KOMMANDO ELEFANT

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Pathos statt Lebensphilosophie

Irgendwann im Auto: Die Indierock-Radio-Lady kündigt den neuesten Act des Wiener Labels Asinella Records an, ich werde hellhörig, drehe lauter, erwarte reduzierte Songwriter-Klänge. Stattdessen fliegt mir der tanzbare Elektro-Postpunk-Smasher „Wittgenstein“ entgegen. Einige Wochen später: „Kaputt, aber glücklich“, das Debütalbum der 2007 formierten Band aus Wien, befindet sich in meinem Review-Päckchen und ich kann mich davon überzeugen, dass auch der Songwriter-Gedanke kein falscher war, dass hier wunderbar die Brücke zwischen Akustikgitarrenklängen, Postpunk und Elektrosounds geschlagen wird. Musik zu machen ist übrigens das Einzige, was Alf (zuständig für Gesang, Gitarre und die nachfolgenden Antworten), The mechanical Luis an Keyboard und Computer – die beiden waren zuvor in der Elektro-Schlager-Band CAFE AMIGO aktiv – und der neu dazu gestoßene Drummer Rene wirklich können. Sagen sie zumindest ...

Geht ihr gerne in den Zoo? Oder woher der Name?

Nö, in den Zoo gehen wir selten ... Der Name kommt von einem alten Song, der von einer Jugendclique handelt, die die Welt verändern möchte und überall diesen Elefanten an die Wände malt. Im Endeffekt sitzen sie bloß in der Kneipe, trinken und reden darüber, tun aber nichts. Außerdem steht das „Kommando“ für das Elektronische und das „Elefant“ für das Weiche. Aber irgendwie ist es auch der Elefant im Porzellanladen. Und wenn man genug Buchstaben wegnimmt, wird aus KOMMANDO ELEFANT ja KLF ...

In „Wittgenstein“ stellt sich die Frage nach der Lebensphilosophie. Wie ist das jetzt, habt ihr die? Und wie beeinflusst sie eure Texte?

Im letzten Song unserer Platte, „Verkauft & verraten“, gibt es die Zeile: „Entscheidend ist nicht, was man hat, entscheidend ist, wofür man einsteht.“ Und das ist auch der Punkt: Ehrlichkeit. Aber Lebensphilosophie? Kann man so etwas überhaupt haben? Die Leute, die einen mit Lebensphilosophien – meist aus fragwürdigen Ratgeberbüchern oder ähnlichem – vollquatschen, sind ja meist unerträgliche Wichtigtuer. Was die Texte betrifft, das klingt jetzt platt, aber sie werden, wie soll es anders sein, vom Leben beeinflusst, von allem, was rundherum passiert, beschreiben, worüber man sich ärgert, was man liebt. Sie sind nichts Konstruiertes. Konstruierte Kunsttexte sind okay, aber wenn es dann zu sehr ins Künstliche kippt, das ist dann Manierismus. Ich finde es schön, wenn man bei Songs merkt, dass sie von Herzen kommen. Pathos, in der Musik, wie in den Texten, ist mir wichtig.

Ihr besingt Udo Lindenberg, zitiert TOCOTRONIC: Was sind eure Einflüsse, wer die Vorbilder, wie würdet ihr euren Stil bezeichnen?

Wir hören sehr viel Musik, da sind Einflüsse immer da, klar. Zur Zeit laufen gerade viel ARCADE FIRE und diese ganzen Anti-Folk Sachen, aber mit TOCOTRONIC haben wir ja auch schon Bier getrunken, wenn auch nur am Nebentisch, haha. Dieses Hamburger-Schule-Ding war ohnehin schon lange auch unser Ding, die alten BLUMFELD-Sachen, Bernadette La Hengst, DIE STERNE und so weiter. Großartig sind auch die Songs von den „... zu Hause Mama“-Compilations von Trikont. Auch Punk ist und war natürlich immer wichtig für uns, „Verschwende deine Jugend“, MALARIA. Es gibt so viel gutes Zeug da draußen, und neunzig Prozent der Leute hören so einen Scheiß ... Was Udo Lindenberg betrifft, der ist ein knalliger Typ, wohnt da seit Jahrhunderten im Hotel in Hamburg und traut sich nicht auf die Straße. Seine alten Sachen haben wir echt gut gefunden. Und unser Stil? KOMMANDO ELEFANT-Stil...

