BITTER END

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Metallic New York Hardcore From Texas

In den letzten Jahren gibt es immer weniger neue Platten, die ich mir auch Jahre später noch regelmäßig anhören kann. Eine dieser Ausnahmen ist „Climate Of Fear“, die erste LP von BITTER END, auf der die Band aus San Antonio, Texas einen eigenen Sound zwischen klassischem NYHC und Metal gefunden hat, ohne nach Metalcore zu klingen. Ich schnappte mir Sänger Daniel Rosen auf der zweiten Europatour der Band, um ihn auf einem Antwerpener Parkplatz auszuquetschen.

Ihr nehmt ja bald eine neue LP auf. Inwiefern wird sie sich von „Climate Of Fear“ unterscheiden?

Ja, wir schreiben momentan an einer neuen Platte, die wir hoffentlich im August oder September aufnehmen werden. Einige Songs sind auch schon komplett fertig, und für die anderen haben wir Riffs, die wir nur noch zusammensetzen müssen. Es ist etwas hart, da wir alle von der Arbeit oder Schule aufgehalten werden, aber bis Ende diesen Jahres oder Anfang 2010 sollte sie raus sein. Ich mag „Climate Of Fear“, aber wenn ich sie mir anhöre, denke ich oft, dass die Songs etwas zu langsam sind. Jeder von uns schreibt Teile der Songs, aber Griff, unser Gitarrist, schreibt das meiste, und er hört momentan eine Menge MERAUDER, also wird das wohl durchscheinen. Ich denke, dass sie nicht nur schneller, sondern auch härter als die erste LP ausfallen wird.

Ihr seid jetzt zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Monaten auf Europatour, warum habt ihr nicht auf das Release der LP gewartet?

Powered Records haben uns gefragt, ob wir mit TRUE COLORS touren wollten. Auch wenn wir unterschiedliche Stile von Hardcore spielen, ist das gut, da jede Band so ein etwas anderes Publikum zieht. Wir hätten natürlich warten können, aber da es uns hier letztes Mal richtig gut gefallen hat, und unsere 7“ damals noch nicht raus war, sind wir halt rübergekommen. Und auch wenn wir nicht viele neue Songs haben, spielen wir immerhin einen davon auf jeder Show.

Ich habe euch auf der letzten Europatour nur einmal gesehen, aber da scheint ihr richtig gute Resonanz bekommen zu haben. Wie lief es auf den anderen Shows?

Die Tour war der Hammer, aber natürlich gab es auch die eine oder andere Show, die eher schlecht war. Da es unsere erste Tour war, hatte ich keine Ahnung, was ich zu erwarten hatte. Bei der ersten Show sind ein paar Leute abgegangen, aber die zweite in Belgien war dann ziemlich verrückt. Das war ein super Gefühl, ich meine, ich bin nur ein einfacher Typ aus Texas, und dann sind da plötzlich Kids in Belgien, die unsere Texte kennen. Im Laufe der Tour habe ich dann rausgefunden, dass es auch in Polen oder Frankreich Leute gibt, die uns abfeiern. Deswegen wollten wir auch wiederkommen, auch wenn die letzte Tour etwas zu lang war.

Gerade in Deutschland sieht man immer mehr Fashioncore-Kids auf Shows, ist das in Texas ähnlich?

Es ist genau so. Alle zwei Jahre hat man eine neue Gruppe dieser Kids, die plötzlich zu Shows kommen und dann schnell wieder verschwinden. Einerseits ist das auch schon nervig, weil man oft sehen kann, dass die einfach aus dem falschen Grund zu Shows kommen. Andererseits sollte man die nicht immer alle direkt verurteilen, weil sich auch immer ein paar davon eben nicht nach sechs Monaten etwas Neues suchen. Ich meine, jeder war irgendwann mal ein dummer Jugendlicher, das von nichts eine Ahnung hatte.

Aber gerade die Kids würden über dich wahrscheinlich sagen: „Guck mal, der hat ja gar keine Tattoos oder Flesh Tunnels, der ist nicht Hardcore.“

Die Leute, die denken, dass man, um Hardcore zu sein, Tattoos haben muss, werden eh nicht lange dabei sein. Ich versuche, die zu ignorieren, auch wenn sie oft mal nerven. Wenn wir auf Tour sind, gibt es immer irgendwo Leute, die auf dem Boden geblieben sind, und Hardcore lieben, mit denen wir uns anfreunden und die mich davon abhalten, wegen diesen anderen Leuten so die Schnauze voll zu haben, dass ich die Band und das alles hinschmeiße.

