HAUNTED

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The Haunted Made Me Do It

THE HAUNTED haben soeben ihr neues Album "Versus" auf Century Media veröffentlicht. Ich verfolge die Entwicklung der Band seit dem zweiten Album "The Haunted Made Me Do It" aus dem Jahr 2000 und bin sozusagen Fan. Denn THE HAUNTED sind einfach mehr als "nur" eine Thrash-Metal-Band, sie agieren immer noch und zum Teil bewusst im "Underground" und beschäftigen sich in ihren Texten mit Themen, die auch der einen oder anderen Hardcore-Band gut zu Gesicht stehen würden. Diesen Eindruck bestätigte Peter Dolving (Gesang), mit dem ich am Telefon sprach.


Peter, bist du ein eher entspannter Typ abseits von THE HAUNTED?

Ja, ich glaube schon ... denn wenn ich nicht auf Tour bin oder mich mit Musik beschäftige, verbringe meine Zeit auf meiner Farm im Wald, fälle Holz und kümmere mich um Haus und Kinder.

Nimmst du auf deiner Farm auf, machst du dort Musik?

Weit weg von der nächsten Stadt zu sein, bedeutet, dass Frieden und Ruhe einkehrt. Und ein Grund, warum auf meiner Farm Frieden und Ruhe herrscht, ist der, dass ich dort keine Musik mache. Und zusätzlich sind Frieden und Ruhe eine gute Basis, um nachzudenken und auch Dinge zu entwickeln. Es ist sehr wichtig in der Musik, die Dinge zu strukturieren und all die verschiedenen Ideen zusammenzuführen. Ich vermute, ich habe ein Talent dafür. Ich bin froh darüber, was ich tue und dass ich es mit Menschen teilen kann.

Denkst du dabei in Kategorien wie Punk/Metal/Hardcore/Thrash?

Nein, das würde meinen Horizont einengen oder sogar trivialisieren, was Menschen so machen. Weißt du, ich bin fast 40 und mache Musik, seit ich jung bin. Ich habe so viele verschiedene Sachen gehört, ich bin glücklich über die Möglichkeiten, die ich hatte. Ich habe in sehr vielen Projekten mitgewirkt, zum Beispiel MARY BEATS JANE, ich habe Reggae gemacht, Oldschool, Dance Hall, Ska und HipHop, all diese verschiedenen Arten von Musik. Ich mache auch jetzt noch einige Sachen neben THE HAUNTED.

Warum hast du THE HAUNTED eigentlich nach dem ersten Album verlassen?

Das ist eine ziemlich alte Geschichte. Ich verließ die Band aus vielen verschiedenen Gründen. Warum ich sie verlassen habe, spielt heute keine wirkliche Rolle mehr, denn ich bin zurück und das ist das, was zählt.

Und warum bist du dann für "Revolver" zur Band zurückgekehrt?

Weil die Band mich angerufen und gefragt hat. Und außerdem ist es ein tolles Gefühl, Mitglied bei THE HAUNTED zu sein. Dort kommen sehr respekt- und hingebungsvolle Menschen zusammen. Menschen, die kommunizieren wollen und den Wunsch haben, etwas Außergewöhnliches zu kreieren. Jeder in der Band ist sehr ehrlich. Es gibt so viele Leute in derartigen Zusammenhängen, deren Ego größer ist als ihr Gehirn. Ich glaube, es ist wichtig, so etwas klein zu halten, sich davon zu entfernen, weil du als Gruppe zusammen arbeitest und nicht du als Einzelperson. Und damit alles gut funktioniert, du Spaß haben kannst und das Beste herausholst, ist es sehr wichtig, dass du ehrlich zu dir selbst als Individuum bist und dass du offen reden kannst. Und dass du alle Leute in der Band respektierst. Praktizierter Anarchismus! Das trifft es so ziemlich.

Was ist nach "Revolver" passiert? Für mich gibt es da einen Bruch, ihr seid nicht mehr so schnell, die Songs sind sphärischer, heavier und düsterer geworden. Ist das eine rein musikalische Entwicklung oder gibt es dafür andere Gründe?

