SPARKS

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Die Könige der Popmusik

Seit 38 Jahren sind Ron und Russell Mael eine extrem seltsame Konstante des Pop-Biz: Hier und da ist ihnen mal ein Hit rausgerutscht (remember „This town ain’t big enough for both of us“ oder „When do I get to sing ‚My Way‘“?), aber den Rest der Zeit waren sie damit beschäftigt, die unglaublichsten Vokalpassagen (Russells Falsett-Gesang ist zu Recht legendär) mit Rons musikalischen Eskapaden zwischen BEACH BOYS und Phil Spector zu kombinieren, sich permanent neu zu erfinden, meist zwischen den Stühlen zu landen, und dabei eine Kreativität an den Tag zu legen, die immer wieder dazu verleitet, die Worte Genie und Wahnsinn miteinander in Beziehung setzen. Mit „Exotic Creatures Of The Dark“ ist jüngst das 21. Album der Kalifornier erschienen, ein nahezu unbeschreibliches Meisterwerk voller cheesy Bombast und ergreifenden Streicherparts, wundervollen Pop-Melodien und textlichen Geniestreichen (siehe „Let the monkey drive“, „Good morning“  oder „Lighten up, Morrissey“), ein Album, das mir den Glauben zurückgegeben hat, dass die Pop-Musik noch nicht am Ende ihres evolutionären Zyklus angelangt ist. Und ich bin mir nach der Interviewbegegnung mit den Maels immer noch nicht sicher, ob die beiden Herren Ende 50 wirklich von diesem Planeten stammen – wenn doch, dann aus einem tiefen, dunklen Ozean.

Ihr beide könntet vom Alter her die Väter der Leser unseres Heftes wie auch der meisten darin vertretenen Bands sein, ihr macht seit über 40 Jahren Musik. Was für einen Rat würdet ihr einer jungen Band geben, damit auch die noch in 30, 40 Jahren aktiv sein kann?


Ron: Ich glaube, heute hat man es Band sehr viel schwerer, weshalb ich wohl niemandem überhaupt raten würde, eine Band zu gründen. Wir hatten seinerzeit einfach Glück, wir waren, anders als Bands heute, nicht auf sofortigen Erfolg angewiesen. Da sich die Zeiten aber so verändert haben, kann ich mit einem Rat nicht helfen. Wir konnten damals einfach machen, was wir wollte, brauchten uns nicht darum zu kümmern, was jemand von uns hält. Deshalb kann ich also nicht mehr sagen als „Viel Glück!“.

Und inwiefern haben sich für euch als Band die Bedingungen verändert, inwiefern habt ihr es heute schwerer als früher?

Russell: Heute gibt es ja kaum noch Plattenläden, so dass man als Band etwas schafft, dass man aber kaum noch irgendwo kaufen kann. Und die Musikindustrie, wie wir sie einmal kannten, existiert auch nicht mehr, die Plattenfirmen wissen nicht, wie sie mit der gegenwärtigen Situation umgehen sollen – mit der Download-Problematik, mit dem Desinteresse an Musik generell, mit all den Ablenkungen, die heute existieren und die Menschen von der Musik entfernt haben. Das System hat sich völlig verändert, Musik ist heute nicht mehr die relevante Kraft, die sie mal war. Die Menschen haben sich andere Ablenkungen gesucht, sie gehen nicht mehr in Plattenläden, sondern online, und geben sich mit einer technisch schlechteren Version dessen zufrieden, geben sich mit einem Teil dessen zufrieden, was wir als ganzes Paket geschaffen haben.

Die Prioritäten haben sich wohl verändert: Was vor zehn oder zwanzig Jahren noch wichtig war, ist heute nicht mehr wichtig, ein gutes Handy und ein schneller Internetzugang sind von mehr Bedeutung als einen physischen Tonträger in der Hand zu halten.

Ron: Ja, und es sind wohl Livekonzerte, die wieder an Bedeutung gewonnen haben, denn die kann man nicht hin- und hertauschen wie digitale Daten. Für mich persönlich allerdings ist das anders, ich mag es, etwas in der Hand zu halten, da bin ich altmodisch. Und so ist für viele Leute das einzige, was man sich nicht umsonst besorgen kann, ein Livekonzert. Früher war das Album das wichtigste, dann gab man noch ein paar Konzerte, doch heute ist es genau andersherum. Und das wird sich noch verstärken: Die Liveshow ist das zentrale Element, die Studioaufnahmen sind nur noch eine Art Souvenir.

