OFF WITH THEIR HEADS

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Aus tiefstem Herzen

Trotz des riesigen Wusts an Veröffentlichungen gibt es sie noch: Bands, die aus dem vermeintlichen Nichts kommend einen mit ihrem ersten Album komplett umhauen. Gut, ganz so unbekannt waren OFF WITH THEIR HEADS jetzt nicht, schließlich hat die Gruppe aus Minneapolis es vor der Veröffentlichung ihres Debüts „From The Bottom“ schon auf ein stattliches Dutzend Singles gebracht. Aber jetzt mal ganz ehrlich – wer hatte die Band und ihre mitreißend tristen Punk-Hymnen anno 2008 wirklich auf dem Zettel? Damit sich das möglichst rasch ändert, sollte zur ersten Europatour ein Gespräch mit Sänger und Gitarrist Ryan Young Abhilfe schaffen.

Ryan, erzähl doch kurz mal was zum Werdegang der Band.


OFF WITH THEIR HEADS gibt es seit Dezember 2002. Von dieser ersten Besetzung ist außer mir heute nur noch Drummer Justin Francis übrig, der damals noch am Bass war. Seitdem haben wir zwanzig Tourneen gespielt, leider immer wieder mit anderen Leuten, da die meisten nach kurzer Zeit wieder aufhörten. Bis jetzt hat die Band sage und schreibe fünfzehn Mitglieder verschlungen. Paddy von DILLINGER FOUR gehört übrigens nicht zur Band, obwohl das in jedem zweiten Artikel steht. Er ist nur für eine Tour mal kurzerhand eingesprungen. Mittlerweile haben wir ein relativ stabiles Line-up, wozu insgesamt sechs Leute gehören. Nate Ganglehoff, der eigentliche Bassist, kommt nie mit auf Tour, da er einen ziemlich guten Job hat und die zwei Wochen, die er im Jahr Urlaub hat, mit seiner anderen Band BANNER PILOT unterwegs sein will. Er ist außerdem als Autor tätig und hat gerade das Buch „You Idiot“ veröffentlicht, das seine bisher in verschiedenen Magazinen erschienenen Artikel zusammenfasst.

Warum hat es so lange gedauert, bis ihr endlich ein Album aufgenommen habt?

Weil wir immer wieder Singles aufgenommen haben, haha! Es war immer einfacher und schneller, eine Single einzuspielen. Dass daraus mal ein Dutzend 7“s wurde, war so natürlich nicht geplant. Ich habe selbst nicht alle Singles. Um die Suche zu erleichtern, hat No Idea einige der Songs letztens noch mal gesammelt als Compilation „All Things Move Toward Their End“ veröffentlicht. Geplant ist ein zweiter Teil, damit die Songs dann wirklich alle erhältlich sind.

Wie seid ihr zu No Idea gekommen?

Ich habe sie einfach angerufen und gefragt! Wir sprachen damals mit unserem Freund Dave, der bei GRABASS CHARLESTONS spielt und beim Label arbeitet, und der schlug diesen Weg vor. Also rief ich Labelchef Var an und die Sache war gegessen.

Ich habe aber auch den Eindruck, dass ihr auch ganz gut zusammenpasst.

Das stimmt. Eben weil die No Idea-Betreiber einfach ganz normale Leute sind, die an der Musik interessiert sind und nicht am Profit ...

... weswegen ihr „From The Bottom“ vermutlich auch in drei Tagen eingespielt habt.

Ja, so ungefähr. Dafür ist das Album aber wirklich gut geworden. Jaques Wait, der Produzent, hat uns die Songs genau dreimal durchspielen lassen und dann alles zusammengebastelt. Er hat eine Menge Erfahrung und schon mit DILLINGER FOUR oder JIMMY EAT WORLD am Anfang ihrer Karriere gearbeitet. Im Nachhinein hätte ich gerne mehr Zeit für die Ausarbeitung der Texte gehabt, da ich an manchen Stellen etwas improvisiere, aber wahrscheinlich hört das außer mir sowieso niemand.

No Idea ließ verlauten, dass ihr bereits das nächste Album komplett eingespielt hättet. Stimmt das?

Nein, das ist Unsinn. Wir haben die Hälfte der Songs soweit fertig, aber noch nichts aufgenommen. Ich habe keinen blassen Schimmer, wo die das herhaben.

Könntest du dir denn vorstellen, es bei ihnen zu veröffentlichen?

