FIRST STEP

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Back to the basics

Mittlerweile leben die vier Mitglieder der in North Carolina gegründeten Straight Edge-Band THE FIRST STEP quer über den amerikanischen Kontinent verteilt. Sänger und Texter Stephen Germain zum Beispiel, mit dem dieses Interview Ende letzten Jahres stattfand, kam nach seinem Umzug nach Boston kurzerhand in einer Bostoner Wohngemeinschaft um "Sweet" Pete Maher (IN MY EYES) unter. Doch trotz der großen Entfernungen und einer kurzen Kreativpause 2003, hat sich die Band eine gewisse Aufmerksamkeit erspielt und tourte zusammen mit den Norwegern DAMAGE CONTROL sogar schon mal drei Wochen durch Europa. Die Mischung macht's ja bekanntlich, und so treffen hier ehrliche und durchdachte Texte auf einen brachialen Oldschool-Sound, der vor allem auf dem Debütalbum "What We Know" (Rivalry/Not Just Words) 2006 seines Gleichen sucht. Die Band hat sich vorgenommen, die Eckpfeiler Musik und Message in bewährter 7 SECONDS-Manier wieder salonfähig zu machen. Bei solchen Zielen ist es daher wenig verwunderlich, dass THE FIRST STEP keinen Hehl daraus machen, sich in Punkto Einstellung und Musik an Bands der ersten (Hardcore-)Stunde wie MINOR THREAT oder BAD BRAINS zu orientieren. Welche konkreten Visionen genau dahinter stecken, darüber habe ich mit Sänger Stephen gesprochen.



Erst mal Glückwunsch zu "What We Know", das Album ist wirklich klasse geworden. Wo siehst du die größten Unterschiede zu der vorher veröffentlichten Single "Open Hearts And Clear Minds"?


Wir haben uns im Vergleich zum Demo und der ersten Single schon ein Stück weit entwickelt - und das in die richtige Richtung. Mit den neuen Songs kommen wir dem, was wir als "perfekt" bezeichnen würden, schon sehr nah. Ich stehe zu all unseren Songs, egal wie alt sie sind, aber auf "What We Know" hat es unser Gitarrist und Songschreiber Aaron geschafft, all das hineinzupacken, was Hardcore für uns ausmacht. Die Idee ist seit jeher dieselbe: schnelle, aggressive Musik mit ehrlichen Texten. Die Songs haben allesamt Anleihen ganz bestimmter Punk- und Hardcore-Bereiche und klingen für mich trotzdem nicht nach irgendeiner anderen Band.



Wie wichtig war Produzent und Altmeister Walter Schreifels (GORILLA BISCUITS, QUICKSAND) für die Platte?

Als wir entschieden hatten, ein ganzes Album aufzunehmen, waren wir uns schnell einig, es diesmal von jemand anderem produzieren zu lassen, um damit eine Meinung von Außen zu haben. Ein Freund von uns kannte Walter, wodurch der Kontakt zustande kam. Wir schickten ihm die bereits aufgenommenen Demo-Aufnahmen und er war sofort Feuer und Flamme. Wir wollten nicht einfach nur eine Platte machen, die sich wie die letzte anhört, aber als Band ist es manchmal schwer, Kritik anzunehmen. Man bekommt schnell eine Art Tunnelblick für alles, was das anbelangt. Wir wollten neue Wege einschlagen, und das sollte, angefangen vom Sound über den Gesang, einfach alles betreffen. Wir dachten, dass jemand wie Walter, der seine Wurzeln im Hardcore und Punk hat, das verstehen würde und umsetzen könnte. Das Coole an der Zusammenarbeit mit ihm war, dass er uns weitestgehend freie Hand ließ und nicht versuchte, uns in eine gewisse Richtung zu drängen. Er machte Vorschläge oder führte von uns vorgetragene Ideen weiter aus, was für den Arbeitsprozess außerordentlich wichtig war. In Studiofragen kann er einfach auf viele Jahre Erfahrung zurückgreifen. Die Platte wäre auch ohne seine Hilfe gut geworden, aber durch seine Anleitung ist sie besser geworden, als ich es mir jemals erträumt hätte. Es ist die Platte, die wir immer machen wollten.