Und wie geht ihr mit diesen Veränderungen um?

Ron: Nun, das mag jetzt banal klingen, aber die Verpackung eines Albums ist heute wichtiger denn je, denn es muss ja einen wichtigeren Grund für den Kauf des Albums geben als nur die Musik. Deshalb überlegen wir uns genau, wie wir dieses Objekt gestalten. Außerdem haben wir versucht, das Interesse an unseren Konzerten zu verstärken, in dem wir den Leuten etwas wirklich besonderes bieten, dass da nicht nur jukeboxmäßig die alten Lieder abgespult werden.

Darunter fällt dann wohl auch, wie ihr im Mai/Juni 2008 in London an 21 Abenden im Rahmen des „Sparks Spectacular“-Events der Reihe nach eure 21 Alben aufgeführt habt. Das muss sich für einen Musiker ja anfühlen wie ein Marathonlauf ...

Russell: Ja, genau das war es. Wir hatten überlegt, mit was für einer Art von Event wir auf unser nagelneues Album aufmerksam machen könnten, ein Album, das uns sehr wichtig ist, von dem wir wollen, dass es gehört wird, in Zeiten, da die Musikindustrie kämpfen muss. Und da suchten wir nach einer Idee, die keine andere Band bislang umsetzen konnte oder wollte, die so verrückt ist wie alle seine 21 Alben live von Anfang bis Ende zu spielen, und am Schluss die Premiere des neuen Albums. Wir sind wirklich stolz darauf, da was gemacht zu haben, was vor uns noch niemand anderes auf sich genommen hat. Das war ja auch wirklich harte Arbeit.

Also bei den ROLLING STONES könnte ich mir das nicht vorstellen ...

Russell: Das werden die auch nie machen, das garantiere ich dir. Sollte es doch dazu kommen, wäre ich bei „Their Satanic Majesties Request“ der erste in der Schlange.

Und, habt ihr es mit eurem Marathon-Konzert ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft?

Russell: Wir haben es versucht, aber wir hatten zwischendurch zwei Abende Pause gemacht, und das hat uns wohl disqualifiziert.

Und wie habt ihr es überhaupt geschafft, euch nach all den Jahren noch an alle eure Songs zu erinnern?

Ron: Damit fingen die Probleme ja schon an ... Die allermeisten Lieder haben wir ja nie live gespielt, und darüberhinaus hatten wir unsere alten Platten auch schon lange nicht mehr angehört – wir hatten nur immer wieder ein paar alte Songs für Konzerte ausgewählt. Zuerst also mussten wir uns mit Liedern vertraut machen, die wir seit bis zu 30 Jahren nicht mehr gehört hatten, und dann auch noch lernen, diese wieder zu spielen. Das war also schon eine anspruchsvolle Aufgabe, und dazu kommt noch, dass viele dieser Lieder nie dafür gedacht waren, live gespielt zu werden, das waren einfach Studiowerke. Wir haben versucht, nahe an den Arrangements der Alben dranzubleiben, aber andererseits sollte die Live-Performance ja auch nicht zu statisch rüberkommen. Wir blieben aber den Arrangements treu, erweiterten die Lieder nicht, fügten keine neuen Teile ein oder so. Das war also eine ziemlich vertrackte Herausforderung, aber wir hatten eine gute Band, die es schaffte, die originalen Drum-, Gitarren- und Bass-Sounds nachzuspielen,die seinerzeit ziemlich stilisiert waren. Und dann schaffte Russell es auch noch, die Lieder in den damaligen Tonlagen zu singen, was wirklich eine Leistung war, denn als Sänger muss man normalerweise mit dem Alter in tiefere Tonlagen wechseln.

Ich höre heraus, dass ihr wirklich stolz seid auf diese Leistung.

Russell: Oh ja!

Ron: Und wir werden sie sicher nie wiederholen.

Russell: Ich glaube, so manche unserer Fans, die nach London gekommen waren, waren wirklich schockiert, dass wir das durchgezogen haben. Wenn man mal verstanden hatte, was wir da vorhatten, kam ja automatisch Frage nach, ob wir das wohl gut machen würden. Letztlich war aber wohl jeder angenehm überrascht.

