, ein Thema in dem wir uns ergehen und bei dem wir verweilen. Ich wuchs in einer sehr religiösen Familie auf. Religion macht einen großen Teil meines Lebens aus und ich habe große Schwierigkeiten, nicht an meine eigene Erlösung beziehungsweise mein Seelenheil zu glauben. Ich habe so viele Fragen im Leben. Auch die Charaktere in unseren Songs haben diese Fragen. Sie alle sind auf der Suche nach Erlösung.

Meine nächste Frage geht in eine ähnliche Richtung. Genauer gesagt geht es mir um die Bildsprache und Musik von David Eugene Edwards von 16 HORSEPOWER/WOVEN HAND. Viele Menschen mit einem ausgeprägten Punk-Background haben zeitweise Probleme mit dem christlich-missionarischem Eifer, den er an den Tag legt. Findest du es in Ordnung, eigene persönliche religiöse Überzeugungen und Anschauungen auf der Bühne zu präsentieren und somit auch unterschwellig zu missionieren?

Es stört mich überhaupt nicht, wenn jemand auf der Bühne beziehungsweise in seiner Musik predigt - solange es ehrlich ist. David Edwards ist nicht imstande, über etwas anderes zu singen. Er sollte für seine Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit gepriesen werden. Viele Bands predigen über politische Themen. Wo liegt denn der Unterscheid zwischen David Edwards und Jello Biafra? Beide sind sie in ihren Weltanschauungen oder religiösen Überzeugungen fest verankert. Sie beide investieren ihre Leidenschaften und Energien in diese Anschauungen und Überzeugungen. Sowohl David Edwards als auch Jello Biafra hatten ursprünglich viele Fragen. Sie beide haben eine Antwort auf all ihre Fragen gefunden. Ich beneide sie beide.

Wo wir gerade über Jello Biafra sprechen. Wie hat denn eure Beziehung zu Jello Biafra und zu Alternative Tentacles einst begonnen?

Das liegt schon viele Jahre zurück. Jello war damals auf einer unserer Shows. Er kam auf uns zu und wollte uns treffen, weil er mit Bob Ferbrache, unserem Produzenten, befreundet war. Ich komme überdies aus derselben Heimatstadt wie Jello. Als Teenager war ich in den 80ern natürlich ein großer Fan von Jello Biafra. Für mich und meine Freunde war er der King of Rock'n'Roll. Heute bin ich auf seinem Label und er ist ein guter Freund geworden. Ich habe schon auf seinem Sofa geschlafen und bin seine Plattensammlung durchgegangen.

Stimmt es, dass ihr einst mit Johnny Cash aufgetreten seid?

Ja, SCAC waren der Support-Act für Johnny Cash. Wer kann uns jetzt noch etwas anhaben? Eigentlich sollten wir viel mehr Platten verkaufen.

Gibt es eine Verbindung zwischen Country und Punk?

Vielleicht, aber wenn es eine solche Verbindung gibt, dann sind damit zu viele Reglementierungen verbunden. Oder vielleicht macht man es sich zu einfach, wenn man behauptet, dass es da eine Verbindung gibt. Wir wurden in beide Kategorien eingeordnet und es wurde sehr viel darüber diskutiert und gesprochen. Ich glaube nicht, dass es richtig ist uns, in die eine oder die andere Schublade zu stecken.

Ist "Alternative Country" ein Begriff, mit dem du etwas anfangen kannst?

Viele Menschen, Bands und Musikmagazine lieben diesen Begriff. Wir waren niemals in diese Szene involviert. Ich glaube nicht, dass Alternative Country sehr viel mit SCAC zu tun hat.

Mainstream-Country ist immer noch eine der populärsten Musikformen in den USA. Warum?

Nicht alle Mainstream-Country-Songs sind schlecht. Sowie auch nicht alle klassischen Country-Songs gut sind. Es mag oft den Anschein haben, dass wir hier in den USA unseren ursprünglichen Pioniergeist verloren haben. Ich bin da anderer Meinung. Es gibt sie noch, die riskanten Wagnisse, das Abenteuer, etwas aufs Spiel zu setzen und zu riskieren. Sowohl in unseren Menschen als auch in unserer Musik. Du musst einfach nur genauer hinsehen und dir bei der Suche etwas mehr Mühe geben.