MICRAGIRLS

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Feeling dizzy

Vergesst die überhypeten, von Starallüren zerfressenen 5,6,7,8's, die MICRAGIRLS sind viel besser. Die drei Damen aus einer finnischen Kleinstadt waren nach fünf Jahren, zig Konzerten und diversen Singles erwachsen genug für eine große Schallplatte, und die erschien jüngst auf dem Hamburger Label Bone Voyage. Mari, Katariina und Kristiina, die durchaus um den Reiz schicken Bühnenoutfits im Sechziger-Look wissen, zelebrieren auch hier lieblich-trashigen Sixties-Garage-Punk und machen sich unter dem Motto "Primitive Homeorgan Blast" daran, die legendären, aber leider aufgelösten THEE HEADCOATEES zu beerben. Hier ihre Antworten auf meine Fragen.



Könnt ihr euch bitte selbst vorstellen? Wer ist in der Band, wann und wo habt ihr angefangen, was war die Idee?

Katariina:
Ich bin Katariina, ich spiele eine alte Casio-Orgel und singe.

Kristiina: Mein Name ist Kristiina und ich spiele Schlagzeug und singe.

Mari: Ich bin Mari, ich spiele Gitarre und singe.

Katariina: Es war im Sommer 2001, als wir die verrückte Idee hatten, dass wir vielleicht eine Band gründen sollten - dass wir die MICRAGIRLS sein können. Am Anfang gab es vier von uns, aber unsere Bassistin Elina beschloss vor drei Jahren, dass sie was etwas Besseres zu tun hat, als zu reisen, Rock'n'Roll zu spielen und mit uns Bier zu trinken.

Kristiina: Am Anfang hatten wir keine Vorstellung von unserem Musikstil. Erst nachdem wir anfingen zu üben, wurde der Sound so, wie er jetzt ist. Wir verbrachten den ganzen Sommer 2001 in unserem dunklen und kalten Proberaum und haben nur gespielt und gespielt und gespielt.

Katariina: Die wichtigste Idee kam während der Proben und zwar, dass wir 60er Jahre-Garagerock spielen wollen - mit weiblicher Attitüde. Wir wollten unsere eigenen und einige nette unbekannte Lieder aus den 50er und 60er Jahren spielen.

Kristiina: Ich denke, dass wir eine Art Selfmade-Band sind. Wir haben, seit wir die MICRAGIRLS sind, gelernt zu spielen, Auftritte zu organisieren, Platten zu veröffentlichen, unsere Micra-Uniformen und auch Band-T-Shirts herzustellen,.



Was macht euch wütend? Ich meine, ihr könnt ja nicht immer nett sein ...

Kristiina:
Man kann an unserer Musik hören, dass wir nicht die ganze Zeit nett sind. Die Welt wird zerstört, das macht mich wütend!

Katariina: Dumme Kriege machen mich wütend. Diese Menschen nehmen sich gegenseitig ohne irgendeinen Grund das Leben.

Mari: Ich fühle mich genauso wie die beiden, ich will kaum noch Nachrichten im Fernsehen sehen oder Zeitung lesen, nur wegen all der schlimmen Sachen, die in der Welt passieren. Ich versuche, nicht daran zu denken Und meistens versuche ich, ein nettes Mädchen zu sein.

Kristiina: Als Einzelner kann nicht viel tun, um die Welt zu verbessern. Mit den MICRAGIRLS versuchen wir, wenigstens für uns selbst und unsere Freunden etwas Freude und Spaß in diese traurige Welt zu bringen.

Was ist eure Verbindung zu einem gewissen Auto von Nissan?

Kristiina:
Ein Freund gab uns den Namen, weil wir die Band in einem Nissan Micra gegründet haben und anfangs fuhren wir mit diesem Auto auch zu unseren Auftritten.

Mari: Es hat sich zuerst wie ein guter Witz angehört, den Namen eines Autos zu nehmen, aber desto mehr Zeit verging, desto mehr trat diese Auto-Sache in den Hintergrund. Ich habe lange nicht mehr daran gedacht.

Katariina: Ich mag unseren Bandnamen. Er ist einfach zu merken. Ich denke, MICRAGIRLS könnte ebenfalls "kleine Mädchen" bedeuten.



