ALIAS CAYLON

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Illustre Gesellschaften

Ein absolutes Novum erwartet Sie, verehrte Leser dieses „Interviews“. Werden Sie an dieser Stelle Zeuge einer Unterhaltung (2.0), wie sie moderner kaum hätte durchgeführt werden können. Lassen Sie mich folgendermaßen beginnen: Es gibt Menschen, die haben im Laufe der Zeit eine gewisse Gelassenheit gegenüber „Verrücktem“ und „Nicht-der-Norm-Entsprechendem“ entwickelt, da sie sich von solchen Phänomenen durch ihren Aufenthalt im Universum des Punk bereits lange genug umgeben sehen und zudem bereits vor der Geburt manches Ox-Abonnenten in Bands spielten, in denen selbst Lee Hobson Hollis lediglich als Tänzer fungieren durfte (Jürgen Schattner, Rookie Records). Es gibt Menschen, die nun einmal nicht der gängigen Norm entsprechen, da sie subkulturell sozialisiert wurden und sich der Kunst, in diesem Falle dem Musizieren, bereits vor geraumer Zeit verschrieben haben, zudem zu viel trinken und dann auch noch an die ungebrochene Macht der Powerballade in der zeitgenössischen Populärmusik glauben (ALIAS CAYLON). In diesem Fall vertreten durch Thays (Gitarre, Gesang) und Fin (Gitarre, He-Man-Figuren, Soundgelöt). Die Rhythmussektion, vertreten durch Rainer (Bass) und Fiede (Schlagzeug), glänzt an diesem Abend leider durch Abwesenheit. Und es gibt Menschen, deren Vater Schlagzeuger war, die selbst einmal Schlagzeug spielten und denen, nun genetisch so vorbelastet, nicht viel mehr übrig bleibt, als sich mit dem Gedanken abzufinden, früher oder später an ihrem eigenen Erbrochenen zu ersticken (Jörkk Mechenbier). Stellen Sie sich nun vor, diese drei Parteien finden, dank modernster Technik, eines Abends via Skype (für alle, die ausschließlich auf Printmedien zurückgreifen:eine moderne Form der Internet-Kommunikation) zusammen und starten den Versuch, so equipped zu plaudern.

ALIAS CAYLON, Flensburg, kennt man: myspace.com/aliascaylon – um ein Ohr zu riskieren. Und auch ein Auge – denn beides lohnt sich: Hausgrafiker, Sänger, Gitarrist, Texter und Pistazienfan Thays besorgt für seine Band einen Internetauftritt, der Big-Business-Kapellen mit Etats für mediale Gestaltung lässig gekämmt das Wasser reichen kann, und versteht es, die musikalische Mission der Band aus dem hohen Norden visuell in Szene zu setzen und damit für viel Pläsier beim interessierten, internetorientierten Fan zu sorgen. Durch die Rückendeckung und die stetig knallende Peitsche (Yeehaw!) des neu gewonnenen Labelchefs Jürgen von Rookie Records, Köln, passiert nun noch einmal um einiges mehr im Universum von ALIAS CAYLON. Nach dem Wechsel von Redfield zu Rookie scheint nun bei den umtriebigen Herrschaften endgültig Stufe zwei gezündet zu haben: Das aktuelle Album „Follow The Feeder“ wurde am 28.02.2009 mit einer rauschenden Release-Party im Flensburger Volxbad aus der Taufe gehoben und das ist uns Grund genug, via Rudel-Chat im Internet erneut in die Welt von ALIAS CAYLON einzutauchen und für ein wenig Öffentlichkeit zu sorgen, einige Fakten aufzuschnappen und gemeinsam via WWW ein Gläschen zusammen zu trinken.