Wenn ich so über Labels nachdenke, fällt mir keins ein, von dem ich nicht irgendetwas Komisches gehört habe. No Idea ist wahrscheinlich das unkomplizierteste Label überhaupt und mit dem es am wenigsten Ärger gibt. Sie kümmern sich um den Merchandise, geben uns das Geld, das wir brauchen, kommen für den Bus auf, wenn er kaputt geht. Mehr können wir eigentlich nicht verlangen. Es gibt im Moment also keinen Grund, woanders anzuheuern. Unsere Freunde von DILLINGER FOUR sind mit Fat Wreck sehr zufrieden und ich verstand mich mit Fat Mike eigentlich auch immer ganz gut. Nachdem ich eines der LAWRENCE ARMS-Mitglieder in volltrunkenem Zustand jedoch mal mit meiner Gitarre attackierte, ist das Thema aber wohl erst mal erledigt.

Worauf bezieht sich der Albumtitel „From The Bottom“?

Der Titel stammt aus einer Zeile des letzten Liedes „I hope you know“, das ich in Gedenken an einen verstorbenen Freund geschrieben habe, mit dem ich vor OWTH eine Band hatte. Irgendwann erreichten wir den Punkt, dass wir nicht mehr so gut auskamen und lösten die Band auf. Er litt damals schon an einer seltenen Lungenkrankheit, woran er schließlich starb, während ich gerade mit OWTH auf Tour war. Ich konnte mich leider nicht mehr von ihm verabschieden, weshalb dieses Album an ihn gerichtet ist, etwas, das „from the bottom of my heart“, also aus tiefstem Herzen kommt.

Viele deiner Texte auf dem Album haben einen ehrlichen, aber bitteren Beigeschmack. Schreibst du stets über eigene Erfahrungen?

Jeder Song ist wahr und dreht sich um irgendwas, was mir wirklich passiert ist. Alle denken immer, dass ich wahrscheinlich ein ziemlich depressiver Zeitgenosse sein müsse. Für mich ist das Schreiben von Songs aber eher eine Art und Weise bestimmte Dinge, die mich bewegen, zu verarbeiten. Und das sind eben häufig eher traurige Geschichten.

Die Texte der EP „Hospitals“ aus dem Jahr 2005 handeln fast ausschließlich vom Thema Drogen. Hattest du mal Schwierigkeiten damit?

Als ich die Songs schrieb, war gerade meine Stiefmutter gestorben, was mir den Boden unter Füßen wegriss. Ich konnte den Verlust lange Zeit nicht verkraften und nahm so viele Drogen, dass ich am Ende dabei fast draufgegangen wäre. Mittlerweile habe ich mit dem Thema aber komplett abgeschlossen, was schon komisch ist, denn wo wir auch hinkommen, meinen die Kids aufgrund genau dieser Texte, dass wir die ganze Nacht Party machen und Sachen einschmeißen.

Letztes Jahr seid ihr in Japan auf Tour gewesen. Wie lief es dort?

Die Japaner sind allesamt sehr freundlich und zuvorkommend. Sie freuen sich einen Ast ab, dass eine amerikanische Band ausgerechnet in ihrer Stadt ein Konzert gibt. Dementsprechend gehen sie dann auch ab auf den Shows.

Du warst aber nicht mit allem zufrieden, was in Japan passierte. Was war da los?

Es gibt in Japan verschiedene Szenen, die stark von den Leuten abhängig sind, welche die Konzerte organisieren. Snuffy Smiles, unsere Booking-Agentur vor Ort, hat eine ganz eigene Oldschool-Philosophie in Sachen Punk. Sie greift zum Beispiel nicht auf das Medium Internet zurück, um ein Konzert anzukündigen, was natürlich total kontraproduktiv ist, wenn man als unbekannte Band in einem fremden Land Konzerte gibt. Außerdem kommt natürlich nur eine ganz bestimmte Klientel zu den Shows, was uns ziemlich genervt hat, da wir jeden, egal aus welcher Szene und Schicht, bei uns willkommen heißen. Das Verhältnis zu Yoishi, unserem Fahrer, war dementsprechend unterkühlt. Wie er uns später schriftlich mitteilte, hat er uns sogar richtig gehasst, was okay ist. Dass er uns das erst nach der Tour in Form eines Briefes mitteilte, den uns einer seiner Freunde übergab, entsprach aber nicht gerade unseren Vorstellungen, wie man mit zwischenmenschlichen Problemen umgehen sollte.