BELA B

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Der Weg zum eigenen Herzen

Bela B ist Trommler bei DIE ÄRZTE. Bela B spielt gerne mal in Kino- und Fernsehfilmen kleinere und größere Rollen. Bela B hilft gerne befreundeten Bands als Gastmusiker aus. Bela B liest gerne mal ein Hörbuch ein. Und Bela B versucht sich inzwischen auch regelmäßig als Solokünstler. Und so ist nun sein zweites Album „Code B“ erschienen. Ein solcher Tausendsassa hat viel zu erzählen, da wird einem nicht langweilig. So nahm ich das neue Album zum Anlass, mal wieder mit ihm über Musik, Kunst und Frauen zu plaudern.

Was ist der „Code B“?

Der Code zu meinem Herzen ... Den Code B gab es schon, bevor es die Platte gab. Du denkst ja bei Code gleich an so Dinge wie Chiffriermaschinen und all so ein Agentenzeug. Und da Gitarren wie in den Soundtracks zu solchen Filmen in meiner Musik eine große Rolle spielen, war das ein guter Titel fürs Album. Dazu kam später, dass man den Titel auch auf die Texte beziehen kann, die ja deutlich persönlicher sind als die, die bei dem Bela von DIE ÄRZTE stattfinden. Dort herrschen ja deutlich mehr Ironie und schwarzer Humor vor.

Schon auf der ersten Platte fanden sich Duette, jetzt wieder. Woher rührt der Reiz, sich immer mal wieder jemanden ins Studio an die Seite zu holen?

Bei DIE ÄRZTE ist das ja genau anders. Da suchen wir nicht nach Inspirationen von außen und bekennen uns auch nicht so zu einem direkten Fantum. Auch wenn wir da natürlich ebenso unsere Vorbilder haben, so genügen wir uns doch selbst in unserem Mikrokosmos, den wir drei verstehen. Wenn wir da mal einen Gastmusiker haben, dann nur, weil er sein Instrument viel besser beherrscht. Ich hole mir die Leute ja wegen etwas ganz anderem dazu, nämlich weil ich sie so großartig finde. Das hat natürlich auch ein wenig mit Namedropping zu tun. So habe ich mir Marcel Eger nicht geholt, weil er so ein super Schlagzeuger ist, sondern weil er in meinem Lieblingsfußballverein spielt und ein Freund von mir ist. Und von Chris Spedding hatte ich in meinem Kinderzimmer ein Poster hängen. Eigentlich wollte ich nur mal ein Autogramm von ihm haben. Jetzt sammele ich aber keine Autogramme mehr, sondern Duette. Ich hätte Chris Spedding schon gerne auf „Bingo“ dabei gehabt. Da lebte er aber noch in Amerika und plante gerade eine Allstar-Tour, so dass es zeitlich nicht passte. Jetzt ging es ganz einfach, da er inzwischen in England lebt und bei einem alten Kumpel von mir auf dessen Platte mitgespielt hat. Der hat dann den Kontakt hergestellt. Chris Spedding selber war dann ganz pflegeleicht. Für den war das ein Job. Und Alessandro Alessandroni ist ein Filmkomponist, der an vielen europäischen Horrorfilmen und Western aus den Sechzigern und Siebzigern beteiligt war und oft mit Ennio Morricone zusammengerabeitet hat. Der hat die Mundharmonika bei „Spiel mir das Lied vom Tod“ gespielt, ganz oft Gitarre, gepfiffen und all so was. Ich hoffe, dass ich ihn noch mal persönlich kennen lerne, der ist immerhin schon über achtzig. Die Aufnahmen mit ihm haben wir komplett übers Internet gemacht. Der hat das alles in Namibia, wo er größtenteils lebt, eingespielt und arrangiert. Das Sympathische ist ja, dass solche Typen gar nicht wissen, dass es da draußen Leute wie mich gibt, für die sie echte Ikonen sind. Die sehen sich einfach nach wie vor als praktizierende Studiomusiker. Die letzte Duettpartnerin ist Emmanuelle Seigner. Die habe ich über eine gemeinsame Platte von ihr mit der französischen Band ALTER ORANGE kennen gelernt. Die Platte habe ich ein Jahr lang in meinem Auto rauf und runter gehört. Daraufhin habe ich sie angeschrieben. Gemeldet hatte sie sich dann erst sehr spät, als die Aufnahmen schon fast fertig waren, weil sie noch bei Dreharbeiten eingespannt war. Hauptberuflich ist sie Schauspielerin und mit Roman Polanski liiert. Auf jeden Fall war das Arbeiten mit ihr im Studio sehr angenehm und abschließend versprach sie mir noch, auf der Tour zur Platte bei einem Konzert mitzusingen.