Wie viele Mädchen braucht man, um eine Band zu gründen? Fünf, sechs, sieben, acht oder nur drei?

Katariina:
Am Anfang dachten wir, dass man vier braucht, aber jetzt wissen wir, dass drei reichen ... Wir haben gehört, dass es in Japan ebenfalls eine Band gibt, in der drei Mädchen spielen. Kannst du das glauben? In Finnland sagen einige Leute, dass wir uns wie ein paar japanische Bands anhören, obwohl wir eigentlich überhaupt nicht wie Japanerinnen aussehen.

Mari: Es ist cool, nur zu dritt spielen, dann ist jede wichtig! Du kannst hören, wenn die Orgel streikt, eine Gitarrensaite reißt oder die Schlagzeugerin vom Stuhl fällt. Und zwei andere Mädchen dann nicht wissen, wie sie weitermachen sollen ...

Kristiina: Ich bin noch nie von meinem Stuhl gefallen! Oder doch ...?



Ihr scheint Tiere sehr zu mögen, es gibt Tiger, Gorillas und Katzen in euren Songtiteln. Und ihr spielt sehr mit diesen Garage/Exotica/Rock'n'Roll-Klischees.

Katariina:
Wir mögen gefährliche Tiere wie wilde Katzen, wir haben sogar gelernt, wie Katzen zu miauen.

Kristiina: Liebeslieder langweilen uns, weil jeder sie macht. Wir sind stolz darauf, dass es auf unserer Platte "Feeling Dizzy, Honey" keine Liebeslieder gibt, dagegen sind auf der Platte viele Lieder über Tiere, hehe ... wir lieben halt Tiere.

Katariina: Aber auf unseren neuen Platte gibt es auch einige Liebeslieder. Vielleicht sind wir inzwischen etwas romantischer geworden. Oder vielleicht haben wir auch einfach schon Lieder über jedes Tier gemacht, das wir kennen.

Mari: Es ist viel einfacher, Lieder über Tiere und lustige Dinge zu schreiben als über das wahre Leben. Vielleicht haben wir auch nur überhaupt keine Ahnung vom wahren Leben oder haben alle in unserem früheren Leben im Zoo gelebt.



Es scheint, dass ihr im Besitz vieler Sixties-Compilations seid, wie "Jungle Exotica", "Back From The Grave" oder "Sin Alley". Was mögt ihr an dieser Musik, welche andere Musik ist für euch wichtig?

Kristiina:
Wir lieben die Platten, die du erwähnt hast, und ebenfalls die "Born Bad"-, "Savage Kick"- und "Big Itch"-Compilations. Es war Katariina, die uns dazu gebracht hat. Zu Beginn gab es bei den MICRAGIRLS Coverversionen von Platten aus Katariinas Sammlung. Heute sind wir alle riesige Fans dieser Musik. Du kannst diese Art von Platten bei uns nicht kaufen, also haben wir und unsere Freunde sie in Deutschland oder anderen Länder bestellt. Wir lieben es, Plattenläden zu besuchen, wenn wir auf Tour sind. Ich versuche, verschiedene Musikrichtungen zu hören, aber es gibt kein neues Zeug, das mir wirklich wichtig ist. Ich liebe CAPTAIN BEEFHEART, 13TH FLOOR ELEVATOR, Link Wray, Wanda Jackson, Otis Redding, THE SHANGRI-LAS, Robert Johnson, John Coltrane, die RAMONES, CRAMPS, SONICS, Nick Cave, Iggy Pop, PJ Harvey ...

Katariina: Außerdem mag ich Tom Waits und Andre Williams. Sie sind beide alte Gentlemen, die eine Art von Rock'n'Roll mit sonderbarer und großartiger Einstellung spielen.

Mari: Auch Jazz und Soul sind sehr cool, ich liebe Sängerinnen wie Ella Fitzgerald, Sarah Vaughn und Aretha Franklin. Aber in Finnland gibt es ebenfalls sehr gute Musiker, wie 22 PISTEPIRKKO, Tuomari Nurmio, RISTO und SWEATMASTER zum Beispiel, und lasst uns nicht die alten Favoriten AC/DC vergessen!

