CROCUS

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No hidden agendas, we play music for ourselves!

CROCUS ist eine dieser Bands, die man kurz erlebt und sofort spürt, dass da ein unglaubliches Feuer drin ist. Auch wem die rauen Klänge der vier sympathischen Briten nicht unbedingt zusagen, wird schnell erkennen, dass die Jungs es tatsächlich ernst meinen. Hier gibt es keine Posen und keinen Hokuspokus, nur die Vollbedienung in Sachen Intensität. Stellt euch vor, die frühen THE WHO hätten Songs von ORCHID und REVERSAL OF MAN gespielt, und ihr bekommt eine ungefähre Vorstellung von dem, was da auf der Bühne passiert. Wer das Vergnügen hatte, die Jungs aus Cornwall im November auf Tour zu sehen, wird wissen, was ich meine: ohne Rücksicht auf Verluste werden Material und Personal bis zum Äußersten ausgereizt. Seine angenehm aufgeräumte Sicht der Dinge legt Sänger Greg im folgenden Gespräch dar.

Wie würdest du jemanden CROCUS beschreiben, der die Band nicht kennt?


Schwere Frage! Leuten, die sich nicht mit dieser Art Musik auskennen, sage ich immer, wir spielen „Heavy Rock“, haha. Das sagt natürlich nicht wirklich sehr viel aus. Aber ich hasse es auch so, Genres und Subgenres zu verwenden. All die kursierenden Begriffe wie Emo-Violence, Screamo und Hardcore sagen im Grunde doch gar nichts. CROCUS sind einfach ein paar gute Freunde, die leidenschaftlich und ehrlich zusammen die Musik machen, die sie lieben. Es gibt keinen geheimen Plan, wir machen das einfach für uns selbst.

Es gibt dieses nette Zitat aus einem Review: „CROCUS does not play, CROCUS fights“. Findest du diese Beschreibung adäquat?

Das Zitat ist witzig, aber ich glaube nicht, dass das unbedingt irgendwas bedeutet. Sicher, wir machen ziemlich harte Musik und lassen uns bei Konzerten wirklich sehr gehen, weshalb es schon mal recht brutal zugehen kann. Wir fügen dabei aber niemandem außer uns selbst Schaden zu. Blaue Augen, gebrochene Knochen, zerstörte Instrumente, all das kommt vor. Wir machen das nicht, weil es „cool“ ist. Es ist einfach so, dass wir völlig in der Freiheit, die wir bei Konzerten haben, aufgehen. Das Gefühl, die Möglichkeit zu haben, uns auszudrücken und einfach das zu tun, was uns da gerade in den Sinn kommt, kann wirklich überwältigend und berauschend sein.

Eine Textstelle im Song „Eight great fears“ lautet: „It’s one thing to live and another to exist“. Was macht für dich den Unterschied aus?

Darüber könnte ich einen Aufsatz schreiben, aber ich werde mich mal kurz fassen. „Living“ bedeutet für mich, wirkliche Freiheit zu genießen und jeden Moment auszukosten, wohingegen „existing“ das mit Bedauern und Zwängen gefüllte, alltägliche Dasein ist. Freiheit muss unbedingt angestrebt werden, aber man muss auch bereit sein, danach zu suchen, im richtigen Moment zuzupacken und sie auch zu schätzen wissen.

Was bedeutet Freiheit für dich?

Guy Debord hat gesagt, das Spektakel wäre „the sun that never sets over the empire of modern passivity“. Im Kapitalismus werden Leben und Umwelt fortwährend unterdrückt und das Spektakel wird benutzt, um diese Unterdrückung zu verbergen. Das Spektakel gibt uns einen falschen Eindruck vom Leben – Degeneration durch Warenfetischismus und zwanghafte Besitzanhäufung. Wirkliche Freiheit wäre demzufolge nur durch den Sturz des Spektakels zu erreichen. Aber das ist weder auf persönlicher Ebene machbar noch irgendwie absehbar, bevor wir alle uns eines Besseren besinnen. Also müssen wir uns im Alltag Nischen der Freiheit suchen. Zu kapieren, „was“ und „wie“ es läuft, ist der erste Schritt. Um es kurz zu machen: Wir müssen versuchen, unser Leben immer ganz in dem Moment zu leben, jede ungerechtfertigte Autorität zu umgehen und zu missachten.

