STEREO

Das THE STEREO haben mit "Threehundred" eine der schönsten Platten der letzten Jahre aufgenommen: Perfekte Popmusik im ursprünglichen Sinne, kein weichgespülter Radio-Shit und auch kein überproduziertes Industrieprodukt. Erschienen bereits 1999, dauerte es doch bis Mitte letzten Jahres, dass die Platte auch in Europa erhältlich war, gefolgt von einer Tour im Herbst. Kurz zuvor war noch die EP "New Tokyo Is Calling" erschienen, auf der THE STEREO erstmals in der Tourbesetzung und nach dem Ausstieg des neben Jamie Woolford zweiten Gründungsmitglieds Rory zu hören sind. Vor der Show im Kölner Underground traf ich Jamie für dieses Interview.

THE STEREO gibt´s noch gar nicht so lange, aber davor gab´s die IMPOSSIBLES. Erzähl doch mal...


"Bei den IMPOSSIBLES hat Rory vor THE STEREO gespielt. Seine Band hat sich dann aufgelöst, meine Band ANIMAL CHIN brach auseinander, und unser Label Fueled By Ramen bot uns an, eine Soloplatte zu machen. Und dann kam jemand an und meinte, warum wir nicht zusammen eine Platte machen. Wir sprachen darüber, sahen das erstmal nicht als Band, sondern als einmalige Sache - und dann wurde doch mehr draus. Wir suchten uns Musiker für eine Tour, tourten auch, aber mussten feststellen, dass Rory und ich zwar musikalisch gut klarkommen, aber nicht auf Tour. Du fährst zusammen quer durch Amerika, bist in einer kleinen Blechkiste mit Rädern dran gefangen, und dann kommt eben so das eine oder andere zum Vorschein. Naja, das war eine gegenseitige Abneigung, und nach der Aufnahme von "Threehundred" stieg er dann im November 1999 aus. Die "Arbeit" war da schon recht ungleich verteilt: er sang und spielte Bass bei den Songs, die er geschrieben hatte, aber alles andere war von mir. Ich habe auch die Aufnahmen allein durchgezogen, und war danach im Washington D.C., um mit J Robbins den Mix zu machen."

THE STEREO - grammatikalisch ist das Singular. Ist es denn auch von der Struktur her so, dass das in erster Linie du bist, plus Musiker?


"Nein, es ist mittlerweile schon eine Band. Ich schreibe die Songs auf der Gitarre, mache den Text dazu und stelle das den anderen vor. Den Rest machen wir dann gemeinsam, wobei ich schon bestimmte Vorstellungen davon habe, wie etwa das Schlagzeug klingen soll. Der Drummer und ich kennen uns schon eine Weile, der weiss, was ich will, spielt mit meiner Idee und im Endergebnis setzt er meine Idee besser um, als ich das selbst gemacht hätte. So hat jeder seinen Input. Und wir sind uns auch darin einig, dass es ganz egal ist, wer mit einer Idee ankommt, denn letztendlich zählt nur, dass der Song gut ist."

Die Texte...

"Das ist so eine Sache: Wenn wir ins Studio gehen, habe ich immer nur die erste Strophe - alles weitere mache ich erst im Studio. Ich bekomme das einfach nicht anders hin. Das soll aber nicht heissen, dass mir die Texte nicht wichtig sind. Im Gegenteil, aber ich denke, dass Vieles oft erst unter Druck gut wird. Und ich bin sehr selbstkritisch: ich mag vieles, was ich schreibe, anfangs überhaupt nicht und gewöhne mich erst mit der Zeit daran. Ich schreibe Musik und Text auch nicht getrennt voneinander, sondern simultan. Meist spiele ich auf der Gitarre herum und singe vollkommen sinnlosen Quatsch dazu, und daraus formt sich dann mit der Zeit ein Text, der Sinn macht. Manchmal ist nur ein Wort der Ausgangspunkt, aus dem alles andere entsteht. Ich singe auch den ganzen Tag nur irgendwas vor mich hin, und aus diesen Lauten, die keinen Sinn ergeben, wird dann ein Text und ein Song. Bei neuen Songs ist es dann oft so, dass wir die schon live spielen, ich aber noch keinen Text habe und nur irgendwelchen Quatsch dazu singe. Das fällt aber keinem auf, da die PA meist nicht die beste ist und das einfach verschluckt. Der Titel von so einem Song ist dann auch jeden Abend ein anderer - und meist steht am Ende der Tour dann fest."

