BCore Disc

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Barcelona Hardcore

BCore ist das aktivste und größte spanische Label für Hardcore und Indierock, das auch im Ausland wahrgenommen wird. Seit rund 20 Jahren ist Labelboss Jordi damit schon aktiv, da war es an der Zeit, die Homebase von Bands wie STANDSTILL, IT’S NOT NOT oder TOKYO SEX DESTRUCTION mal etwas genauer vorzustellen.

Jord, wann, wo und von wem wurde BCore gegründet?


Ich und ein paar Freunde starteten bereits 1987 mit dem Vertrieb von verschiedenen Demos, Fanzines und bedruckten T-Shirts. Unsere erste Platte als Label veröffentlichten wir 1990. Deshalb antwortete ich immer, dass wir das Label mit der ersten Auflage der CORN FLAKES LP „No Problem“ starteten. Wir veröffentlichten unsere erste Platte von einer Band, die ebenfalls wie wir aus Barcelona stammte, da wir Fans von dieser Musik waren. Wir hatten nie die Absicht, ein Label zu gründen. Wir haben eigentlich nur für die Pressung bezahlt, doch später schickten uns dann immer mehr Bands ihre Demos zu und fragten, ob wir diese nicht als 7“s rausbringen wollten. Anfangs war es ein Ein-Mann-Label, aber mit der Zeit bekam ich Hilfe von Freunden und verschiedenen Bandmitgliedern. Albert kümmert sich seit 1997 um unseren Mailorder. Außerdem haben wir jetzt Mitarbeiter, die sich um das Management und die Promotion kümmern.

Welche Labels beeinflussen bzw. beeinflussten deine Labeltätigkeiten?

Definitiv amerikanische Labels wie Dischord, Alternative Tentacles und Touch & Go!

Welche Bands der damaligen Labelbands sind heute noch aktiv?

Wir haben seinerzeit CORN FLAKES, IDENTITY und SUBTERRAENAN KIDS rausgebracht, die allesamt von der Bildfläche verschwunden sind. Allerdings spielen SK mittlerweile wieder Reunion-Shows und planen außerdem eine neue Platte.

Und welche Veröffentlichungen sind deine wichtigsten bzw. bestverkauften?

Ich denke, die „Childish“-LP von CORN FLAKES war die wichtigste, da viele Bands durch sie beeinflusst wurden und so eine Art Mikroszene entstand. Außerdem bin ich sehr glücklich über AINAs „Sevens“, STANDSTILLs „The Ionic Spell“, oder TOKYO SEX DESTRUCTIONs „Le Red Soul Comunittee“.

Wie würdest du die Entwicklung deines Labels beschreiben?

Eigentlich arbeiten wir heute so wie früher auch schon: Wir bringen Platten von Bands raus, die wir mögen und bauen enge Beziehungen zueinander auf. Der Unterschied ist, dass wir mittlerweile professioneller sind, wir machen Werbung und planen unsere Veröffentlichungen. Außerdem können wir jetzt mehr Geld für die Aufnahmen, das Artwork etc. investieren ...

Was fasziniert dich an deiner Arbeit als Labelmacher?

Ich mag den gesamten kreativen Prozess; das gezielte Einsetzen der Promo, die Entwicklung eines Band-Images, die Planung der Produktion, das Finden des passenden Artworks,und so weiter. Außerdem ist die Beziehung und der Kontakt zu den Bands einfach super. Es ist cool, eine so lange Zeit mit so vielen verschiedenen Leuten zusammen arbeiten zu können.

Hast du eine bestimmte Labelpolitik?

Generell arbeiten wir mit Bands aus der Region zusammen, mit Bands aus Barcelona oder der näheren Umgebung. Selten signen wir Bands, die uns ihr Demo geschickt haben, aber manchmal ist es nützlich, um so unser Interesse zu wecken, damit wir uns die Bands live ansehen. Meistens empfehlen uns aber Mitglieder unserer Bands andere Bands, da sie viele Shows spielen und so auch auf einige neue Bands aufmerksam werden. Neben den musikalischen Aspekten ist für uns der erste persönliche Eindruck immer sehr wichtig.