Es ist nichts Besonderes passiert. Wir touren seit Anfang der 90er Jahre, mit den unterschiedlichsten Bands, das wirkt sich auf dein Leben aus und es verändert dich definitiv. Weil du so viel erfährst, so viele Sachen siehst und so viele verschiede Leute triffst. Ich glaube, entweder macht es dich tiefgründiger oder es bringt dich um. Ich denke, wir haben irgendwie angefangen, verschiedene neue Aspekte in unserer Musik zu finden, die wir versuchen, in den originären Stil von THE HAUNTED mit einzubeziehen. Und ich glaube, wir machen einen ziemlich guten Job. Wir arbeiten daran, verschiedene Wege zu finden, um extrem harte Musik zu spielen. Grundsätzlich sind wir eine Live-Band. Es ist natürlich gut, wenn die Leute unsere Songs von der Platte kennen und ökonomisch gesehen ist es wichtig, wenn die Leute unsere Platten kaufen, denn dann haben wir irgendwann genug Geld zusammen, um die nächste Platte aufzunehmen. Aber die Basis von THE HAUNTED ist die Live-Intensität. Es wäre etwas anderes, wenn wir METALLICA wären, aber das sind wir nicht! Grundsätzlich sind wir eher wie FUGAZI mit einem kleinen Plattenlabel, das uns hilft. Wir machen im Grunde nach wie vor alles selbst, beispielsweise bin ich auch immer am Artwork der Platten beteiligt.

Wie arbeiten THE HAUNTED? Ihr lebt nicht an einem Ort, also werdet ihr wahrscheinlich nicht zweimal die Woche proben.

Nein, es sei denn wir machen eine neue Platte. Dann sind wir schon einige Wochen zusammen. Davor, im Entstehungsprozess der Songs, sind wir aber auch schon in engem Kontakt. Wir telefonieren, senden uns E-Mails mit Links, kurzen Songideen, Textauszügen, holen die Meinungen der anderen ein. Außerdem haben wir immer wieder Kontakt, wenn wir uns neue Musik oder ein gutes neues Buch empfehlen wollen ... Ehrlich gesagt, kenne ich die Jungs besser, auf einem viel tiefer gehenden Level als zum Beispiel meine Ex-Frau, haha. Stell dir das vor, mit ihr habe ich zwölf Jahre meines Lebens verbracht, sie ist mein "offizieller bester Freund" - aber wenn ich mir das so anschaue, merke ich, dass ich die qualitativ wertvollere Zeit mit den Jungs aus der Band verbracht habe, weil wir so viel getourt sind. Wenn ich ehrlich bin, habe ich sogar viel mehr Zeit mit der Band als mit meinen eigenen Kindern verbracht.

Wer kam beim neuen Album "Versus" eigentlich auf die Idee, es live einzuspielen?

Wir hatten mal eine Anfrage von einem schwedischen Radio-Rock-Sender, der immer Live-Sessions in seinem Studio macht, jede Woche. Es war eine echte Herausforderung für uns und wir dachten, das sei schon ziemlich cool, also sollten wir es tun. Weißt du, auch wenn wir richtig harte Musik spielen, ist es tatsächlich sehr tanzbar. Und das spürten wir bei dieser Session, der Groove war enorm. Und wir dachten uns: "Verdammt, wenn das so gut rüberkommt, warum nehmen wir die Platte im Studio nicht genauso auf?" In einer Woche haben die vier alle Tracks aufgenommen. Ich habe dann anschließend den Gesang aufgenommen, das war natürlich komfortabel für mich. Wir hatten bis jetzt immer etwas kalte Füße, wenn wir nach einiger Zeit und den Touren unsere Platten hörten, weil es immer so sehr viel anders klingt als live. Es hat auf Platte einfach nicht die Power, die wir live haben. Wir dachten immer: "Verdammt, was läuft da falsch, was ist so anders?" Ich meine, wir mögen unsere Platten, aber das fiel uns auf.