Kristiina: An neuen Sachen mag ich King Khan und BBQ und viele Bands von Voodoo Rhythm Records.



Wie sucht ihr eure Coversongs aus? Welche spielt ihr?

Kristiina:
Wir haben viele Coversongs ausprobiert, aber es gibt einige Lieder, die sich für uns nicht eignen. Wir haben einfache Lieder wie "Three aces & a joker", "Boozy party", LAVERN BAKER & THE GLIDERS' "Jimmy dandy" und so weiter ausprobiert. Aber wir können nicht jedes Lied in unserer Micra-Version machen ...

Katariina: Einige der Coversongs sind Lieder, die wir schon seit einigen Jahren kennen, und wo wir gedacht haben, dass sie wirklich gut sind. Dann wollten wir versuchen, sie selbst zu spielen, einige klangen lustig, andere furchtbar. Für gewöhnlich suchen wir uns dann die Lieder aus, die unserer Meinung nach lustig klingen. Ich denke, dass einige Lieder, zum Beispiel "Lone twister" von LONE TWISTER, so schön sind, dass selbst wir sie nicht verderben können.

Mari: Coversongs zu spielen macht so viel Spaß! Wir haben so viel gelernt, als wir sie gehört und gespielt haben.

Kristiina: Heutzutage spielen wir "Leave my kitten alone" von Little Willie John, "Baby get lost" von den BARRACUDAS, "Whistle bait" von Lorrie Collins, "Johnny get angry" von Joanie Sommers und "Like weird" von TOMMY FALCONE & THE CENTURIES.



Wie seid ihr mit eurem deutschen Label in Kontakt gekommen?

Katariina:
Unsere Label Bone Voyage ist zur Hälfte finnisch und zur Hälfte deutsch. Es ist das Label der finnischen Band 22 PISTEPIRKKO und von dem Deutschen Quintus Kannegiesser. Wir haben 22 PISTEPIRKKOs Musik und ihre Art, etwas zu machen, schon immer geliebt, und auch ihr Nebenprojekt THE OTHERS. Als wir anfingen, neue Sachen aufzunehmen, wussten wir nicht, wer sie veröffentlichen würde. Wir dachten, wenn wir den richtigen Sound haben, der gut genug ist, könnten wir die Sachen den Labels schicken, die wir sehr schätzen und mögen. Und falls wir nicht das passende Label finden, würden wir unsere Musik selbst veröffentlichen, genauso wie schon die letzten Singles. Bone Voyage waren die Ersten, denen wir unsere Aufnahmen geschickt haben und sie hatten Interesse daran!



Finnland scheint eine großartige Musikszene zu haben. Seid ihr mit einigen Bands befreundet? Wie sieht die Szene in eurer Heimatstadt Kuopio aus?

Kristiina:
Wir sind mit vielen Bands befreundet. Finnland ist so ein kleines Land, ich denke, jeder kennt sich. Aber aus unserer Heimatstadt kommen die besten Bands! Es gibt AAVIKKO, COSMO JONES BEAT MACHINE, SLIDESHAKER und ASTRO CAN CARAVAN. Wirklich verschiedene Bands, die alle gut sind und zugleich etwas Sonderbares in ihrem Sound haben.

Mari: Es war außerdem einfacher, eine eigene Band zu gründen, weil uns unsere Freunde unterstützt haben, uns ihre Proberäume benutzen ließen und wir ihre Instrumente ausleihen konnten.



Was tut ihr, wenn ihr nicht Musik macht?

Kristiina:
Ich bin selbstständig, ich entwerfe Textilien und Anziehsachen. Ich habe einen kleinen Laden, Daiga Daiga Duu, mit einem Freund in Kuopio, wo wir unser eigenes Design, Vinylscheiben, 60er/70er-Second-Hand-Klamotten und anderes interessantes Zeug verkaufen.

Katariina: Ich hoffe, dass ich nächstes Jahr anfangen kann zu studieren.

Mari: Ich zeichne Comics und überlege, was ich als Nächstes machen könnte.


Übersetzung: Sabrina Pantano