BRONX

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Grenzgänger

Die Überschrift dieses Interviews lässt sich wohl am ehesten mit ein paar Zeilen aus „Knifeman“ erklären: „Out here on the border line, you’ve got to hold it together / You’ve been deprived of dedication / You’ve been condemned by your dreams / And out here on the border line, it feels a lot like forever / We’ll all be damned if this machine turns life into routine“. Wem das nicht reicht, dem könnte man noch „Look at us now, look at the sky / We told ourselves to fly“ hinterherwerfen, übrigens ebenfalls aus einem Lied des neuen THE BRONX-Albums. Um ehrlich zu sein, das dritte Album der Band aus Los Angeles ist voll von solch scheinbaren Plattitüden, die sich im Zusammenhang mit der Musik dann aber doch als recht brauchbar erweisen. Die inzwischen auf fünf Musiker angewachsene Formation wusste schon immer, wie man – irgendwo abseits der gängigen Klischees – Eindruck schindet. Etwaige Erwartungen werden mit der nötigen Intensität weggewischt und wem das nicht gefällt, der hat eben Pech gehabt. Wer hingegen am Ball bleibt, wird gleich mit zwei neuen Alben belohnt. Und ja, die Band hat ihr Versprechen gehalten, neben dem erneut selbstbetitelten Album Nummer drei wird es auch eine Scheibe unter dem Banner MARIACHI EL BRONX geben. Als die Band Ende Oktober im Kölner Underground ihre einzige Deutschlandshow spielte, hatte ich Gelegenheit, mich ein wenig mit Sänger Matt und dem Gitarristen Joby zu unterhalten, die nebenbei beide auch bei den nicht minder genialen THE DRIPS tätig sind. Und trotz extremer Müdigkeit waren beide, nach ein paar herzhaften Gähnern, äußerst auskunftsfreudig ...

Wie geht es euch? Es muss ja ein recht intensiver Sommer gewesen sein.


Matt: Es war unglaublich, irgendwie so eine Art Wirbelsturm. Auf Tour kommt man früher oder später an einen Punkt, wo man einfach durchdreht, und ich denke, diesen Punkt haben wir erreicht. Wir sind schon eine Weile unterwegs und waren nur ab und zu für ein paar gefühlte Sekunden zu Hause. Insgesamt sind es so viele verschiedene Städte und Länder, alles vermischt sich zu einem riesigen verrückten Cocktail. Abgesehen davon, haben wir zwei verschiedene Alben aufgenommen, ich weiß gar nicht, ob ich momentan hier sitze. Wahrscheinlich sprichst du gerade mit meinem Geist.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, Mariachi-Musik zu spielen?

Matt: Wir sind nun mal eine Band aus Los Angeles, ich bin dort geboren und aufgewachsen mit einem Haufen mexikanischer Freunde. Als Teil ihrer Kultur habe ich also schon immer eine Menge an mexikanischer Musik mitbekommen. Wir haben dann vor zwei Jahren ein Akustik-Set für fuel.tv aufgenommen, welches in Richtung Mariachi ging. Irgendwie hat das innerhalb der Band wohl etwas ausgelöst. Wenn andere Bands sagen, sie würden jetzt etwas Neues oder Anderes ausprobieren, geht es meistens nur um zehn bis zwanzig Prozent nach links oder rechts. Wir wollten etwas wirklich Entgegengesetztes machen, ich denke, das haben wir geschafft. Es hat sich auf jeden Fall gelohnt, wir sind alle verdammt stolz auf das Album.

Wann wart ihr selbstsicher genug, um ein ganzes Album in diesem Stil aufzunehmen?

Joby: Wahrscheinlich seit wir mit Brad einen neuen Bassisten in der Band haben, der zusätzlich Trompete spielt. Außerdem haben wir mit Vincent jemanden gefunden, der Guitarrón spielen kann. Vorher haben wir es nicht geschafft, der ganzen Sache eine Richtung zu geben, aber mit den beiden haben wir nach und nach unseren Platz gefunden, als weiße Typen Mariachi-Musik spielen.

Kommen wir von „El Bronx“ zu THE BRONX: Wie würdet ihr die Reise von eurem letzten Album zum neuen beschreiben?

Matt: Nun ja, zumindest war es eine sehr lange Reise. Unser zweites Album ist, was es ist, und ich bin sehr stolz darauf, aber es war schon ein Kulturschock für uns. Wir haben das Teil über Island Records veröffentlicht, und es, als es fertig war, aus den Händen gegeben. Letztlich war es schon ein bisschen enttäuschend, wie wenig daraus gemacht wurde. Dieses Mal haben wir uns ein eigenes Studio aufgebaut, es passiert alles unter unserer Kontrolle, ohne das von außen jemand reinquatscht. Es war erstmals möglich, alles etwas ruhiger anzugehen. Es ist gut zu wissen, dass wir für die Zukunft gerüstet sind. Wenn wir irgendwann mit dem Touren fertig sind, können wir ohne weiteres nach Hause gehen und neue Sachen aufnehmen. Ehrlich gesagt, kann ich es kaum abwarten, zurück im Studio zu sein und mehr großartige Musik rauszuhauen. Ich denke, das hört man auch der neuen Scheibe an, es ist, als feierten wir ...

Joby: ... eine sehr, sehr lange Reise.

Habt ihr wieder alles live eingespielt? Wer hat das Ding produziert?

Matt: Die Jungs haben das meiste live eingespielt, mein Gesang wurde dann hinterher separat aufgenommen. Leider fehlt in unserem Studio die Möglichkeit, alles auf einmal zu machen.

