MÖNSTER

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Mustergültig

Hardcore gegen alles kommt aus Berlin und nennt sich MÖNSTER. Der Sound und auch der Name verleiten einen zu der Assoziation, es mit einem Monster zu tun zu haben. Der Eindruck mag stimmen, aber dass MÖNSTER noch etwas ganz anderes bedeutet, erfuhr ich durch das hier vorliegende Interview, welches per E-Mail Ende letzten Jahres mit zwei Bandmitgliedern geführt wurde. MÖNSTER sind in ihrer aktuellen Besetzung Jobst, Gitarre/Gesang, Matthias/Matze an der Gitarre, Marek am Bass und Iffi am Schlagzeug. Das letzte Album "Arms" ist jetzt seit einiger Zeit via Day After Records zu haben und setzt seiner Umgebung einem gewaltigen D-Beat-Hardcore-Punk-Gewittersturm aus, schwer und massig kommt es angerollt.



Ihr habt alle schon in diversen Bands gespielt, unter anderem bei den BORN DEAD ICONS - ist das die kanadische Band? Und wie habt ihr als MÖNSTER zusammengefunden?


Jobst: Die Idee hatte Marek, weil er mit seinem kanadischen Kumpel Alex für dessen Zeit in Berlin - sechs Monate - ein Bandprojekt machen wollte. Da hat er mich als Gitarristen gefragt und weil ich eh mit Matze eine Band machen wollte, hab ich den einfach mitgeschleppt. Und das hat sofort gefunkt zwischen uns. Nach den sechs Monaten wollten wir unbedingt weitermachen und haben nach einem Interims-Schlagzeuger mit Iffi nun ein neues festes Mitglied.

Matze: Also, unser erster Schlagzeuger, Alex von BORN DEAD ICONS, ist schon lange nicht mehr dabei. Er war, wie gesagt, Gründungsmitglied und hat die erste Platte, "Death Before Disorder", eingespielt. Kurz danach ist er nach Kanada zurückgegangen. Er kam etwa ein Jahr später zu Besuch wieder und wir haben ein Konzert zusammen gespielt. War super.



Spielt ihr noch immer parallel in anderen Kombos?

Matze:
Jeder von uns hat noch andere Bands, in denen er spielt. Ich habe gerade ein Projekt, das sehr doomig, aber auch poppig daherkommt. Es hat noch keinen Namen und wir haben noch nichts aufgenommen, aber genug Material für eine LP. Unser Schlagzeuger lebt in den USA und wir fliegen im Dezember dorthin, um die Schlagzeug-Spuren aufzunehmen. In Berlin wird dann der Rest gemacht.

Jobst: Iffi singt in einer ziemlich neuen Berliner Band namens COLD WAR, Marek spielt Schlagzeug bei INSUICIETY und ich will mit alten FreundInnen von mir was Neues machen.



Ich finde, im Bereich Hardcore-Punk war seit langem nicht soviel frischer Wind zu spüren wie jetzt. Bands wie BOMBENALARM, DOOMTOWN, THE NOW-DENIAL, DEAN DIRG, MÖNSTER und viele mehr spielen kompromisslosen Sound mit ausdrucksstarken Texten, der so überhaupt nicht aufgesetzt wirkt. Wie seht ihr den Szeneaspekt, fühlt ihr euch irgendeiner bestimmten Szene zugehörig?

Jobst:
Klar sind wir alle irgendwie Szenetypen. Wir bewegen uns alle schon seit Jahren in einem ähnlichen Umfeld, spielen in Bands, organisieren Konzerte und so weiter. Und die Bands, die du aufgezählt hast, sind auch alles gute Freunde von uns. Also, so gesehen schon unsere Szene. Und vielleicht ist es auch genau das, was eine Szene so gut macht, wenn es eben ein "network of friends" ist. Wenn dann noch dazu kommt, dass die Leute über relevante Dinge schreiben und singen, dann ist das perfekt. Interessant aber auch, dass in allen Bands, die du aufgezählt hast, ausschließlich Typen mitspielen. Uns kann und will ich da offensichtlich nicht ausnehmen. Und bei allen positiven Sachen, die ich an der Szene sehe, so ist dieser Aspekt einer, über den es sich schon lohnt nachzudenken. Insbesondere in einer Szene, die sich bewusst gegen klassische und eingefahrene Gesellschaftsstrukturen wendet.

