SCOTT „WINO“ WEINRICH

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Die Rückkehr von SAINT VITUS

Scott „Wino“ Weinrich ist der Pate des Doom-Rock. Mit THE OBSESSED, SAINT VITUS, SPIRIT CARAVAN, PLACE OF SKULLS, THE HIDDEN HAND, seit deren Ende solo aktiv und jetzt auch noch mit dem neuen Projekt SHRINEBUILDER sowie den erneut reaktivierten SAINT VITUS dreht sich das Leben des in der Nähe von Washington, D.C. lebenden Gitarristen und Sängers schon seit mehr als 30 Jahren um Musik mit einem „low end“, wie er es ausdrückt: Heavy Songs in der Nachfolge von BLACK SABBATH, denen er aber seinen ganz eigenen Stempel aufdrückt. Und so sehr das Doom-Genre auch boomen mag, so hat es doch keine Band in den letzten 15, 20 Jahren geschafft, die Magie von SAINT VITUS an Intensität zu erreichen – auch Wino selbst nicht mit seinen diversen Nachfolge-Bands. Da gefällt es umso mehr, dass SAINT VITUS im April 2009 auf dem Roadburn-Festival im holländischen Tilburg nach Jahren wieder live auftreten werden. Darüber und über sein neues Solo-Album „Punctuated Equilibrium“ sprach ich mit Weinrich.

Was hat dich veranlasst, SAINT VITUS nach der Reunion von 2003 jetzt noch einmal ins Leben zurückzurufen?

Ich hatte einfach das Gefühl, dass unser Job noch nicht erledigt ist. Es gibt so viele Leute, die SAINT VITUS nie live gesehen haben. Diese Chance wollen wir ihnen geben, und außerdem ist das derzeit wohl eine gute Zeit für solche Musik. Also dachten wir uns, wir versuchen es nochmal, obwohl es für alle Beteiligten keine einfache Sache ist. Wir leben alle in verschiedenen Bundesstaaten, wir mussten uns zum Proben treffen, und das war für uns schon ein recht aufwendiges Unterfangen, denn wir haben ja auch alle noch andere Dinge zu tun. Letztlich hat uns dann das Roadburn-Festival als solches überzeugt – wenn die Reunion uns irgendwo Spaß macht, dann da.

In welchem Line-up werdet ihr auftreten?

Mit Dave Chandler an der Gitarre, Mark Adams am Bass, Armando Acosta am Schlagzeug – und ich als Sänger.

Und deine Band, die dich als Solo-Künstler live wie auf dem aktuellen Album „Punctuated Equilibrium“ begleitet?

Das bin ich, Jean-Paul Gaster von CLUTCH ist der Drummer, und Jon Blank von REZIN spielt Bass. Jean-Paul ist für mich der beste Drummer überhaupt, wir sind schon lange befreundet und haben unsere Arbeit schon immer gegenseitig bewundert, und so dachten wir, es würde sicher Spaß machen, gemeinsam eine Platte aufzunehmen. Zum Schluss war ich mit meiner alten Band THE HIDDEN HAND überhaupt nicht mehr zufrieden, und so beendete ich das Kapitel und griff die Idee eines Solo-Albums auf, die schon lange in der Luft lag – immer wieder hatten mich Leute danach gefragt. Ich habe für das Album ein paar ganz alte Lieder wiederbelebt und diverse andere aus mir schon lange im Kopf herumgeisternden Ideen weiterentwickelt. Manche Sachen stammen sogar schon von 1979. Und weil viele Stücke so eine lange Geschichte haben, kommt mit der CD auch ein dickes Booklet, in dem ich die Hintergründe zu jedem Lied erzähle: Von wann stammt die Idee, was habe ich damals gemacht, was hat mich beeinflusst, und so weiter. Ich finde das echt cool, ich musste mich wirklich hinsetzen und das alles runterschreiben, und das Artwork gefällt mir auch sehr gut.

Das bedeutet, dass du immer noch an einen richtigen „Tonträger“ glaubst in Zeiten, da Downloads ja so cool sind.

Ach, fuck that. Ein mp3-File hat doch niemals die Soundqualität einer CD. Und schon gar nicht der LP: Als ich die Testpressung meines Solo-Albums bekam, hat mich die Qualität der Aufnahme völlig weggeblasen! Das ist die beste Mastering-Arbeit, die ich jemals zu hören bekommen habe. Ein völliger Gegensatz zum letzten THE HIDDEN HAND-Album: Die Songs waren gut, das Schlagzeugspiel war gut, aber man hörte keinen Bass! Ich hatte mir die Sache leider aus der Hand nehmen lassen, und als ich dann die fertigen Aufnahmen hörte, war da am „low end“ gar nichts! Und die neue Platte ist da das genaue Gegenteil – ich musste bei mir zu Hause beim Anhören sogar die Bässe rausdrehen. Ein voller Klang, das ist gerade bei einer Band in Trio-Besetzung sehr wichtig.

Was ist das Geheimnis, so einen Sound zu erreichen?

