DAVID SCHUMANN

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Was macht eigentlich ...

Er ging nach Japan, um zu studieren, wurde unverhofft als Model entdeckt, schrieb darüber eine Kolumne, die auch im Ox zu lesen war, und unlängst erschienen die zusammengefassten Texte als „The Tokyo Diaries“ in Buchform. Zeit für ein Update des Interviews aus Ox #75.

Seit ein paar Wochen ist dein Buch raus – was ist das für ein Gefühl, das Teil im Schrank stehen zu haben?

Das ist auf jeden Fall erst mal überragend! Ich habe da ja lange dran gearbeitet, drei Jahre insgesamt, und zu sehen, dass es jetzt endlich draußen ist und sogar überall gut angenommen wird, ist natürlich extrem befriedigend und erfüllend. Ist im Prinzip ein ähnliches Gefühl, wenn man ein Album mit einer Band rausbringt, nur dass im Falle eines Buches natürlich noch viel mehr von einem selbst drin steckt, zumal man das ja ganz alleine gemacht hat.

Wie lief die Arbeit an dem Buch ab? Du hattest die Texte ja schon, sie waren ja zuvor teils als Kolumnen im Ox erschienen, doch was kam letztlich ins Buch, was wurde geändert, gestrichen, hinzugefügt?

Die ersten zwei Jahre habe ich einfach fast jeden Tag geschrieben – teilweise tagebuchartige Einträge, in denen wirklich nur stand, was an dem speziellen Tag alles passiert ist, teilweise pop- und sub-kulturelle Betrachtungen über die Situation in Japan und wie sie sich vielleicht von unserer unterscheidet. Das Buch hat sich so also echt fast von alleine geschrieben, da ich einfach jeden Tag so viel erlebt und zu verarbeiten hatte, dass ich mich abends einfach nur vor den Laptop setzen musste und schon ist es mir aus den Fingern geflossen. Teile davon, Ausschnitte aus den ersten drei Monaten, glaube ich, habt ihr dann ja im Ox veröffentlicht. Ich habe dann, als ich gemerkt habe, dass ich da einfach so viel zu erzählen hatte, dass es den Rahmen eines monatlich erscheinenden Fanzines gesprengt hätte, damit aufgehört, die Sachen irgendwo zu veröffentlichen und schon ganz bewusst auf die Veröffentlichung als Buch hingearbeitet. Das habe ich beim Schreiben selbst gemerkt, dass da Potenzial drinsteckt, eine etwas breitere Leserschaft ansprechen zu können. Und so habe ich dann das dritte und letze Jahr, wieder zurück in Deutschland und mit Verlag im Rücken, damit verbracht, das Ganze in eine für alle lesbare Form zu bringen, was auf jeden Fall das härteste Stück Arbeit war. Ich hatte insgesamt fast tausend Seiten am Start, aus denen ich dann die 350, die jetzt das Buch bilden, ausgewählt und redigiert habe. Ich bin im Sommer 2008 noch mal für einen Monat nach Japan geflogen, habe mich da in ein kleines Haus eingemietet und jeden Tag acht Stunden am Feinschliff gearbeitet. Na ja, und irgendwann war’s fertig!

Wie läuft es bisher? Hast du schon viele Interviews gegeben, gab es wieder so lustige Verdrehungen und Übertreibungen wie vor einem Jahr, als die Berichte bei RTL und Spiegel erschienen sind?

Es läuft auf jeden Fall um Längen besser, als ich mir das in meinen wildesten Träumen erwartet hätte! Ich war Literaturtip bei ARTE, die auch einen Bericht darüber gedreht haben, diesen Monat kommt mich ein Team der ARD in Tokio besuchen, ich hatte ganzseitige Berichte in taz und Frankfurter Rundschau ... Da hätte ich natürlich nie mit gerechnet, was natürlich teilweise auch an der wirklich großartigen Arbeit der Leute von meinem Verlag liegt, aber was mich daran am meisten freut, ist, dass ich von allen möglichen, komplett verschiedenen Medien super Reviews bekommen habe, sowohl von kleinen Punk-Fanzines, als auch von großen, etablierten Hochglanzmagazinen. Das ist natürlich ein großes Kompliment für mich, und ich bin jeden Tag dankbar und froh darüber. Klar, hat es auch wieder die üblichen Verdrehungen gegeben, aber mittlerweile kann ich eigentlich nur noch darüber lachen. Es gibt einfach so viele Journalisten – und eben nicht nur im Boulevardbereich –, die ihre Arbeit nicht richtig machen, kaum recherchieren und im Prinzip nur voneinander abschreiben. Was eben dazu führt, dass überall steht, ich hätte einen schwulen Fanclub, bekäme horrende Gagen und so einen Unsinn. Ich bin mir aber auch sicher, dass alle mündigen Leser sich selbst ein Bild davon machen können, was zutrifft und was nicht. Die meisten Leute sind nicht so dumm, wie die Medien es vermitteln.

Und was treibst du sonst so? Was macht die Band, was macht der Job, was macht das Model-Business in Zeiten der heftigsten japanischen Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten?

Ich war ja nach Beendigung meines Austauschs über ein Jahr in Deutschland, habe da mein Japanologie-Studium abgeschlossen – wurde mit über dreißig auch so langsam Zeit – und arbeitete ansonsten als DJ und Übersetzer. Irgendwann habe ich dann mit Nico, der früher bei SUMMERS LAST REGRET war, meine jetztige Band GO AS IN GORGEOUS gegründet, wobei es sich dabei eigentlich eher um ein Zwei-Mann-Projekt als um eine richtige ,,Band‘‘ handelt, bei dem wir augenzwinkernd probieren, Club-kompatiblen Pop-Punk zu spielen. Die EP ,,Aint Broke. Dont Fix.‘‘ ist inzwischen auf Redfield erschienen. Vor ein paar Monaten bin ich dann zurück nach Tokio gegangen, wo ich im Moment fulltime als Model arbeite. Das bezahlt halt, trotz Wirtschaftskrise, noch immer irgendwie die Miete und lässt mir nebenbei genug Zeit, die Dinge zu tun, die ich wirklich tun will, also Musik machen, schreiben, mir jeden Tag zehnmal den Kopf an für Westler zu niedrigen Türen stoßen.

Führst du eigentlich weiterhin Tagebuch, ist da ein weiteres Buch oder so zu erwarten?

Das auf jeden Fall! Ich denke zwar nicht, dass es noch mal die Form eines Tagebuchromans annehmen wird, aber ich bin schon dabei, an einer Art Fortsetzung zu arbeiten. Außerdem gehe ich im Herbst dieses Jahres mit den „Tokyo Diaries“ auf große Lesereise in Deutschland, wir arbeiten gerade daran, den richtigen Booker dafür zu finden, und dann bin ich wohl spätestens September/Oktober in den Jugendzentren und Buchhandlungen der Republik auf Tour, worauf ich mich auch schon ohne Ende freue!