Matze: Also, wir sind schon alle aus der HC/Punk-Szene ... mehr oder weniger. Obwohl ich ja das eigentlich gar nicht so mag, sich nur in bestimmten Szenen zu bewegen. Wenn man mal rausgeht und andere Bands/Szenen auscheckt, bekommt man mit, wie viel man eigentlich verpasst, wenn man sich nur in einer bestimmten Gruppierung bewegt.



Dieser "Szenedogmatismus" geht mir auch gegen den Strich, oft gibt's eine ganz gute Infrastruktur, etwa zum Veranstalten von Konzerten, und interne Vernetzung, aber viele selbst gezogene Grenzen führen eher dazu, dass man sich eine mehr oder weniger wertkonservative Mikrogesellschaft in der anderen Gesellschaft aufbaut. Was haltet ihr davon, was sind die Vor- und die Nachteile?

Jobst:
Hm, ich versteh schon was du meinst. Und "Szenedogmatismus" als Selbstzweck finde ich ebenso zum Kotzen. Aber gewisse "Prinzipien" sind natürlich schon wichtig. Ich hab logischerweise keinen Bock auf sexistischen oder rassistischen Scheiß auf Konzerten. Solche für mich eigentlich selbstverständlichen Prinzipien, die selbstredend einige Bands und Leute ausschließen, finde ich auch überhaupt nicht konservativ. Ganz im Gegenteil. Nichtsdestotrotz führen sie dazu bei, dass die Szene nicht sooo offen ist, wie sie es vielleicht sein will. Aber wenn es darum geht, das "Böse" aus eigenen Strukturen und von Konzerten fernzuhalten, dann ist das absolut wichtig. Ein Nachteil daran ist aber in der Tat, dass es für "szenefremde" Leute erst mal schwierig oder sogar abschreckend ist, sich mit neuen Strukturen und/oder Verhaltensweisen auseinanderzusetzen. Das gilt natürlich gerade auch für den "Nachwuchs". Mein erstes Mal auf einem Punk/HC-Konzert fand ich auch eher befremdlich als befreiend. Aber dieses Spannungsfeld lässt sich meiner Meinung nach nicht komplett auflösen.



Wie, denkt ihr, kann man innerhalb der Peergroup/Szene genderspezifische Probleme lösen, was ist eurer Meinung nach der Grund, dass so wenige Musikerinnen in dem Genre zu finden sind?

Jobst:
Na ja, erst mal muss ein Bewusstsein dafür da sein, dass es diese Probleme überhaupt gibt. Das wird ja von vielen noch ignoriert. Eine offene Diskussion wäre da in der Tat sinnvoll. Aber das ist auch etwas, das jedeR mit sich selbst auschecken muss und wo es auch darum geht, eigene Rollen und die eigene Identität zu hinterfragen. Dass gerade Privilegierte dazu nicht bereit sind, ist klar und insofern mach ich mir da auch wenig Hoffnung auf Änderung. Dass es so wenig Musikerinnen gibt, liegt zum Teil natürlich daran, dass wir immer noch "Produkte" geschlechtsspezifischer Sozialisation sind und Jungen immer noch eher dazu ermutigt werden, ein cooles Instrument zu lernen und aktiv aus sich rauszugehen. Andererseits ist die fehlende Bereitschaft von vielen Leuten, sich zu hinterfragen und an den bestehenden Strukturen tatsächlich etwas ändern zu wollen, ja auch nicht gerade förderlich. Mädchen und Frauen müssen sich so immer noch doppelt beweisen. Und dass da viele keinen Bock drauf haben beziehungsweise von den festgefahrenen Strukturen, die Jungs einfach weniger ausschließen, entmutigt werden, wundert mich ganz und gar nicht. In dieser Hinsicht kann auch eine Hardcore-Szene noch viel lernen und versuchen, Räume zu schaffen, die Leute - also explizit auch Mädchen und Frauen - ermutigen, sich auszudrücken und auszuprobieren.



Auf eurem neuen Album ist der Song "Personne n'est clandestine", auf Deutsch: "Kein Mensch ist illegal", zu hören. Es gibt ja die gleichnamige Kampagne, inwieweit seid ihr politisch aktiv und wie hoch ist euer gesellschaftspolitischer Resignationsfaktor?