Joby: Dave Shiffman hat uns hier und da ein wenig als Tontechniker geholfen, bei den Dingen, von denen wir nicht wirklich Ahnung hatten. Aber alles in allem würde ich es schon als eine BRONX-Produktion verstehen.

Ihr spielt schon eine Weile in verschiedenen Bands, hat sich die Art und Weise, sich mit neuer Musik zu beschäftigen, dadurch geändert?

Joby: Ja klar, aber wir sind immer noch alle selber Fans. Ich finde es nach wie vor aufregend, mir neue Platten aufzulegen. Es ist schon komisch, wenn Leute behaupten, es gäbe nichts mehr zu entdecken und das alles schon mal da war. Besonders durch das Internet gibt es so viele Gelegenheiten, Neues zu finden. Es wird immer Menschen geben, die interessante Musik aufnehmen und ihr eigenes Ding durchziehen. Ich denke, das ist auch der Grund, warum wir selber noch immer Musik machen.

Könnt ihr euch an den Moment erinnern, als euch Musik das erste Mal aus den Socken gehauen hat?

Joby: Es war ein Song aus der Plattensammlung meiner Eltern, die Band hieß SWEET COMFORT, halt so Discozeug. Ich war noch ziemlich klein, aber es war definitiv das erste Mal, dass ich Groove gefühlt habe. Dieses unerklärliche Gefühl, dass dich Musik etwas machen lässt, ohne dass du weißt warum. Ob man sich nun auszieht, tanzt oder irgendwo gegenhaut, Musik hat eine Kraft, die man nicht leugnen kann. Sie beeinflusst unsere Gefühle und Gedanken Tag für Tag. Einige meiner frühesten Erinnerungen drehen sich um Emotionen, die von Musik ausgelöst worden sind. Zuletzt hat mich übrigens „Electric feel“ von MGMT sehr begeistert. Ich liebe diesen Song.

Es gibt Menschen, für die Musik der Schritt von der Natur zur Kultur ist. Angenommen, wir gehen zurück: Wo fänden wir THE BRONX?

Matt: Äähhh ... Wenn man die Steinzeit in das Weltall verfrachten könnte, hätten wir schon mal einen Ansatz. Ich meine, wir sind schon sehr weit draußen, aber auf der anderen Seite haben wir auch etwas von Höhlenmenschen. Aber nicht mit Dinosauriern und so, sondern halt wirklich eher im Weltraum.

Wird es irgendwann ein zweites THE DRIPS-Album geben?

Joby: Ja, es ist sogar schon einiges an Material vorhanden, von dem ich glaube, dass es gut ist. Ich denke nicht, dass wir länger als eine Woche bräuchten, um diese Ideen umzusetzen. Leider sind wir fünf alle mit so vielen verschiedenen Sachen beschäftigt, dass es bis jetzt noch nicht dazu gekommen ist. Aber Lust haben wir auf jeden Fall. Ich selbst kann es kaum erwarten, wieder mit diesen Typen Musik zu machen. Das DRIPS-Album ist definitiv eine der besten Sachen, an denen ich bis jetzt beteiligt gewesen bin.

Matt, wie hat sich deine Herangehensweise an Texte seit dem ersten Album verändert?

Matt: Ich bin besser darin geworden zu verstecken, wie persönlich alle Texte im Endeffekt sind. Auch mit Metaphern kann ich inzwischen besser umgehen, was wichtig ist, weil ich es nicht schaffe, Sachen zu schreiben, die nichts mit mir zu tun haben. Es soll sich nicht alles gleich anhören, also bin ich dazu gezwungen, meinen direkten Einfluss zu verbergen. Aber nach wie vor dreht es sich inhaltlich um mich und meinen Platz in dieser Welt, anders würde es nicht funktionieren. Es würde sich während des Singens nicht richtig anfühlen. Das große Geheimnis ist: es geht hier nur um mich.

Joby, du kümmerst dich um das ganze Artwork. Wie steht es mit anderen Bands?

Joby: Die letzten sechs oder sieben Jahre habe ich eine Menge Albumcover entworfen. Ich habe für verschiedene Bands und Labels gearbeitet, was mir sehr viel Spaß bereitet hat. Teilweise kannte ich die Musik vorher gar nicht, aber ich konnte auch mit ein paar Idolen von mir zusammen arbeiten. Beispielsweise hab ich ein paar Sachen für Paul Westerberg gemacht, ihn zu treffen, war für mich wirklich etwas Besonderes.

Gibt es für dich einen Zusammenhang zwischen simplen, aber effektiven Artworks und simpler, aber effektiver Musik?

Joby: Absolut. Die Cover, welche ich für uns mache, sehen für mich so aus, wie sich unsere Musik anhört. Das versuche ich auch hinzubekommen, wenn ich etwas für andere Bands entwerfe. Es geht darum, die jeweilige Musik zu visualisieren, deswegen höre ich mir die Sachen vorher immer an. Es sollte da einen Zusammenhang geben.

Eine letzte Frage. Hat euer ehemaliger Bassist James die Band verlassen oder wurde er rausgeschmissen?

Matt: Er hat die Band verlassen. Es war nicht einfach, es gibt aber keineswegs böses Blut. James ist einfach aus dem ganzen Prozess des Tourens herausgewachsen. Es ist schon ziemlich intensiv, wenn man nach einer Tour nach Hause kommt und sich sein Leben wieder zusammensuchen muss. Ich denke, James hatte genug davon und wollte etwas anderes machen.