Nachdem Rotwein und Bier in Flensburg, Köln und Trier auf die jeweiligen Gläser verteilt sind, startet auch schon unser virtueller Schnack. Thays und Fin haben das volle Programm am Start. Webcam, Mikro, Boxen, Rotwein, Knabberkram: Profis also. Jürgen (Rookie) kann auch mit einem guten Glas Wein aufwarten, hat jedoch keine Kamera. Ich kann, wie zu erwarten stand, gar nichts. Jürgen versucht zu retten: „Du kannst auch einen Kopfhörer als Mikrofon benutzen, wie die BAD BRAINS!“. Thays erste Chat-Antwort darauf: „Wer?“, beendet fast dieses Interview und auch die Zusammenarbeit der Band mit Rookie Records. Da meine Fähigkeiten allerdings nicht denen von JR entsprechen, entscheiden wir uns, taub und blind zu plaudern. Die erste Frage, wie die Band zu ihrem Skype-Namen gekommen ist, lassen wir einfach weg. Beim Thema Internet und neue Möglichkeiten im Bereich Promotion erfahre ich, dass ALIAS CAYLON aktuell Künstler der Woche bei MySpace sind. Thays auch. „Waaas?“. Und weiter erfahre ich, dass ALIAS CAYLON zwei Shows für die wunderbaren THE LIVING END eröffnen werden. Thays auch.

„Waaas?“. Ja, wir lachen viel. Und das ist auch nicht verwunderlich, wenn man diese Gang kennt. Und nein, ich habe zu keiner Zeit daran geglaubt, dass das Rauschen in der Leitung vom Meer vor Flensburger Fenstern herrührt. Die Songs des neuen Albums sind mir Indiz genug. Denn nicht nur kein Meeresrauschen, sondern auch alle anderen störenden Klänge wurden bei „Follow The Feeder“ außen vor gelassen. Nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Platte recht lange (lange!) geschliffen wurde, um im nun vorliegenden Glanze zu erklingen. Aber nicht etwa ein Produktionswahn ist Grund für die lange Zeitspanne, die das Erscheinen der Platte in Anspruch genommen hat: „Es gab verschiedene Faktoren. Natürlich wollten wir keine Kompromisse eingehen, was den Sound betrifft. Aber hinzu kommt auch noch der wohl überlegte Labelwechsel, das machte einigen Aufschub nötig, um vernünftig zu starten. Und wir haben zunächst einmal alles in unserem Proberaum/Studio vorproduziert, damit der Studioaufenthalt möglichst reibungslos und schnell abgehakt werden kann. Das alles nahm einfach einiges an Zeit in Anspruch“, erklärt Thays und weiter: „Da Fin sich neuerdings außer He-Man-Figuren zu sammeln auch mehr und mehr Know-how in Sachen Recording und Studiotechnik aneignet, haben wir nun eben die Möglichkeit, in unseren eigenen vier Wänden recht viel auszuprobieren und aufzunehmen. Natürlich muss man sich zunächst einmal vernünftige Mikrofone, eine gute Soundkarte für den Rechner und dergleichen zulegen, aber es hat sich gelohnt.“

Und das finde ich auch, wenn ich im Hintergrund die Platte, wie so oft in letzter Zeit, durchlaufen höre. Gemixt wurde „Follow The Feeder“ dann aber natürlich noch einmal extern, im Tonhotel Hamburg, namentlich von Udo Böckmann und Fabian Tormin. Herausgekommen sind zehn grandiose, abwechslungsreiche und vor allem druckvolle Songs, die keine Fragen offen und bereits erahnen lassen, welch furiose Live-Shows von dieser großartigen Postpunk-, Hardcore- und Indierock-Band zu erwarten sind. Dabei fällt einem auf, dass sich durchaus die eine oder andere soundtechnische Spielerei, oder nennen wir es Finesse, ausmachen lässt. Dadurch bleibt die Frage, ob und wie sich so etwas nun auch live umsetzen lässt. Diese Frage stellte man sich im Hause ALIAS CAYLON natürlich auch. Thays führt aus: „Wir haben ja vorher immer alles recht einfach gehalten, kein Schnickschnack, nur ein, zwei Effektgeräte für die Gitarre. Alles andere war uns zu krasser Stress für Gehirn. Wir betreten da jetzt auch Neuland mit den Samples, das will ja auch erst einmal live eingebaut werden. Fiede spielt jetzt hier und da ‚auf Klick‘, da muss man dann schon einen Vorverstärker für den Kopfhörer und ein Samplegerät dabei haben. Aber Fiede hat da Bock drauf und wir freuen uns, das Ganze endlich live umsetzen zu können.“

Die Band, die ich über ihre Mikrofone hören kann, ebenso wie unseren lieben Jürgen, unterhält sich mit diesem zwischen den Zeilen über Küstennebel, Crack und das verbrennen von Nubbeln. Weitere Themen sind Lemmy, Michelle und berufliche Perspektiven für Ausschläfer. Was für eine Mischpoke. Amore nach Flensburg!