Jobst:
Gute Frage. Politisch organisiert ist niemand von uns. Ich habe früher in einigen Gruppen mitgemacht und war auch viel öfter auf Demos als heutzutage. Ich merke bei mir schon, dass ich politisch ganz schön resigniert bin und von den meisten "klassischen" Arten von Politik - Demos, Flugblätter und so weiter - nicht viel erwarte und mich da wenig engagiere. Nichtsdestotrotz halte ich es für extrem wichtig, zu erkennen, dass mein gesamtes Handeln eine politische Dimension hat. Angefangen von individuellen Kaufentscheidungen bis hin zu meinem Verhalten meinen Mitmenschen gegenüber. Und der Versuch, mich da meinen Idealen entsprechend "korrekt" und "konsequent" zu verhalten, ist für mich eine politische Entscheidung. Aber auch die Frage nach politischer Resignation ist eine, die sich ja nur privilegierte Menschen wie du und ich stellen können. Frag mal einen illegalisierten Menschen, ob er resignieren will. Mach dir die Situation bewusst und du wirst sehen, dass er/sie das gar nicht kann.



Neben D-Beat- und Hardcore-Elementen findet man bei euch auch derbe Hardrock-Anleihen, deshalb das motörheadeske Ö in MÖNSTER?
Wer steht Pate für euren Sound, habt ihr bestimmte musikalische Vorbilder, welche Bands hauen euch zurzeit um?

Jobst:
Das Ö im Namen ist gar nicht motörheadesk, sondern ein echter Umlaut. "Mönster" ist schwedisch und heißt "Muster". Ein Name, der unserer Meinung nach ganz gut zu uns passte. Für den Sound ist hauptsächlich erst mal Matze verantwortlich, da er die meisten Songs schreibt, das heißt, er kommt mit Riffs, die wir dann gemeinsam zu Songs bauen und die sich dann natürlich erst entwickeln.

Matze: Also, ich höre sehr verschiedene Sachen, aber für MÖNSTER klaue ich meistens bei HELLACOPTERS, MOTÖRHEAD, STRIKE ANYWHERE, AC/DC, THE DARKNESS, THE WEIGHT, THIN LIZZY, THE BEATLES und auch mal TURBONEGRO. Ich höre aber sonst viel CULT OF LUNA, FOO FIGHTERS, Keith Caputo, Morrissey, Yngwie Malmsteen, THE STREETS, UNEARTH, Austin Lucas, aber auch viel Radiokram wie Pink, KASABIAN, KEANE, THE KILLERS, Natasha Bedingfield, LORDI ... muss sagen, zur Zeit kommen ganz schön viele coole Songs im Radio. Ich denke, alles beeinflusst mich irgendwie beim Schreiben von MÖNSTER-Songs. Das Ding ist, dass wir alle klassischen Rock sehr mögen, da trifft sich immer der Geschmack.



Wie kam es zu dem Wechsel von Sabotage zu Day After?

Matze:
Hier ist die Antwort auch simpel. Mira hat uns gesehen und er mochte gleich die Band. Da er und Jobst sich sowieso schon ewig kennen, waren sie sowieso in touch. Irgendwann hat Mira gefragt, ob wir nicht die neue Platte mit ihm machen möchten.

Jobst: Außerdem entstand die neue Platte ja als Kooperation von Sabotage und Day After. Also, kein wirklicher Wechsel und wieder ein gutes Beispiel für das "network of friends"!



Ich finde gut, dass ihr auf der Bühne Ansagen zu den einzelnen Songs macht, das habe ich an einzelnen Hardcore-Punkbands immer geschätzt. Kann es sein, dass ihr das erst seit dem letzten Album "Arms" so macht?
Ich meine, letztes Jahr auf dem "Bomben auf Bielefeld"-Festival habt ihr keine Ansagen gemacht, oder?

Jobst:
Du hast anscheinend den Eindruck, dass wir uns erst nach unserer ersten Platte "politisiert" haben. Das ist aber gar nicht so. Da hat sich nicht wirklich etwas geändert.

Matze: Wir haben eigentlich schon immer Ansagen gemacht. Also eigentlich meistens Jobst. Ich denke, das fällt immer mehr oder weniger aus. Liegt auch etwas an seiner Stimmung, habe ich das Gefühl.