Gab es da in der Vorbereitung der Konzerte auch Momente, wo ihr über euch selbst erstaunt wart, etwa im Sinne von „Ich kann gar nicht glauben, wie genial wir damals waren!“ oder „Oh nein, das haben wir gemacht?“?

Russell: Haha, ehrlich gesagt, es waren mehr Reaktionen der ersteren Sorte: „Mann, wir sind echt Genies!“ oder „Puh, wir sind wirklich ziemlich gut!“, hahahaha.

Ron: Wir haben ein paar Alben, von denen wir dachten, die seien etwas weniger gut als andere und die wir deshalb über die Jahre immer etwas unbeachtet gelassen hatten. Doch als wir dann anfingen, sie einzuüben, hatten wir eher den Eindruck, dass die Songs zwar gut sind, wir aber seinerzeit mit der Studioarbeit nicht zufrieden waren. Wir merkten etwa bei „Introducing Sparks“, einem Album, das von der Kritik kaum mal irgendwo erwähnt wird, dass es live, mit einer Band gespielt, wirklich starke Songs enthält. Wir sahen unser Werk bis zu diesem Moment als eines mit Höhen und Tiefen, doch rückblickend, als wir die 250 Lieder live gespielt hatten, stellten wir fest, dass die Lieder alle ihre gleichberechtigte Bedeutung haben. Etwa unsere ersten beiden Alben, die sowohl textlich wie musikalisch recht sophisticated sind: Bei vielen Bands sagt man ja, dass sie sich über die Jahre erst entwickeln, aber wir gewannen den Eindruck, dass wir mit denen schon das Level erreicht hatten, das wir erreichen wollten.

Seitdem stagniert ihr also auf sehr hohem Niveau.

Russell: Genau: Wir wurden schon vollkommen perfekt geboren.

Ron: Wir haben uns über die Jahre natürlich stilistisch verändert, aber dieses bestimmte Gespür für die Musik war von Anfang an vorhanden. In unserer Vorstellung hatten unsere Alben zwar immer ein paar gute Songs, aber auch welche, bei denen man weiterskipt: Bis Song 6 passt alles, dann drückst du weiter ... Aber als wir die Alben einstudierten, stellten wir fest, dass die, na ja, weniger kommerziellen Songs, die man eher weiter hinten versteckt, musikalisch wirklich stark sind. Die waren für uns und auch die Konzertbesucher ein besonderes Vergnügen.

Nachdem wir schon über Genie geredet haben, müssen wir auch passend dazu über den Wahnsinn reden. Machen die beiden Begriffe bei euch in Kombination Sinn?

Ron: Klar, unser Tun hat sicher was mit „madness“ zu tun. Wenn eine Band 21 Alben macht und immer davon besessen ist, ihr musikalisches Level zu halten, nicht nur als Band mit einem gewissen nostalgischen Wert gesehen werden will, sie nicht schwächelt, dann ist das wohl Zeichen eines gewissen Wahnsinns, denn wir werden offensichtlich von irgendwas getrieben, Dinge zu tun, die „over the top“ sind. Das mag maßlos erscheinen, aber wir wollen einfach nur interessant sein, und darin steckt der Wahnsinn unseres Tuns.

Und wie habt ihr als Band, als Menschen in der Unterhaltungsindustrie überlebt, ohne wirklich wahnsinnig zu werden oder gar wie Phil Spector zu enden?

Ron: Zwischen Normalität und Wahnsinn liegt nur eine sehr schmale Grenze, aber uns hat auf jeden Fall geholfen, dass wir den pharmazeutischen Versuchungen dieser Branche immer widerstanden haben. Wenn man sich das eigene Tun mal mit etwas Abstand anschaut und merkt, was man da eigentlich tut, die Absurdität des Ganzen betrachtet, dann lernt man schnell, da gar nicht so viel drüber nachzudenken. Beim Normalbleiben hilft uns, dass uns ständig neue Leute entdecken. Wir spielen gerne auf Festivals, da kommt dann nicht nur das normale SPARKS-Publikum, sondern auch Leute, die uns bislang nicht kannten und die ganz offen auf uns reagieren – das inspiriert uns und hält so halbwegs bei geistiger Gesundheit.