Hast du mal irgendwo gelernt, wie man Songs schreibt?

"Nein, das habe ich mir selbst beigebracht. Eigentlich bin ich auch Schlagzeuger, darin hatte ich früher Unterricht und ich war auch an einer auf Kunst und Musik spezialisierten Highschool in Minnesota."

Minnesota? Ich dachte, ihr kommt aus Texas?

"Rory war der einzige aus Texas, er ist nicht mehr dabei, aber im CD-Booklet steht noch eine Postfachadresse in Texas. Dumm gelaufen... Ich hatte jedenfalls an der Schule Schlagzeugunterricht, und in der siebten Klasse schnappte ich mir dann eine Gitarre und fing an DESCENDENTS- und SEX PISTOLS-Songs nachzuspielen. Das erste Jahr beschränkte ich mich dabei auf den obersten Teil der drei unteren Saiten - die anderen hatte ich mit Klebeband umwickelt, damit sie keine störenden Geräusche machen. Später habe ich dann herausgefunden, wofür sie da sind, haha. Es ging sehr langsam, und ich lernte eben dadurch, dass ich versuchte, die Songs anderer Leute zu verstehen und nachzuspielen. Diese Herangehensweise hilft mir bis heute, und das, was andere Leute als technische Perfektion begeistert, dieses Gitarrengewixe, gibt mir überhaupt nichts. Das hat eher einen athletischen Aspekt als dass es mit "guter" Musik gleichzusetzen wäre."

Die Besprechungen eures Albums sind durchweg positiv ausgefallen, allerdings waren die Vergleiche auch sehr unterschiedlich und waren denkbar weit gefächert. Mir erscheint jedoch wichtig die Verbindung zu Elvis Costello, Joe Jackson und THE JAM herzustellen.

"THE JAM? Das freut mich! Wenn ich überlege, an was für Bands ich denke, wenn ich meine Songs schreibe, dann muss ich auf jeden Fall Rick Springfield und die BEATLES nennen."

Rick Springfield?!?

"Ja, Rick Springfield! Kennst du "Jessie´s Girl"?

Klar kenne ich das - ich war früher ein großer Rick Springfield-Fan. Aber diese Referenz überrascht mich doch.

"Warte mal, bis du uns nachher gesehen hast, dann wirst du verstehen, was ich meine. Seine späteren Platten waren zwar nicht mehr so toll, aber "Working class dog" ist ein klasse Album. Er kommt ursprünglich aus Australien und war dort ein Teenie-Star, hatte aber seinen Erfolg in den USA, als er schon 30 oder so war. Man hat lange nichts mehr von ihm gehört, bis neulich eine Meldung im Fernsehen war, dass er Probleme bekommen hat, weil er wohl seine Frau geschlagen hat."

Zurück zu deinen Einflüssen: Rick Springfield, die BEATLES...


"...SUPERDRAG - und kennst du CHISEL?"

Mann, ich wollte eben noch sagen, dass ihr mich definitiv auch an CHISEL erinnert.

"Die waren großartig, und vom Gesang her orientiere ich mich auf jeden Fall an Ted Leo - und an Nina - heisst die so? - von den CARDIGANS. Ich klinge weder wie er noch wie sie, aber ich mag die Art, wie sie singen. Ted Leo etwa singt in einer Songzeile mal total hoch und dann sehr tief - und ich auch. Ich denke, es ist einfach interessant, das zu hören. Nimm als Gegenbeispiel den Sänger von THIRD EYE BLIND, die ich eigentlich mag: der bleibt die ganze Zeit auf einer Note. Um auf CHISEL zurückzukommen: ich habe die zufällig im Vorprogramm von FUGAZI gesehen und war sofort hin und weg. Ich habe mir dann ihre Platten besorgt, und wenn jetzt jemand behauptet, ich hätte bei denen geklaut, dann stört mich das nicht weiter."

Wie läuft´s denn so für euch? Ihr seid das erste Mal Deutschland und schon im Vorfeld habt ihr ganz gute Presse bekommen.