Der Sound ist verdammt dreckig. War das eure Idee?

Uns schwebte vor, einen ausgeglichen, rauhen Sound zu haben. Damit meine ich, dass man jedes der Instrumente gut heraushören können, aber sie zusammen trotzdem eine kräftige musikalische Klangeinheit bilden sollten. Ich hörte kurz vor den Aufnahmen verstärkt uralte Live-Aufnahmen von MINOR THREAT und BAD BRAINS und kam wegen ihrer Aggressivität zu dem Schluss, unsere Platte wie eine Art Live-Mitschnitt klingen zu lassen, allerdings mit allen Vorteilen der Studioarbeit. Walter und Aaron verstanden und ergänzten sich in der Umsetzung richtig gut, so dass die ganze Platte daher auch eher vom Rhythmus und nicht so sehr von der Gitarre getragen wird.



Erkläre doch bitte kurz den Titel des Albums.

Der Titel "What We Know" bezieht sich auf das, was wir darstellen, und die Dinge, an die wir im Hardcore glauben. Als wir den Titelsong schrieben, war unsere Absicht aber keinesfalls, irgendwen von unseren Ansichten überzeugen zu müssen. Mit der Zeit weiß man als Band einfach, wohin es für einen gehen soll, wofür man als Band steht, was gut und was schlecht ist. Der Song fängt an mit der Zeile "We're just kids trying to do our best". Eine Zeile, die aus dem Bauch kam und nicht mit dem Hintergedanken entstand, die beste Band der Welt zu werden. Wir wollen den Leuten nicht sagen, was sie denken sollen, wir wollen nicht abgehoben wirken und brauchen auch kein Youth-Crew-All-Stars-Kram. Wir sind wir selbst und versuchen, so ehrlich wie möglich zu sein, indem wir uns musikalisch ausdrücken und die Chance nutzen, uns Gehör zu verschaffen. Mehr nicht.



Die Platte ist in den USA bei Rivalry erschienen. Wie kam es dazu?

Kyle Whitlow, der das Label führt, und wir kennen uns seit 2001, als wir zusammen mit seiner Band DAMAGE DONE zum ersten Mal nach Kalifornien auf Tour gefahren sind. Alles passte gut zusammen. Wir hatten keine Lust mehr auf unser altes Label Livewire, das die erste EP veröffentlicht hatte. Kyle kriegte das relativ schnell mit und fragte uns irgendwann, ob wir nicht was für Rivalry machen wollten. Er nimmt uns als Band sehr ernst und ist ein guter Freund.



In dem Song "As it is" sprichst du über, ich zitiere: "All this great music with no message what is the point?". An wen habt ihr da konkret gedacht?

Das ist nicht bezogen auf eine bestimmte Band. Wir haben lediglich versucht, aufzuzeigen, wie wichtig und untrennbar für uns sowohl Musik als auch Texte sind. Es gibt zurzeit so viele Bands, die musikalisch alles geben, aber nicht den geringsten Inhalt vertreten! Sie schließen sich einem Genre an und entsprechen genau dem Image der Musik, ohne für irgendetwas einzustehen. Für uns als Band war relativ schnell klar, dass wir das so nicht wollten. Das ist für uns genau das, was den Unterschied ausmacht von Untergrundmusik im Vergleich zu schnulzigem Glamrock. Die Leute suchen etwas Sinnvolles, was ihnen die Mainstream-Gesellschaft und ihre Kultur nicht bieten kann. Für viele hört es mit dem anderen Aussehen und dem krassen Sound aber leider auch schon wieder auf. Es gab Bands, die über Sachen sangen, die die Leute berührt haben, weil sie sich in den angesprochenen Themen wiederfinden und damit identifizieren konnten. Das ist, was eine Band wirklich revolutionär macht. Sich nicht bloß vom Äußeren her einem gewissen Kodex anzupassen, sondern auch in seinen Taten und Ansichten unabhängig zu sein. Das ist, was wir im Hardcore suchen und teilweise vermissen.



Ein zentrales Thema eurer Songs ist Freundschaft. Wie wichtig ist sie dir als Person und Musiker?