Popmusik ist gemeinhin ein Metier, in dem Jugend die wichtigste Währung ist. Nun geht ihr beide nicht mehr so wirklich als Jugendliche durch, doch das Gespür für Popsongs habt ihr dennoch. Was ist euer Geheimnis?

Russell: Irgendwas an unserer Musik ist wohl einfach richtig. Und uns ist das, was wir tun, wirklich wichtig, wir wollen immer wieder neue, frisch klingende Musik machen, und die gefällt scheinbar auch jungen Menschen. Dazu kommt das Image als Band, wie man sich präsentiert, die Art von Musik, die man spielt, und in jedem Jahrzehnt, in dem wir Musik gemacht haben, waren es immer wieder Kids im gleichen Alter, die uns entdeckt haben und die irgendwas an uns gereizt hat. In den Siebzigern hatten wir in England großen Erfolg, in den Achtzigern waren wir eher in den USA aktiv, waren an der Westcoast, in L.A. erfolgreich, und da interessieren sich Kids in genau dem gleichen Alter für uns wie zehn Jahre zuvor in England und dem Rest von Europa. Und genauso war es dann 1994 wieder in Deutschland mit „When do I get to sing ‚My way‘“ – da standen wieder 15-Jährige und entdeckten uns gerade neu. Und jetzt sind wir wieder in Deutschland, und auch jetzt wird es wieder Kids geben, die uns ganz neu entdecken. Die Gründe dafür kenne ich nicht, aber selbst wenn wir nicht in aller Welt riesige Erfolge feiern, so zeichnet unsere Musik, unser Image, doch eine gewisse Vitalität, eine Einzigartigkeit aus. Und so geht es selbst Menschen, die uns heute erst entdecken, noch so, dass sie sich fragen, warum sie nicht längst schon auf uns gestoßen sind. Als damals „When do I get to sing ‚My way‘“ in Deutschland ein Hit war, dachten die meisten jungen Leute, wir seien eine ganze neue Band – dabei hatten wir gerade unser 16. oder 17. Album veröffentlicht. Und genau das finde ich so aufregend, also dass Menschen dich neu entdecken und dich für eine ganz frische Band halten – in Japan geschieht das gerade, nachdem wir auf dem Fuji-Rockfestival gespielt haben. Und das Geheimnis gründet sicher in der Musik, denn unsere Musik klingt nicht alt, klingt nicht wie Musik aus einer anderen Ära – im Gegenteil, man beschreibt uns immer noch mit „ahead of their time“, sagt, wir seien dem Mainstream einen Schritt voraus.

Ihr habt also gute Trüffelnasen in Sachen Popmusik und ein Gespür für die richtigen Leute. So habt ihr etwa 1979 mit Giorgio Moroder das für Elektropop wegweisende Album „No. 1 In Heaven“ aufgenommen.

Ron: Damals hatten wir, für unser Gefühl, schon sehr lange in einem klassischen Bandgefüge gearbeitet zu haben, und wir waren auf der Suche nach einer neuen Arbeitsweise. Wir hörten Donna Summers „I feel love“ im Radio, und dieser Gesang über diesem kalt, für uns germanisch anmutenden musikalischen Hintergrund, das war unglaublich! Es hatte für uns weniger mit Disco zu tun, es war einfach nur der Sound, der uns beeindruckte. Und wir dachten uns dann, dass das ein interessanter Rahmen für unsere Musik sein könnte. Solche Begegnungen hatten wir immer wieder, etwa als wir mit Tony Visconti arbeiteten. Wir wollten nicht mehr mit einer Band arbeiten, suchten nach anderen Instrumenten, und er schaffte es, das mit uns umzusetzen. Meistens ergibt sich immer irgendwas neues, wenn man es wirklich braucht – ich weiß nicht, ob das Glück ist, aber es passiert immer etwas, das dir helft. Natürlich haben wir auch immer auf mehr kommerziellen Erfolg gehofft, als wir letztlich hatten, aber andererseits hatten wir auch unglaubliches Glück, über all die Jahre immer wieder unerwartete Begegnungen zu haben, die unerwartete Ergebnisse mit sich brachten.

Nun ist das Ox ein Punk-Magazin, da muss ich die Frage stellen, wie ihr als sehr eklektische Musiker seinerzeit den brutalen Überfall des Punkrock erlebt habt.