Es ist auf jeden Fall beachtlich, dass die Scheibe live eingespielt wurde. Absolut auf den Punkt und, wie du bereits erwähnt hast, sehr groovy. Die Platte ist direkter als "The Dead Eye", mit kürzeren Songs, die sich auf das Wesentliche konzentrieren.

Ja, das ist genau das, worüber wir als Band nach "The Dead Eye" gesprochen haben. Wir haben uns angesehen, wie unser Live-Set aufgebaut ist. Wir spielen da Songs von eigentlich allen Platten, haben aber dann noch mal genau geschaut, welche das sind und warum wir ausgerechnet die spielen. Wir haben festgestellt, dass wir sie spielen, weil sie ein bestimmtes Gefühl vermitteln. Und sie funktionieren sehr gut live. Und da dachten wir uns, wir sollten ein Album mit Songs machen, die insbesondere live funktionieren. Und genau das haben wir versucht.

Tourt ihr denn konstant zwischen euren Alben?

Nein, normalerweise spielen wir so etwa 150 Shows pro Album. Das bringt uns dann das Geld, welches wir benötigen, um unsere Rechnungen zu bezahlen. Einer der Gründe, warum wir damals angefangen haben, Musik zu machen, war nicht der, dass wir die Musik so lieben, sondern weil wir alle nicht viel Spaß an der Idee hatten, einen "normalen" Job machen zu müssen. Ich denke, du weißt, was ich meine, haha ...

Ich nehme an, ihr habt da eine Mischung aus großen Shows kombiniert mit kleinen Clubs am Start, oder?

Exakt. Damit sind wir sehr glücklich und es ist auch einer der Gründe, warum die Band überlebt hat. Wir hatten so viele beschissene Shows: "Okay, da sind vier Leute und ein Hund und diese alte Frau, die nichts hören kann, aber sie lächelt sehr viel ..." Wie gesagt, wir hatten viele solcher Shows, aber wir haben überall auf der Welt gespielt. Manche Shows sind wirklich groß, aber wir spielen immer noch in Clubs vor 100 Leuten und das ist cool. Wir genießen, was wir tun, wir haben tolle Fans, die wissen, dass wir Menschen wie sie sind, und dass wir mit Hingabe das machen, was THE HAUNTED beinhaltet. Es ist in etwa so wie: die ROLLINS BAND trifft FUGAZI trifft SLAYER, plus EXODUS, dann hast du es! Also all das gute Zeug, haha. Wir wollen, dass eine Live-Show eine Explosion wird. Das ist es, was wir an der Musik lieben und wie wir sie darstellen wollen. Es ist halt nicht dieses "Rockstar-Ding" - und das ist gut so, denn ich möchte kein Rockstar sein ...

Lebt ihr denn von der Band?

Ja, so gerade eben. Aber wir sind nicht reich oder legen viel Geld zur Seite. Wahrscheinlich verdienen wir unter dem Strich weniger als eine Krankenschwester oder jemand, der in einem Restaurant den Kaffee ausschenkt.

Kannst du noch was zu den Texten sagen? Wie kommen Texte und Musik zusammen?

Ich würde sagen, sie sind ziemlich offen in alle Richtungen, aber auch sehr direkt. Ich bin sehr glücklich mit den Texten dieses Mal. Normalerweise entstehen die Texte unabhängig von der Musik. Mir fallen viele Dinge ein, über die ich reden oder die ich ausdrücken möchte. Wenn ich dann die Musik höre, weiß ich meist ziemlich schnell, welcher Text zu welchem Song passt, ich erkenne das Gefühl hinter der Musik. Meistens benutze ich meine Worte, um Bilder zu erzeugen, die nachvollziehbar sind. Meine Emotionen sind meistens die Motivation und die Antriebskraft für die Texte, man könnte also sagen, wir machen so was wie Emo-Metal, hahaha! Erzähl das bloß niemandem, der wirklich Emo ist oder Emo hört, haha.