Auf eurer Website ist folgendes Statement zu lesen: „We’re not here to look good or be cool“. Denkst du, es gibt Bands, denen es nur darum geht? Falls ja, denkst du, es ist eher ein regionales britisches Phänomen oder typischer Ausdruck des postmodernen Zeitgeists oder vielleicht auch ein Hinweis auf die Widersprüchlichkeit heutiger Subkultur?

Es wird immer Bands geben, die behaupten, etwas zu fühlen, oder die über etwas reden, von dem sie keine Ahnung haben. Punkrock ist so eine wunderbare Sache, aber es ist einfach möglich, in einer Punkband zu sein, ohne sich auch nur ansatzweise irgendwie mit den ursprünglichen Zielen und Ideen zu identifizieren. Das ist so verdammt seltsam, wenn man sich mal vor Augen führt, wofür das Ganze eigentlich steht. Das ist so, als wäre man in einer Beziehung und würde sich einen Dreck um die andere Person kümmern. Es ist heutzutage einfach „cool“, in einer Band zu sein, und das ist zum Teil das Problem. Tatsächlich ein Merkmal der Postmoderne! Man könnte jetzt wieder einen endlosen Diskurs starten über die allgegenwärtige Manie „nach etwas auszusehen“ und irgendeinen Style an den Tag zu legen, nur weil es gerade „cool“ ist, ohne sich überhaupt um irgendwas zu kümmern, das über oberflächlichen, substanzlosen Schund hinausgeht.

Aber solch ein Statement könnte auch als genau das zu verstehen sein: als Versuch, Leute davon zu überzeugen, eben „gut auszusehen“ und „cool“ zu sein? Dieses ganze popkulturelle Spiel mit „Signifikat“ und „Signifikant“ ...

Ja, ich glaube, ich weiß, was du meinst. Dieses Statement bedeutet aber nicht mehr als das, was es tatsächlich aussagt. Aber ich gebe dir Recht, wenn man es aus dem Kontext gerissen und mit ein bisschen Abstand zur ursprünglichen Intention liest, könnte man es auslegen als „wir sind cool und ganz anders“. Aber unsere Absichten waren komplett harmlos. Weder unsere Musik noch irgendwas, wofür wir stehen, ist „cool“. Mit dem Statement wollten wir den Leuten einfach beschreiben, worum es bei uns geht. Und um ehrlich zu sein, es war ein Versuch, auf simplem Wege mitzuteilen, dass unser geistiges Niveau nicht kurz unter der Oberfläche endet.

Du hast einige Zeit in London gelebt, bevor du nach Cornwall gezogen bist. Was hast du dort gemacht und was war dann war der Grund, in Englands abgelegensten Winkel zu ziehen?

Ich bin mit 19 wegen meiner damaligen Band LEAVING THE FOLD nach London gezogen. Wir blieben dort eine Weile, nahmen auf, spielten Shows und aßen sehr wenig. Wir waren damals ziemlich groß; zumindest dachten wir das. Wir hatten einen Plattenvertrag, haben zwei Alben veröffentlicht und gingen auf Tour. Im Endeffekt ist alles auseinander gefallen. Wir waren zu jung, zu nihilistisch und vor allem zu naiv. Allerdings hätte ich ohne die Auflösung von LEAVING THE FOLD nie die anderen CROCUS-Jungs getroffen. Ich bereue also nichts! Nach dem Split bin ich nach Cornwall zu meiner Mutter gezogen. Ich musste einfach mein Leben wieder auf die Reihe bekommen. So here I am.

CROCUS wurde in der Dezember-Ausgabe des britischen Magazins Rocksound genannt als eine der „Top 50 bands to look out for in 2009“. Sind die Underground-Tage für CROCUS damit vorbei, seid ihr „the next big thing“ aus dem UK?

Hahaha, nein, das glaube ich wirklich nicht. Unsere Musik ist viel zu sehr ein Nischending. Außerdem interessiere ich mich nicht für Hypes und so was. Trotzdem ist die Nennung dort wirklich gut, denn dadurch besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass uns mehr Leute zuhören und dann vielleicht auch mit dem, was sie hören, übereinstimmen. Wenn dem so ist, wunderbar!

Was ist mit CROCUS für 2009 geplant?

Wir werden drei Songs für ein Split-Release mit unseren Freunden LAVOTCHKIN aufnehmen. Das Ganze kommt dann im Mai auf Small Town Records raus, mit anschließender gemeinsamer UK-Tour. Außerdem wollen wir dann noch zusammen in Europa touren. Das ist derzeit alles. Den Rest entscheidet die Zeit.