Mit wem würdest du in Zukunft gerne noch Duette einsingen? Gibt es da schon Namen?

Da gibt es total viele. Zum Beispiel Jello Biafra, den hätte ich gerne schon für das Intro beim „Bobotanz“ dabeigehabt. Joan Jett hat schon zwei Mal nicht geantwortet. Aber im Hinterkopf schwirren mir noch einige Namen herum.

Du wirst ja wiederum selbst als berühmter Popstar ständig von kleineren Bands gefragt, ob du nicht auf deren Platte mitmachen würdest.

Was ich ja auch schon zu Genüge gemacht habe. Aber da habe ich eben selbst viel Verständnis für. Das ist halt eine Fan-Sache. Da kann man dann stolz drauf sein, mit solchen Leuten so was gemacht zu haben. Einen Song mit Lee Hazelwood aufgenommen zu haben, ist für mich einfach das Größte und hat bei mir den Eindruck hinterlassen, dass das mit fast jedem möglich ist.

Außer mit Farin Urlaub? Oder wann werdet ihr zwei mal ein klassisches Duett aufnehmen?

Also mit „Schrei nach Liebe“ gibt es ja quasi eins, er singt die Strophen und ich den Refrain. Und bei „Rock Rendezvous“ singen Farin, Rod und ich zusammen. Da bieten wir uns ja gegenseitig anale Penetration an. Ein sehr beliebtes Lied vor allem bei unseren jüngeren Fans. Vielleicht sollte ich mal eine Liste machen, wie viele Schwulensongs ich schon geschrieben habe ... Aber ein guter Duettpartner muss ich nicht unbedingt ein riesiger Star sein. Ich fände zum Beispiel King Khan total interessant.

Wie sieht es mit deinen Begleitmusikern aus? Gibt es die LOS HELMSTEDT noch? Wer spielt da alles bei dir mit?

Die LOS HELMSTEDT sind ja meine Live-Band. Die sind aber auch alle auf der Platte zu hören. Olsen kannte ich als Produzent von früheren Sachen bereits über meine Freundin Lula. Der ist ja sonst auch bei SEEED und Peter Fox an den Reglern. Und Olsen wollte nur bei mir mitmachen, wenn auch Wayne dabei sei. Der wiederum kommt eher aus der Britpop-Ecke und bringt daher sehr viel 60er-Jahre-Feeling mit. Paule stieß dann als Sängerin bereits bei der ersten Tour dazu. Danny am Schlagzeug war eh klar, seit er mit GLUECIFER im Vorprogramm von DIE ÄRZTE gespielt hatte. Das ist zwar immer sehr anstrengend, ihn jedes Mal aus Oslo einfliegen zu lassen, aber er ist einfach geil – und wie unser Freund Armin letztens sagte: „eine Humorgranate“. Zu guter Letzt Holly am Bass, weil er einfach ein wahnsinnig guter Musiker ist. Der verpasst mit seinem Retrospiel der Musik von vornherein die richtige Richtung. Da kann ich mit meiner Schrammelgitarre gar nicht mehr viel falsch machen.

Woher rührt deine Rastlosigkeit? Kaum machen DIE ÄRZTE eine Pause, kommt ein neues Hörbuch, ein Film oder eben eine Soloplatte. Keine Lust, mal die Beine und Seele einfach baumeln zu lassen und ein wenig den Erfolg zu genießen?