"Es ist erstaunlich! Ich bin das erste Mal überhaupt in Deutschland und die Leute kenne meine Band - wow! Die Platte ist jetzt schon über ein Jahr raus, und was die Reaktionen in den USA anbelangt, ist es erstaunlich, dass ich nur positives Feedback bekommen habe. Viele Leute erzählen mir, dass sie die Platte wochenlang im Auto gehört habe und solche Geschichten, und das schmeichelt natürlich - gerade was das Musikhören im Auto anbelangt. Da muss die Musik stimmen, das weiss ja jeder aus eigener Erfahrung, und man nimmt sie auch sehr direkt war."

Stimmt, und mir ging es genauso - und bei mir, der ich jeden Tag fünf neue CDs in der Post habe, bedeutet es auf jeden Fall was, wenn ich eine CD dann tagelang im Auto habe, was bei THE STEREO der Fall war.

"Das freut mich zu hören, danke! Weisst du, ich schäme mich auch nicht zuzugeben, dass ich ein Kind des Achtziger Jahre-Radio-Rocks bin. Ich bin mit Rick Springfield, VAN HALEN, Cindy Lauper und so weiter aufgewachsen. Ich bin jetzt 25, und ich war da eben in einer Phase, in der man sehr empfänglich ist für alle Arten von Einflüssen. Diese Musik war meine Erziehung in kreativer Hinsicht. Deine Eltern bringen dir bei, was gut und schlecht, richtig und falsch ist, aber die kreative und künstlerische "Erziehung" ist genauso wichtig, denn davon hängt ab, was für Musik du hörst, was für eine Art von Kleidung du bevorzugst, und so weiter. Und da beeinflusst natürlich die Umgebung: deine Freunde, was die für Musik hören, und so weiter. Naja, und in meinem Fall war diese prägende Zeit eben die Achtziger. Wenn ich heute das Radio einschalte, dann finde ich an der meisten Musik überhaupt nichts: da programmiert jemand einen Beat und dann gibt´s verschiedene Texte, aber eigentlich ist´s immer der gleiche Song. Das ist eine Endlosschleife. Da fällt mir was zum Thema U2 ein: deren "With or without you" ist ein Musterbeispiel, wie man mit einem Akkord einen ganzen Song machen kann. Es ist faszinierend, wie die nur mit einer Akkordfolge ein komplettes Lied geschrieben haben, das sowohl langsam wie schnell, sowohl laut wie leise ist. Was ich damit meine: die meisten Songs heute arbeiten mit genauso wenig Akkorden, schaffen es aber nicht, so abwechslungsreich zu sein. Oder nimm Elvis Costello, der einfach unglaublich gut ist - so gut, dass ich mich gegen Vergleiche mit ihm verwehre, denn das ist eine andere Klasse. Wenn ich dem meine CD vorspielen würde, bekäme ich von ihm wohl ein paar auf die Ohren, haha. Keine Ahnung, wie der das macht, aber seine Songs sind immer völlig perfekte Einheiten, da stimmt und passt alles. Und dabei hat er auch noch Humor. Ich selbst schaffe es leider nicht, Humor in meine Texte zu packen, aber irgendwie versteht keiner meine Witze, haha. Nimm nur eine Costello-Textzeile - ich denke, es ist von "Armed Forces" - wie "You have to demonstrate class , I want a piece of your mind". Da ist klar, dass er eigentlich "piece of your ass" sagen will, aber er enttäuscht die Erwartung des Zuhörers und das ist so clever. Mein Ziel ist es, da auch irgend wann mal hinzukommen."

Was kommt als nächstes? Was ist mit dem neuen Album?

"Es erscheint im März, auch wieder auf Fueled By Ramen, dem Label meines guten Freundes John. Wir haben uns bewusst wieder für Fueled By Ramen entschieden, obwohl wir seit dem Erscheinen des letzten Labels von mehreren Majors - darunter Capitol, Interscope und Atlantic - heftigst umworben wurden. Wir haben nur verständnislos mit dem Kopf geschüttelt, denn die wollten eine Band signen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal live gespielt geschweige denn sich eine Fanbasis erspielt hatte. Danach ist es wieder ruhiger geworden, und wir wissen, dass Fueled By Ramen das Zeug dazu haben, gute Arbeit für uns zu leisten."

Wie hat sich das Album denn verkauft?

"Keine Ahnung! Es interessiert mich auch nicht, denn ich habe Angst, die Antwort könnte mein Handeln beinflussen. Ich habe mal was gehört, dass wir auf 10.000 verkaufte Platten zugehen, aber es interessiert mich nicht."