Das Thema Freundschaft ist seit jeher in allen Kulturen ein viel besungenes Konzept, ob es nun ehrlich herüber kommt oder aufgesetzt ist. Es scheint demnach etwas allgemein Gültiges, vielleicht sogar Menschliches zu sein. Freunde können viel Einfluss auf jemanden haben und bereichern im besten Fall das Leben und den Blick, den man darauf hat. Über meinen Freunden steht nur meine Familie. In gewisser Weise zähle ich meine Freunde jedoch auch zu meiner Familie, da ich mit ihnen eine meist sehr lange und intensive Beziehung führe. Ich betrachte Musik als Möglichkeit, zusammen mit meinen Freunden etwas Kreatives zu schaffen und so gemeinsam sinnvoll Zeit zu verbringen. Es gibt für vieles eine Motivation, etwas mit eigener Kraft zu erreichen, aber die Erfahrung, mit der Musik etwas direkt mit jemandem zu teilen, ist für mich zufriedenstellender als es alleine zu machen.



Für viele sind Szenebegriffe wie "Brotherhood" veraltet. Sogar die Straight Edge-Veteranen von SLAPSHOT sangen irgendwann davon, dass sie die Schnauze voll hatten von dem Unity-Gelaber ("I've had it with unity"), nachdem sie es zuvor jahrelang propagiert hatten. Wie ist deine Meinung dazu? Kannst du mit dem Zitat "I don't need a crew to validate myself" von COMEBACK KID etwas anfangen?

Ja, natürlich kann ich mit dem Zitat etwas anfangen. Hardcore-Kids, wie übrigens auch Menschen im Allgemeinen, neigen dazu, sich irgendwo anzuschließen, um sich mit einer bestimmten Gruppierung identifizieren zu können. Zum einen liegt das daran, dass man sich als Individuum im Kollektiv der Gleichgesinnten als Persönlichkeit akzeptiert fühlt. Darüber hinaus ist es einfacher, etwas zusammen mit anderen zu erreichen, als alleine. Die Gemeinschaft mit anderen ist zunächst einmal also etwas durchaus Positives. Wenn die Gruppe es schafft, ihre Unterschiede zu überwinden, kann sie im Zweifelsfall eine starke Einheit bilden. Leider habe ich mit eigenen Augen gesehen, wie gefährlich es ist, sich einfach einer bestimmten Gruppierung oder Idee anzuschließen. Viel zu oft wird die positive Motivation des Anfangs zu einer Art stagnierender Institution, die es nicht mehr schafft, sich Kritik zu stellen. Oftmals vergessen Menschen aber auch einfach ihre Individualität. Ich persönlich habe stets versucht, Menschen danach zu beurteilen, wie stark ihre Persönlichkeit ist und wie weit sie für sich einstehen können, was immer ihnen auch widerfährt und in den Weg stellt. Wahrscheinlich muss man einfach mit sich selber im Reinen sein, bevor man ansatzweise ein Gemeinschaftsgefühl, also Unity, entwickeln kann.



Als eure Einflüsse listet ihr eine ganze Reihe von Oldschool-HC-Bands auf. Wie bist auf HC/Punk gestoßen und wie wichtig sind beziehungsweise waren Bands wie BAD BRAINS, MINOR THREAT oder auch YOUTH OF TODAY?

Mit vierzehn Jahren nahm ich an einem Ferienlager teil. Ich kannte bis dahin nur Garagenrock. Mit einem anderen Teilnehmer tauschte ich dann irgendwann diese Tapes gegen ein MINOR THREAT-Tape. Als ich wieder nach Hause kam, machte ich mich auf, alles über diese Art von Musik herauszufinden. Die drei von dir genannten Bands waren allesamt sehr wichtig für mich, ideologisch wie auch musikalisch: Zusammen mit den lokalen Bands meines Heimatortes änderten sie mein Leben. Ich wusste, dass diese Musiker Leute sind wie du und ich, was mir das Gefühl gab, alles schaffen zu können, was ich wollte, wenn ich nur hart genug dafür arbeiten würde. Bis heute sind es drei meiner absoluten Lieblingsbands.