Ich habe nicht das Gefühl, dass ich im Stress bin, wenn ich nicht gerade, wie im Moment, wegen einer neuen Platte unterwegs bin. Ansonsten mache ich das andere ja alles total gerne. Und ich fahre regelmäßig in Urlaub, gehe zu Spielen des FC St. Pauli – sogar regelmäßig auswärts – und habe daher nicht das Gefühl, zu wenig Freizeit zu haben. Auf die ganzen Projekte habe ich einfach Lust und empfinde das gar nicht als wirkliche Arbeit.

Und wann wirst du deine Biografie schreiben?

Meine eigene? Es gibt ja eine von DIE ÄRZTE. Ich selber sehe mich da noch gar nicht. Ich hatte mal eine Anfrage von Arte, bei einer Sendung namens „Mein Leben“ mitzumachen. Das Konzept war großartig, aber ich habe dennoch abgesagt, weil das so etwas Endgültiges hat. Das finde ich noch nicht interessant. Biografien von aktiven Musikern haben mich nie gereizt.

In deinen Texten nimmst du gerne mal die Haltung „Jetzt erzählt euch der Onkel mal, wie es aussieht“ ein. Ist das ein Privileg des Alters?

Findest du? Okay, in „Als wir unsterblich waren“ sicherlich ein wenig. Den Titel habe ich ja von dem gleichnamigen Roman von Tony Parsons. Und das, was ich da singe, habe ich beim Lesen des Buches empfunden. Ich konnte mich da so mit identifizieren, auch wenn es eine völlig andere Geschichte war als meine. Trotzdem hat es das ganze Punk-Ding von einst in mir wieder aufleben lassen. Andererseits ist das ja auch ein universelles Jugendgefühl. Ich kann ja schlecht so tun, als wenn ich noch 18 wäre. Also erzähle ich aus der Perspektive des Onkels. Belehrend will ich dabei aber nicht sein.

Wem hörst du denn selbst gerne mit Interesse und Respekt zu? Bei wem hast du das Gefühl, noch etwas zu lernen?

Lernen ist vielleicht der falsche Ausdruck. Es gibt diverse Musiker, die die Rolle des Onkels einnehmen, denen ich gerne zuhöre. Mike Ness macht ja nichts anderes, obwohl er gerade mal ein paar Monate älter ist als ich. Seit „I was wrong“ heißt es ja nur noch, seht her, was aus mir geworden ist. Als Stilmittel finde ich das aber total gut. Das passt einfach zu seiner Musik. Ansonsten natürlich immer wieder Johnny Cash, obwohl der ja nicht mehr lebt. Aber auch viele andere Country-Sänger, dort ist das Erzählerische ja ein sehr wichtiges Stilmittel. Was mich daran sehr erinnert hat, ist die letzte KETTCAR-Platte. Ich war lange kein Fan der Band, hatte aber einen Freund auf eines ihrer Konzerte hier in Hamburg begleitet. Da hat es mich echt gepackt. Seitdem zählt auch die Platte zu meinen Lieblingsplatten des letzten Jahres. Also höre ich Marcus Wiebusch gerne beim Erzählen zu.

Bleiben wir noch kurz bei deinen Texten. Du bist inzwischen Familienvater geworden und singst von One-Night-Stands. Wie passt das zusammen?

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Als Texter, der keine zwanzig mehr ist, kann ich ja auf Dinge zurückgreifen, die passierten, als man noch zwanzig war. Wenn ich heute Texte schreibe, will ich nicht unbedingt aus meinem aktuellen Leben erzählen, sondern suche mir ein Thema aus, das bisher noch nicht in einem Text stattgefunden hat. Schließlich ist der Text genauso ein Bestandteil der Komposition wie das Gitarrespiel. Und so suche ich nach originellen Themen, auch wenn das jetzt bei „Onenightstand“ nicht ganz der Fall ist. Aber immerhin habe ich ja auch meine Erfahrungen gemacht. Die wollen ja verarbeitet werden.