Jobst: Richtig. Generell sind mir Ansagen aber auch sehr wichtig. Ich mag es auch überhaupt nicht, wenn Bands auf der Bühne gar nichts sagen. Gute, aussagekräftige Ansagen sind aber auch verdammt schwer. Da ist es schon einfacher, ein paar Sprüche und Witzchen zu machen. Wenn mich eine Band nicht zum Nachdenken anregen kann, dann soll sie mich wenigsten unterhalten. Ich hoffe, wir tun das.



Sehr nachvollziehbar ist auch der Text zu "Arbeit ist Scheiße (keine aber auch)": Immer wenn ich irgendwelche Scheißjobs mache, sehne ich mich nach mehr Freizeit und was ich alles damit anstellen könnte, andererseits, wenn ich die Zeit habe, weiß ich oft nix mit ihr anzufangen. Ich bin immer noch auf der Suche nach dem Job, der nicht Fron bedeutet, sondern Erfüllung - wie sieht's da bei euch aus, was machen MÖNSTER, um sich ihre Brötchen zu verdienen?

Matze:
Ja, das ist, glaub ich, das Ideal, wohin jeder möchte. Das machen, was einem Spaß macht, und gleichzeitig damit auch noch Geld verdienen. Sehr schwierig, aber ich glaube, jeder von uns versucht auf seine Weise, dahin zu kommen. Ich bin gelernter Erzieher und arbeite in einem Wohnheim für Autisten und zusätzlich noch ein paar Stunden in einer deutsch-amerikanischen Schule. Die Schule werde ich jetzt schmeißen, weil ich mehr Zeit für die Musik haben möchte. Erzieher sein ist okay, aber auf Dauer hätte ich doch lieber mehr mit Musik zu tun. Mal schauen, ob sich irgendwann was ergibt.

Jobst: Letztendlich hat die Frage nach der Sinngebung beziehungsweise Identitätsstiftung von Arbeit aber nicht nur eine individuelle Komponente, die für viele von uns ein "Problem" zu sein scheint, sondern beeinflusst ja auch, wie Menschen ohne Arbeit systematisch ausgegrenzt werden und eingeredet bekommen, dass jedeR selbst für sein/ihr Schicksal verantwortlich ist. Wer keine Arbeit hat, ist letztlich selbst schuld. Aber nur so ist es möglich, den Mythos von Vollbeschäftigung weiter aufrechtzuerhalten und den Leuten so bekloppte Dinge wie Ein-Euro-Jobs aufzuzwingen. Schon krass, wie sehr sich Leute verarschen lassen und wie skrupellos für die Aufrechterhaltung eines ausbeuterischen Wirtschaft- und Machtsystems gelogen wird. Ich habe in den letzten paar Jahren einige Jobs gehabt, von der Werbeagentur bis zur Redaktion von "Vera am Mittag". Und das alles als Diplom-Sozialwissenschaftler. Im Moment arbeite ich bei einem soziokulturellen Projekt, das sich für Jugendmusikförderung einsetzt. Bisher der coolste Job, den ich gemacht habe, weil sich dort viele meiner Ideen einbringen lassen. Viel Arbeit mit und für Menschen, aber auch mit politischer Intention. Ich hoffe, dass das Projekt weiter finanziert wird. Nicht nur, weil ich den Job super finde, sondern auch, weil ich denke, dass das Konzept sehr gut ist.



Ihr habt, soviel ich weiß, schon innerhalb Europas getourt, wie in Griechenland. Wie sieht's denn mit Konzerten in Kanada und den USA aus? Kontakte scheinen ja da zu sein.

Jobst:
Ja, klar. Kontakte sind schon da. Aber ehrlich gesagt bin ich nicht sonderlich scharf auf Zwölf-Stunden-Fahrten, selten was zu Essen bei den Shows und wenig Zuschauer. Mich zieht es eher in den Osten. Wenn alles klappt, touren wir demnächst durch Russland und das Baltikum. Das finde ich persönlich um einiges spannender als Nordamerika. Aber generell finde ich Touren immer spannend, es ist für mich die perfekte Art, andere Länder und Kulturen kennen zu lernen, nämlich als aktiver Teil einer Kultur, der ich ohnehin angehöre. Du erlebst als Band logischerweise ganz andere Sachen als ein normaler Tourist und bist ein Stück weit Teil der jeweiligen Szene. Ich find das geil und bin davon überzeugt, dass mich das Touren in den letzten Jahren ganz schön geprägt hat.