Ron: Der erste „Angriff“ für uns waren die SEX PISTOLS. Das war unglaublich, und es war das einzige Mal in dieser ganzen Zeit, dass wir uns musikalisch bedroht fühlten – wir klangen völlig überholt und veraltetet gegenüber denen, wir waren viel traditioneller. Ihre ganze Attitüde, das war unglaublich ...

Die Barbaren gegen die Kunsthandwerker ...

Ron: Genau so war es.

Russell: Lustigerweise haben wir dann später herausgefunden, dass die Leute, deren Musik wir als Angriff auf alles, was uns wichtig war, wahrgenommen hatten, damals große Fans der SPARKS waren. Steve Jones von den SEX PISTOLS erzählte uns das, als wir ihn vor einer Weile mal trafen.

Ron: Er hatte sogar 1974 Konzerte von uns besucht.

Russell: Es liegt also eine gewisse Ironie darin, dass wir uns gegenseitig beäugten, wir Angst vor ihnen hatten, während sie uns bewunderten. Die mochten sogar unsere Single „Beat The Clock“, ein Song von einem Album, von dem wir dachten, dass es in einer Zeit, in der Bands wie die SEX PISTOLS existieren, gar keinen Sinn mehr macht. Es stellte sich auch heraus, dass die RAMONES, besonders Joey, mit dem uns später eine Freundschaft verband, große Fans von uns waren. Joey Ramone erzählte uns, dass er sogar mal „Nothing to do“ von unserem „Big Beat“-Album covern wollte – die anderen in der Band allerdings nicht. Dafür tauchen wir in einem RAMONES-Video auf, dem zu „Something to believe in“, da gibt es diverse versteckte Auftritte anderer Musiker.

Und wie habt ihr Anfang der Neunziger den Aufstieg von Techno wahrgenommen?

Russell: Wir hatten, gerade mit „When do I get to sing ‚My way‘“, das Gefühl uns verteidigen zu müssen, denn es gab Leute, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatten und uns des Plagiarismus verdächtigen – ohne zu wissen, dass wir 1979 mit „No. 1 In Heaven“ die Blaupause für all diese Techno-Duos geschaffen hatten. Man will sich ja gar nicht verteidigen, aber es gab eben ein paar Leute, die uns kritisierten, ohne uns zu kennen. Sowieso waren wir damals völlig überrascht, dass dieser Song in Deutschland so immens erfolgreich war, während unseren Songs hier vorher kein wirklicher Erfolg vergönnt war, wir aber anderswo durchaus Hits hatten. Wir hatten einfach keine Ahnung, warum das so kam – hätten wir es gewusst, hätten wir das auch vorher schon angewendet. Irgendwie passte da einfach alles zusammen.

Nun habe ich das Gefühl, dass ihr heute weniger ein Fall für ein Massenpublikum als für explizit popkulturell interessierte Menschen seid – und euer neues Album hätte ich mir auch gut auf Mike Pattons Ipecac-Label vorstellen können. Ein weiteres neues Kapitel im dicken SPARKS-Buch?

Russell: Ich denke, wir werden heute wieder ganz anders wahrgenommen als noch vor ein paar Jahren, und wir sind glücklich darüber. Das fing 2002 mit „Lil’ Beethoven“ an, setzte sich mit „Hello Young Lovers“ fort, und auch das neue Album „Exotic Creatures Of The Deep“ wurde von den Musikkritikern, gerade auch in England, sehr gut aufgenommen. Woran das liegt? An einer neu gewonnenen Wertschätzung der SPARKS, aber basierend auf der Musik, die wir heute machen, nicht wegen unserer Vergangenheit. Und deshalb sind wir stolz darauf, dass wir auch ohne großen kommerziellen Erfolg diese Wertschätzung erfahren. Das ist sehr befriedigend. Lustig übrigens, dass du Mike Patton erwähnst: Mit FAITH NO MORE haben wir ja schon 1997 auf dem „Plagiarism“-Album zusammengearbeitet. Seitdem kennen wir uns, und wir wollten Patton auch bei dem Konzert in London dabeihaben, um „This town ain’t big enough for both of us“ zu singen, aber er hatte keine Lust dafür so weit zu reisen.