Und welche Musikstile bevorzugt du?

Ich mag viele verschiedene Arten von Musik, aber das Label ist auf Indierock fokussiert – und auf alles, was für uns gut klingt. Vor einigen Jahren haben wir viel DC/Chicago Indierock-Sound veröffentlicht, aber heutzutage sind wir offen für alles Gute, was die Musikszene von Barcelona hervorbringt.

Kannst du von deinem Label leben?

Ja, seit zwölf Jahren schon. Zu Beginn habe ich als Grafikdesigner gearbeitet und das Label hobbymässig betrieben. Später dann konnte ich das Label als Vollzeitjob betreiben und mache nun die Grafiksachen als Freiberufler nebenbei, um ein wenig extra Geld zu verdienen.

Ihr habt euren Sitz in Barcelona, einer Stadt, die sich in den letzen 20 Jahren sehr verändert hat. Inwieweit hat dieser Wandel dein Leben beeinflusst, die Möglichkeit Shows zu veranstalten und so weiter?

Barcelona ist mehr eine Touristenattraktion als ein Ort zum Leben für die Einwohner. Alles ist schön, die Shopping-Center sind voll mit luxuriösen Marken, und die kleinen Geschäfte aus der Nachbarschaft sind verschwunden, da der Druck der Immobilienmakler mit jedem Tag stärker wird. Der Preis pro Quadratmeter steigt jeden Tag weiter. Es ist die Stadt, die ich liebe, aber es macht mich traurig zu sehen, in welche Richtung sie sich entwickelt. Mit dem Euro sind die Preise unkontrolliert gestiegen und das Problem ist, dass die Leute über ihre Verhältnisse leben und sich Dinge kaufen, die sie sich eigentlich gar nicht leisten können. Für Live-Musik gibt es im Stadtzentrum auch nur noch sehr wenige selbstorganisierte Clubs. Man muss in die Vororte oder in andere Städte ausweichen, um eine Show zu machen, da die kommerziell geführten Läden Geld verlangen, wenn man dort ein Konzert organisieren will. Also kannst du keine Shows mehr für 50 Leute veranstalten, weil der Club eine Miete von 300 Euro nimmt und wenn dann nur 50 Leute kommen, dann musst du schon sechs Euro nehmen, um am Ende überhaupt die Miete bezahlen zu können.

Du scheinst noch an die Hardcore-Ideale und den DIY-Gedanken zu glauben.

Absolut. Ich bin überglücklich, wenn ich sehe, wie junge Menschen Platten rausbringen und Shows organisieren. Das ist der Beweis dafür, dass du keine Marken oder Sponsoren brauchst, um Sachen auf die Beine zu stellen. Das einzige, was du dafür wirklich brauchst, ist dein Herz.

Wie ist die heutige Situation und der Zusammenhalt in der spanischen Hardcore/DIY-Szene? Was hat sich über die Jahre zum Vor- oder Nachteil geändert?

Ich denke, heutzutage ist es viel einfacher eine Platte zu veröffentlichen oder selbst rauszubringen. Es gibt jede Menge Leute mit neuen Ideen, die als wirkliches Underground-Label arbeiten, ohne Promotion und Vertrieb und es gibt die Leute, die gezielt nach diesen Platten suchen. Das größte Problem entsteht dann, wenn diese Leute eine Show machen wollen, weil Barcelona als so „coole“ Stadt dich für einfach alles zahlen lässt, sogar fürs Atmen.

Und wie ist die Situation für euch als Label in Zeiten von Downloads und Rezession, in der immer mehr Plattenläden schließen?

