SUICIDE SILENCE

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Dieses Mal ist es persönlich

SUICIDE SILENCE hatten es in der Vergangenheit nicht immer leicht. Oft wurden sie als Fashion-Scenester abgetan, deren Musik jegliche Substanz abginge. Trotz alledem hat das Debüt „The Cleansing“ den Status eines kleinen Deathcore-Klassikers erreicht und auch die Band gibt es noch immer. Inzwischen ist sogar der ebenso gelungene Nachfolger „No Time To Bleed“ fertig. Pünktlich zu dessen Veröffentlichung stand mir Frontmann Mitch Lucker Rede und Antwort, wobei sich herausstellte, dass der volltätowierte Schreihals stärker über den Szenerand hinausblickt, als so mancher erwartet hätte.

Euer erstes Album, „The Cleansing“, wurde im Studio live aufgenommen, während ihr bei „No Time To Bleed“ eher so gearbeitet habt, wie es heute üblich ist, sprich: Ihr habt alle nacheinander eure Parts aufgenommen. Woher der Sinneswandel?

Alles nacheinander aufzunehmen, hat haufenweise Vorteile, vor allem weil wir wollten, dass das Album genau so wird, wie wir es uns vorgestellt haben. Es hat auf jeden Fall Spaß gemacht, „The Cleansing“ aufzunehmen. Aber diesmal wollten wir definitiv einen draufsetzen, deshalb haben wir „No Time To Bleed“ erheblich detaillierter ausgearbeitet.

Textlich ging es auf eurem Debüt in erster Linie um Gewalt und gegen Religion, was alles in allem typisch für Death Metal ist. Worum geht es denn nun auf eurem neuen Album?

„The Cleansing“ war auf jeden Fall gegen die gesamte Welt gerichtet und sehr angepisst. Es ging mir dabei gar nicht mal darum, typisch Death Metal zu sein. Es lag einfach nur daran, dass ich ziemlich hasserfüllt war. Auf „No Time To Bleed“ sind die Texte nun erheblich persönlicher. Es geht darum, Hindernisse zu überwinden und sich nicht von Kleinigkeiten abhalten zu lassen, die einem im Weg sind. Die Songs beziehen sich viel stärker auf mein eigenes Leben und neue Ansichten, besonders jetzt, wo ich eine kleine Tochter habe. In meinem Kopf hat sich viel geändert und ändert sich auch jetzt noch.

Was genau bedeutet der Titel „No Time To Bleed“?

Er steht für die Haltung, die wir alle gegenüber dem größeren Ganzen einnehmen sollten: Vergesst die Kratzer und kleineren Schnitte, die euch das Leben verpasst, das lenkt alles nur ab. Und je schneller man darüber hinwegkommt, desto besser.

Ihr seid ja inzwischen ganz schön erfolgreich und auch über die Deathcore-Szene hinaus bekannt, was bei eurer doch extremen Musik schon verwunderlich ist. Wie kommt ihr denn so mit dieser Entwicklung zurecht?

Das ist auf jeden Fall ein komisches Gefühl. Diese Entwicklung ist aber definitiv nicht von allein gekommen, sondern dank sehr viel harter Arbeit. Wir haben jedes Jahr hunderte von Shows gespielt in dem Bewusstsein, dass es so nur eine gewisse Zeit dauern würde, bis den Medien einfach nichts anderes übrig bleibt, als Notiz von uns zu nehmen. Es mag ja auch sein, dass unsere Musik ab und an auf MTV gespielt wird, aber dafür sind wir nie irgendwelche Kompromisse eingegangen. Eines unserer Videos, „The price of“, war MTV zu krass und wurde deshalb nicht gespielt, was uns, ehrlich gesagt, besser gefällt, als wenn sie eines zeigen.

Auf „The Cleansing“ waren viele verschiedene Einflüsse von Metalcore bis hin zu brutalem Death Metal zu hören, „No Time To Bleed“ klingt nun zeitweise gar nach Bands wie SLIPKNOT und anderen modernen Metal-Bands. Sind das bewusste Einflüsse?

SLIPKNOT waren diesbezüglich auf jeden Fall ein wichtiger Einfluss und haben uns dazu gebracht, in einer Band spielen zu wollen. Die DEFTONES haben uns ebenfalls unmittelbar dahingehend beeinflusst, so extreme Musik zu machen. Wir mögen aber auch ruhigere Musik, wie zum Beispiel COLDPLAY. Das breite Spektrum an verschiedenen Einflüssen war es vermutlich, was dazu geführt hat, dass SUICIDE SILENCE so aggressiv sind.

Würdet ihr jemals in Betracht ziehen, unverzerrten, melodischen Gesang zu verwenden, wenn es zu einem Song passen würde?

Niemals wird es bei uns unverzerrten oder melodischen Gesang geben. Zumindest nicht im konventionellen Sinn. Das wäre einfach nicht mehr SUICIDE SILENCE.

Wo fühlt ihr euch eigentlich am ehesten zu Hause? Im Metal ja definitiv, aber auch im Punk/Hardcore? Oder seht ihr die Metalcore/Deathcore-Szene eher losgelöst von der ganzen Mentalität hinter Punk und Hardcore?

Wir haben viele Fans, die vom Hardcore kommen, aber Punk wäre sicherlich etwas weit hergeholt. Diese ganze Extrem-Underground-Metal-Sache ist der Entwicklung von Punk in den Achtzigern ziemlich ähnlich, inklusive des organischen Wachstums abseits des Mainstreams. Heutzutage gibt es noch immer viele Menschen, die Spaß daran haben, Musik in möglichst viele verschiedene Genreschubladen einzusortieren. Aber es gibt auch tonnenweise Fans, die alle möglichen verschiedenen Arten von Musik mögen. Das Internet hat bei dieser Entwicklung wahnsinnig geholfen. Im Endeffekt fühlen wir uns in so ziemlich jedem Genre zu Hause, solange wir auf der Bühne stehen und Musik machen.