Ihr seid ja eigentlich ein Duo, holt euch aber auf dem Album jede Menge Unterstützung aus eurem Label-Umfeld. Seid ihr so etwas wie eine kleine Familie? Und wer oder was sind die EASY SISTERS?

Ja, das kann schon so gesagt werden, dass wir hier eine kleine Familie sind, uns alle gefunden haben, uns gegenseitig ... befruchten. Die EASY SISTERS sind im Grunde der Background-Chor und machen, genau genommen, auch besagte Familie aus, also alle, die irgendwie beteiligt waren, von den beiden Produzenten, über die MusikerInnen bis zu den Kindern und der Frau des Herrn Produzenten. Außerdem sind wir gerade dabei, vom Duo zum Trio zu werden, da wir uns Rene von der österreichischen Indie-Band VELOJET als Schlagzeuger ins Boot geholt haben.

Neben eurem Label, Asinella Records, wurden in den letzten Jahren in Wien noch andere kleine, aber feine Labels aus dem Boden gestampft. Wie wirkt sich das auf die Indie-Szene aus? Gibt es die? Kennt man sich?

Ja klar, die Szene lebt, auch wenn sie nach wie vor sehr klein ist, und man sich hier in Wien ständig über den Weg läuft, wenn man in dieser Szene engagiert ist. Wir haben auch selbst mit ein paar Freunden ein kleines Label gegründet, Las Vegas Records, auf dem machen wir aber eher elektronische Sachen, daher wäre eine Veröffentlichung von KOMMANDO ELEFANT nicht so passend gewesen. Aber Asinella ist wirklich ein super Label, mit dem wir sehr zufrieden sind.

„Wittgenstein“ wird gerne auf dem in Österreich wichtgen Sender Radio FM4 gespielt. Seid ihr jetzt Superstars?

Sicher, haha. Nein, das vielleicht nicht, aber das Airplay hat sich schon ausgewirkt, wir bekommen Mails und auf MySpace tut sich viel. Einladungen zu Konzerten und kleineren Festivals sind auch da, vor allem im süddeutschen Raum, wo ja FM4 empfangen werden kann, gibt es einiges an Resonanz. Mittlerweile werden wir auch im deutschen Radio gespielt, zum Beispiel auf Radio 94.5 in München. Ja doch, es tut sich derzeit einiges.

Und was kommt danach? Majordeal, MTV, Ö3 ... ?

Hm, es kommt, was kommt. Wir haben da jetzt keine konkreten Pläne und sehen den Dingen ge- und entspannt entgegen. Wir werden demnächst mit den Arbeiten an der neuen Platte beginnen und dann abwarten, wie es weitergeht. Aber prinzipiell haben wir keine Berührungsängste vor irgendetwas, Plastikpop oder dergleichen sind wir nicht, wir stehen zu dem, was wir machen, und diese Ehrlichkeit merken die Leute hoffentlich. Aber Majordeal oder Ö3, so etwas wäre schon krass, siehe KLF ...

DIE AERONAUTEN haben einmal in einem Interview gesagt, dass sie erst, als sie gemerkt haben, dass sie mit Musik kein Geld verdienen können, alles ganz entspannt gesehen haben, und haben dann, meiner Meinung nach, die besten Platten gemacht.

Wir lassen uns auch gar nicht unter Druck setzen. Das Schöne daran ist aber, dass in jeder nächsten Platte ein Hit drin sein könnte, nicht, dass man jetzt auf einen Hit hinproduziert, aber wenn er passiert, dann ist es doch okay, oder? Die Leute, denen ein Hit passiert, der ihnen dann peinlich ist, finde ich eher seltsam. Und außerdem, was heißt Indie heutzutage? Auf jeden Fall ist es noch eine Haltung.