Ich finde, dass Studioaufnahmen rüberbringen müssen, wie meine Band live klingt. Untenrum, der Bass, das muss stimmen. Du brauchst zuerst einmal einen richtig guten, starken Bass-Sound im Studio, und den muss man dann auch noch gut aufnehmen. Bruce hat das bei „Mother Teacher Destroyer“ gut hinbekommen, der Bass klingt killermäßig, mit viel Fuzz und WahWah. Das war sein Markenzeichen, aber irgendwie bildete er sich dann ein, dass er nicht nur dafür bekannt sein will. Also änderte er seinen Sound, und irgendwie hat er es nicht geschafft, einen Sound zu finden, mit dem er glücklich ist. Das war das Problem der letzten THE HIDDEN HAND-Platte.

Warum hast du bei deiner Solo-Platte nicht einfach mit anderen Musikern unter dem Namen THE HIDDEN HAND weitergemacht?

Der Name war eine Idee von Bruce, der ja auch der Sänger und Hauptsongwriter war. Mir machte die Zusammenarbeit Spaß, er nahm mir die Bürde des Singens ab und schrieb gute Texte. Wenn ich mir das „Mother Teacher Destroyer“-Album anhöre, dann weiß ich, dass es eine der besten Platten in meiner Musikerkarriere ist. Bruce ist ja auch Toningenieur, und er saß da manchmal nächtelang allein im Studio und tüftelte an seinem Gesang. Er ist wirklich gut, obwohl es auch Leute gibt, denen seine Stimme nicht gefällt. Und es hat ihn schon etwas irritiert, dass man in Artikeln über die Band und die Platten eigentlich immer nur über mich geschrieben hat. Das lag wohl einfach daran, dass ich eben eine lange Geschichte als Musiker habe, er aber relativ neu im Geschäft war. Ich sagte ihm, so sei das nun mal, so verkauft man eben Platten. Ihn störte das aber gewaltig, bis zum Schluss. Und mich störte dann irgendwann, gerade auf der letzten Tour, unser Drummer, der sich jeden Abend so abschoss, dass ich ihn morgens nicht aus dem Bett bekam. Das Ende der Band traf mich deshalb dann nicht mehr besonders, denn Bruce war bei der dritten und letzten Platte einfach nicht mehr bei der Sache, er hatte irgendwie keine rechte Lust mehr, sich um den Mix in dem Maße zu kümmern, wie er das hätte tun sollen.

Das klingt, als hättest du es genossen, bei der Solo-Platte das Sagen gehabt zu haben.

Es war angenehm, obwohl ich eigentlich kein „Control-Freak“ bin und man recht einfach mit mir arbeiten kann. Ich bin durchaus bereit, mir Vorschläge und Ideen anderer anzuhören. Ich habe mich viel mit Jean-Paul beraten, er und Jon hatten gute Ideen.

Was nun SAINT VITUS anbelangt – reden wir da von einer richtigen Reunion oder eben nur Konzerten?

Ich weiß es nicht. Meine Meinung – und ich rede wirklich nur von mir – ist, dass wenn wir das tun, dann richtig, mit einer ganzen Tour, so dass all die Leute, die uns seit Jahren schon sehen wollen, das auch tun können. Aber das ist leichter gesagt als getan, wir haben über viele Dinge geredet, aber was nach dem Roadburn-Auftritt geschieht, steht in den Sternen.

Aber ihr kommt miteinander gut aus.

Naja, wir sehen uns ja nicht, außer bei den Proben. Ich und David haben schon lange Frieden geschlossen, er ist jetzt viel älter und weiser ... Ich hingegen, ich glaube, ich werde nie erwachsen. Armando ist recht alt, er ist schon über 50, was für mich eine interessante Erfahrung ist, denn mit meinen 47 Jahren war ich in letzter Zeit in jeder Band der Älteste. Sowieso war ich bei SAINT VITUS immer das Baby, der Jüngste. Mit 48 macht man sich aber auch so seine Gedanken, was einem im Leben wichtig ist. Wenn du auf Tour gehst, bist du deinen Job wieder los, du kämpfst darum, deine Rechnungen bezahlen zu können, man muss das schon aus wirklicher Überzeugung tun. Es ist nicht einfach so, dass man sagt: „Hey, cool, gehen wir auf Tour!“, sondern das fängt schon mit der Überlegung an, wo ich währenddessen meinen Hund unterbringe und was mich das kostet, und so weiter. Aber ich komme ja gerne nach Europa, gerade für Deutschland habe ich eine Schwäche, denn wie mein Nachname unschwer erkennen lässt, habe ich deutsche Vorfahren.

Das Touren liegt dir also nicht mehr so sehr, dafür hast du neben der Solo-Sache und SAINT VITUS derzeit mit SHRINEBUILDER noch ein drittes Projekt am Start. Was hat es damit auf sich?

Das ist mein neuestes Vorhaben und ich spiele da zusammen mit Al Cisneros von OM und SLEEP, Scott Kelly von NEUROSIS und Dale Crover von den MELVINS. Im Januar haben wir das Album aufgenommen, und erscheinen wird es auf Neurot. Mehr will ich im Moment noch nicht verraten.

Na dann – wir sind gespannt!