Mit euch und IRON AGE hat Texas meiner Ansicht nach zwei Metal-inspirierte Hardcore-Bands, die einen wirklich eigenen Sound haben. Meinst du, dass das daran liegen könnte, das Texas etwas weiter entfernt ist von den typischen „Hardcore-Städten“? Oder liegt es einfach am Gras?

IRON AGE lieben Gras, auf unserem Trip hierhin haben wir ein paar von ihnen mit anderen Freunden von uns getroffen, die sind gerade in Amsterdam unterwegs. Texas ist, simpel gesagt, ein Staat, in dem viele Metal lieben. Vielleicht wurden wir deswegen etwas zum Thrash und Death Metal hingezogen. Es passierte einfach. Als IRON AGE und wir angefangen haben, ging es bei beiden Bands eher in die klassische New York Hardcore-Richtung. Manche Leute sagen ja auch, dass wir IRON AGE Nummer zwei seien, was ich nicht so ganz nachvollziehen kann. Wenn wir ähnlich klingen, liegt es nicht daran, dass wir uns gegenseitig kopieren, sondern weil wir einen ähnlichen Geschmack haben. Unsere erste Tour war auch für IRON AGEs die erste, damals hatten beide Bands nur Demos raus, die vielleicht teilweise etwas ähnlich klangen. Als ich mir damals NUCLEAR ASSAULTs „Handle With Care“ gekauft habe, hat Jason von IRON AGE sie sich von mir geliehen, und wir fingen alle an, mehr solche Musik zu hören. Aber die Bands haben sich beide in eine etwas andere Richtung entwickelt, wir haben immer noch einen etwas Hardcore-lastigeren Sound als IRON AGE.

Für mich klingt das IRON AGE-Demo auch eher nach langsamen CRO-MAGS.

Genau, sie fingen mit diesem CRO-MAGS-, OUTBURST- und BREAKDOWN-Sound an, und auf ihrer ersten LP höre ich zumindest eine Menge frühe CORROSION OF CONFORMITY heraus. Die neue IRON AGE-LP ist der Wahnsinn, auch wenn sie keine wirkliche Hardcore-Platte mehr ist. Sie ist heavy, manchmal langsam und melodisch, eigentlich der Traum eines jeden, der auf Drogen ist. Ich bin straight edge, aber ich kann mir vorstellen, dass die Platte auf Drogen richtig gut kommt.

Wo würdest du die Linie zwischen einer Hardcore- und einer Metalcore-Band ziehen?

Das ist so schwer zu erklären, aber ich denke, dass Metalcore einfach keine Punkrock-Wurzeln mehr hat. Und auch wenn Hardcore sich immer mehr vom Punk entfernt hat, gibt es im Hardcore immer noch eine gewisse Punk-Mentalität, während die neuen Metalcore- und Deathcore-Bands, oder wie auch immer sie sich bezeichnen wollen, diese Mentalität abgelegt haben. Es fühlt sich einfach anders an. Ich kam durch Punk an Hardcore. Ich liebe immer noch den klassischen Punk, ich höre viel Oi! und Metal. Man muss einfach respektieren, woher diese Musik stammt. Einigen der jüngeren Kids, die heutzutage zu Hardcore kommen, ist das gar nicht mehr bewusst.

Wo siehst du dich später mal musikalisch?

Ich wollte schon immer mal in einer Band singen, die eher den frühen Achtziger-Hardcore spielt, irgendwo zwischen SSD, frühen AGNOSTIC FRONT und STRAIGHT AHEAD. Alles ist möglich. Ich weiß nicht, ob ich mal in einer Punkband singen werde, aber ich liebe ja auch Streetpunk, so wie zum Beispiel OXYMORON.

Was steht denn bei euch neben der neuen LP noch an?

Wir werden HAVE HEART zwei Wochen auf dem US-Teil ihrer Abschiedstour begleiten, zusammen mit SHIPWRECK und CRUEL HAND. Und an der LP arbeiten. Ein paar von uns werden im Sommer wieder an die Uni gehen.

Seid ihr denn alle noch Studenten?

Drei von der Kernband sind Studenten, die anderen beiden arbeiten Vollzeit. Insofern können wir halt nie richtig lang touren, aber es ist auch gut, dass wir alle einen gewissen Karriereweg beschreiten. Auch wenn ich gerne einmal in Australien oder Japan touren würde, wäre ich nicht traurig, wenn sich die Band morgen auflösen würde, da wir schon viel rumgekommen sind. Mal sehen, wie es nach der zweiten LP weitergeht.