NIKOTEENS

Foto

Hardcore Holocaust

Im Herbst 2008 erschien eine neue 5-Song-EP der NIKOTEENS, die in Deutschland schon Hardcore spielten, als die meisten der Leute noch nicht mal geboren waren, die heute, von Kopf bis Fuß volltätowiert, glauben, diesen Sound erfunden zu haben. 1981 erschien die erste EP der Bayern, 1983 das „Aloah-Oehh“-Album, 1984 das „Skateboard Tape“, 1986 die „Hardcore Holocaust“-LP – und dann war Schluss, und im Gegensatz zu beispielsweise INFERNO erinnert sich heute kaum noch jemand an die NIKOTEENS. Dabei ist das Trio schon seit 2002 wieder aktiv, spielte hier und da mal ein Konzert – und ging letztes Jahr dann auch nochmal ins Studio. King B., Loni und Trash-Bep beantworteten meine Fragen zu damals und heute.

Was war das damals für eine Zeit, was für eine Szene, als ihr in Ingolstadt die NIKOTEENS gegründet habt?

King B.: Besonders viel los war in Ingolstadt nun nicht gerade. Die Szene war geprägt von 70s-Bombast-Rock, Glamrock und Hippies. Man selbst hörte aber auch die neuen Klänge des Punkrocks. Das war letztlich ausschlaggebend für unsere musikalische Richtung. Es war Ende 1979, als aus den SHABBY DOGS die NIKOTEENS entstanden, quasi als Antwort auf die damals populären TEENS. Wir sangen jedoch überwiegend deutsch, waren hart und totaler Underground. Anfang ’80 verließ ich meine damalige Band HECTICS, um künftig bei den NIKOTEENS zu trommeln. Diese Trio-Kombi, Trash-Bep, Hubsi und ich, entsprach dann auch der Besetzung der ersten 7“. Wir kannten uns aus dem örtlichen Plattenladen Musicland vom Platten suchen, reinhören ... Es entstand sofortige Sympathie, da abgesehen von der Vorliebe für schnelle harte Musik auch auffrisierte Mopeds gleichermaßen von höchstem Interesse waren.

Ihr wurdet damals als „Hardcore-Punk“ bezeichnet. Wofür stand das, musikalisch und inhaltlich?

King B.: Nun, wir waren immer sehr schnell. Da kam aus den USA der Ausdruck „Hardcore“ rüber, was eigentlich auch unser Ding war. Unser „Hardcore Holocaust“-Demo von 1984 enthielt Songs, die geschwindigkeitsmäßig die Schallmauer durchbrachen, womit wir vergleichbare Bands wie INFERNO klar abhängten. Letztlich waren wir aber auch Auslegungssache, da wir nicht nur Highspeed-Songs spielten, sondern auch Midtempo-Punkrock. Textlich bewegten wir uns zwischen Spaß und Aussage. Großartig politisch waren wir nie.

„Hardcore Holocaust“ war ein sehr harter Titel. Wie wurde der seinerzeit von den Leuten aufgenommen, was wolltet ihr damit sagen, und warum zuckt man heute noch zusammen, wenn man den hört oder liest?

Trash-Bep: Den Titel hatte King B., unser Drummer, damals Ende 1984 aus einem amerikanischen Fanzine übernommen. Den Namen des Magazins weiß ich leider nicht mehr. Uns gefiel ganz einfach die Phonetik. Es hat nichts mit unserer Vergangenheit als Deutsche zu tun. Generell hatten wir diesbezüglich nie ein negatives Feedback erhalten. Jeder, der die Platte gehört hat, weiß, was gemeint ist.

Was waren eure Einflüsse, wie seid ihr zu Punk und Hardcore und dem Skaten gekommen?

King B.: In unseren Songs ist viel drin: von Rock’n’Roll bis Punk, 70s-Hardrock bis Blues. Nach dem Komponieren liegt es dann halt an der Spielweise und herauskommt der NIKOTEENS-Sound. Skaten war eine spaßige Abwechslung zum Mopedfahren, ohne dabei irgendeinen Trend mitzumachen. Es hat einfach nur Spaß gemacht ...

1983 erschien eure legendäre LP „Aloah-Oehh“. Wie lief die Entstehung, wie kam es zum Deal mit dem damals noch unverdächtigen Label Rock-O-Rama, wie waren die Reaktionen?