Die Situation ist nicht sehr gut ... Aber ich glaube fest daran, dass wenn man entschlossen einen klaren Weg verfolgt und man sich intensiv um seine Veröffentlichungen kümmert und Geschmack beweist, es gewürdigt wird und so weiterhin Platten verkauft werden. Ich denke, die Leute haben es irgendwann einfach satt, Datei um Datei auf ihrer Festplatte zu speichern, ohne etwas Physisches zum Anfassen zu haben. Deshalb glaube ich daran, dass der Tonträger als Objekt wieder wichtig wird.

Erzähl mir über deine Rerelease-Serie mit L’ODI SOCIAL, SUBTERRANEAN KIDS, HHH und SHIT S.A. Was war, was ist so wichtig an diesen Bands?

Zur Zeit veröffentlichten wir nicht viel Hardcore in seiner klassischen Form, aber ich denke, wir genießen nach 19 Jahren Labeldaseins ein relativ gutes Ansehen und Respekt in Spanien. So wollten wir das Interesse an diesen Bands fördern, die für uns sehr wichtig sind. Die Veröffentlichung dieser Platten ist wie eine Hommage an unsere musikalischen Prinzipien. Es ist so, als würden wir sagen: „Wir haben uns diese Bands angehört und diese Bands haben einfach Aufmerksamkeit verdient, sie sind die Ziehväter von all dem, was danach kam.“

L‘ODI SOCIAL war eine der ersten katalanischen Bands, die auf Katalanisch gesungen hat. Warum war das so etwas besonderes?

Neben LA BANDA TRAPERA DEL RIO waren sie die ersten, die einige Songs auf Katalanisch geschrieben haben, und somit auch diese Sprache genutzt haben, um Parolen gegen den Staat und der Polizei zu singen. Durch das Benutzen der katalanischen Sprache auf einer politischen und sozialen Ebene brachte es sie auch enger mit dem katalanischen Publikum zusammen.

Diese Sprachangelegenheiten sind in Spanien sehr wichtig in Bezug auf die Unabhängigkeit von Galicien, dem Baskenland und Katalonien. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet hat diese Diskussion aber auch einen starken nationalistischen Touch, was mich irritiert, denn die Punkszene scheint doch generell eher eine internationale Szene zu sein, die gegen Nationalismus und all diesen Schwachsinn kämpft. Kannst du dazu vielleicht die Situation in Spanien/Katalonien erklären?

Diese Unabhängigkeitsbewegung war noch nie sehr stark in der hiesigen Punkszene vertreten, und wie du es schon richtig gesagt hast, Punk war schon immer mehr eine internationale Angelegenheit. Wir Katalanen sind nicht wirklich extrem nationalistisch, aber wir mögen es, unsere Sprache zu benutzen und wir verteidigen unsere Lebensart – unseren Sinn für Humor, unser Essen und unser Land. Was allerdings stimmt, ist, dass wir uns nicht als Spanier fühlen und möchten, dass das die Leute das auch wissen.

Die spanische Hardcore-Szene wirkt immer recht isoliert. Es scheint einen stärkeren Austausch zwischen den USA und Deutschland zu geben als zwischen Spanien und Deutschland. Wie siehst du das?

Ich denke es gibt heute nicht die Szene, wie es sie geben sollte, und viele kleine Mini-Szenen agieren nicht wirklich zusammen. Auch die Mitglieder unserer Labelbands hatten zum Beispiel vor einigen Jahren noch mehr Kontakt zueinander. Ab und zu sieht man noch Leute aus BCore-Bands, die zu Shows anderer BCore Bands gehen, aber das passiert immer weniger. Es gibt Kontakt, aber nicht mehr diese „Brotherhood“, wie es eigentlich sein sollte. Heutzutage ist die Bewegung offener und durch das Internet triffst du jede Menge unterschiedlicher Leute auf den Gigs unserer Bands. Eine Band zu haben ist heutzutage mehr ein sozialer Aspekt, etwas das man macht, um irgendwo dazu zu gehören.