King B.: Nun, einen kleinen Namen hatten wir uns ja bereits 1981 durch die erste EP gemacht. Die Aufnahmen dazu waren schon recht abenteuerlich. Eigentlich waren die Songs für den zweiten „Soundtrack zum Untergang“-Sampler bestimmt. Wir wurden deshalb für Aufnahmen zu Aggressive Rockproduktionen in Berlin eingeladen. Da zum dem Zeitpunkt keiner von uns über 18 war, hatte natürlich auch keiner einen Autoführerschein. Von daher wurden wir von einem schon älteren Freund im VW-Käfer nach Berlin kutschiert, was damals einer Weltreise gleichkam. Walterbach, der Inhaber von AGR, hatte jedoch aus irgendeinem Grund ein Problem mit dem Text unseres Songs „Bomben über Russland“, worauf er dann gleich gar nichts mehr von uns auf den Sampler nehmen wollte. Wir kauften ihm vor Ort das Band ab und veröffentlichten alle fünf Songs selbst als EP. Danach spielten wir natürlich auch diverse Konzerte, so dass wir zumindest im süddeutschen Raum bereits einen höheren Bekanntheitsgrad hatten. Der Kontakt zu Rock-O-Rama Records kam dann über befreundete Bands aus dem Allgäu zustande. Wir schickten ein Demotape an Egoldt, den Inhaber vor ROR, welches ihm spontan zusagte, so dass er uns nach Köln zu Aufnahmen einlud. Dort ging alles sehr schnell über die Bühne. Aufnahme und Mix in zwei Tagen – dementsprechend wurde auch die Soundqualität. Der Mischer hatte von Hardcore offenbar auch keinen blassen Schimmer, sondern kam aus irgendeiner anderen Ecke. Er schaute uns beim Einspielen mancher schneller Songs durch seine Mixer-Fenster an, als ob wir von einem anderen Stern wären. Der Plattendeal selbst war auch kurz und knapp: Wir können umsonst aufnehmen, bekommen dafür kein Geld, nur ein paar Platten zum Selbstverkauf. Angeblich wurde die LP über die Jahre 20.000 mal verkauft, wobei es dafür keine definitive Gewissheit gibt. Die Resonanz auf die LP war weitaus größer als auf die EP. Damals bekam man sogar noch Fanpost, oft auch aus dem Ausland! Dass wir nun international Zuspruch bekamen, lag wohl auch an der positiven Besprechung im US-Fanzine Maximum Rocknroll.

Wie ging es dann weiter, wann und warum war Schluss?

King B.: 1986 produzierten wir unsere zweite LP, welche sich musikalisch von der ersten unterschied. Das war mehr US-orientierter Sound. Ein paar Monate danach zerbrach die Band, da jeder irgendwie seine eigenen Wege ging. Mit neuen Leuten machte ich dann noch bis Ende der 80er weiter. Offiziell veröffentlicht wurde aber nur noch der Underground-Hit „Leader of the rotten corpse“ auf einem Sampler. Dazu gab es sogar ein Video, welches seinerzeit häufiger beim Fernsehsender Tele 5 lief. Ein paar Auftritte zusammen mit den CRO-MAGS folgten. Uns wurde auch angeboten, im Vorprogramm von MOTÖRHEAD zu spielen. Da hätten wir uns jedoch einkaufen müssen, was unser Budget damals aber überstieg. Nachdem wir uns in der Endphase in SHOTGUN MG umbenannt hatten, lösten wir uns schließlich auf. Wir waren an einem Punkt angelangt, wo wir nicht mehr weiterkamen.

Wie kam es zur Reunion, wer ist noch dabei, was ist in der Zwischenzeit passiert?

Loni: 2002 wurden die NIKOTEENS wieder aktiv, einfach nur aus Spaß an der Musik. King B. aka Ted Gerold und ich spielten zu dem Zeitpunkt bereits seit einigen Jahren zusammen in einer anderen Band. Nachdem der Originalbassist nicht mehr verfügbar war, wurde ich gefragt und los ging’s. Wir probten damals in dem ungedämmten Nebenraum eines öffentlichen Parkhauses. Das donnerte natürlich ordentlich durch, was komischerweise aber recht lange gut ging. Unser Programm enthielt damals eine Best-Of-Playlist der Platten. Wir spielten immer wieder mal einzelne Gigs im In- und Ausland. Irgendwann lösten King und ich unsere zweite Band auf und steckten unsere Zeit nur noch in die NIKOTEENS. So entstanden auch wieder neue Stücke. Wir gingen dann recht spontan ins Studio und produzierten fünf Songs, welche wir unter dem Titel „Full Speed Ahead“ als 12“-Eigenproduktion in einer Miniauflage von 300 Stück rausbrachten, Vinyl only. Die Scheibe war an sich als Dankeschön an unsere Live-Fans gedacht, die uns während der ersten Konzerte stark motivierten. Die Platte ist deshalb nur auf Live-Konzerten oder jetzt auch direkt bei uns erhältlich. Zwischenzeitlich haben wir wesentlich mehr neues Material im Programm. Halb Punkrock-, halb Hardcore-Songs. Als Nächstes ist eine komplette LP geplant. Dieses Jahr feiern wir dreißigjähriges Jubiläum. Das wäre für eine LP natürlich ein super Anlass, aber das werden wir zeitlich wohl nicht schaffen ... Wir sind aktuell wieder als Trio unterwegs. King und Trash-Bep sind noch von der Originalbesetzung dabei und ich bin der neue Mann am Bass. Aktuell bewegen wir uns fern von jeglichen Trends: unsere Corporate Identity ist schwarz/weiß, die Aufnahmen nicht überproduziert, wir sind generell von niemandem abhängig – einhundert Prozent D.I.Y.!