BRAND NEW

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Keine Angst vor Stillstand

Man kann nicht sagen, dass BRAND NEW einem bestimmten Stil treu geblieben wären. Ganz sicher haben Jesse Lacey, Vinnie Accardi, Garrett Tierney und Brian Lane aber auch immer das gemacht, wonach ihnen gerade ist. Auf ihrem Debüt ist das noch LIFETIME-ähnlicher Punkrock, zwei Alben später sind es dann verzaubernde, sperrige und atmosphärische Songs, die man nicht einordnen mag, da die passende Beschreibung fehlt. Wäre da nicht Laceys Stimme, könnte man meinen, dass es sich bei „Daisy“ um das fantastische Debüt einer aufstrebenden extrem ambitionierten Band handelt. Und nach „The Devil And God Are Raging Inside Me“ von 2007 hatte es sich die Formation aus Long Island selbst schwer gemacht, sich noch einmal übertreffen zu können. Allerdings haben sie es noch nicht einmal versucht, sondern gleich wieder etwas komplett anderes veröffentlicht. „Daisy“ ist laut und roh, ohne dabei diese anscheinend typischen BRAND NEW Pop-Momente auszulassen, die den Hörer immer wieder ins Boot holen. Im folgenden einige klärende Worte dazu von Frontmann Jesse Lacey.

Im Gegensatz zu dem ausschweifenden Titel „The Devil And God Are Raging Inside Me“, der ja auf die Schizophrenie eines Bekannten von euch zurückzuführen ist, erscheint „Daisy“ ja wirklich banal kurz.

Eigentlich hat ein Albumtitel bei uns keine so große Bedeutung. Es steht schon gar nicht zur Debatte, nur deswegen einen längeren Titel zu nehmen, um damit Aufmerksamkeit zu erregen. So etwas entsteht ja immer im Kontext mit anderen Dingen, während wir uns mit dem Album beschäftigen, und dieses Mal gefiel uns „Daisy“ einfach am besten. Da gab es dann auch gar keine Diskussionen.

Wenn ich mir die Texte so anschaue, habe ich das Gefühl, dass das Album einen sehr starken religiösen Hintergrund hat. Ihr spielt viel mit der Beziehung zwischen einem Gott und dem Menschen. War das beabsichtigt?

Das war nicht beabsichtigt und es ist ja auch bei weitem nicht die einzige Geschichte, um die es auf dem Album geht. Natürlich sind da Songs, die von Glauben, Moral und Gott handeln, aber gleichzeitig auch genauso viele, die sich um Wissenschaft, die Zeit und die Natur drehen. Mir ist aufgefallen, dass den Leuten diese ganze Religionsgeschichte heutzutage sehr unangenehm ist. Genauso sieht das mit Diskussionen darüber aus und so kommt es dann, dass selbst nur die Erwähnung von Gott dazu führt, dass man zumindest darauf angesprochen wird und man sich offenbar rechtfertigen muss.

Was denkst du denn über junge Bands in der Hardcore/Punkrock- oder auch Emo-Szene, die mit religiösen Ansagen eine Sache unterstützen, die sehr fragwürdig ist?

Grundsätzlich kann jeder, egal, ob er in einer Band spielt oder nicht, machen was er will. Wenn er oder sie dann noch mit seiner Musik etwas vermitteln will, und sei das dann Liebe oder Glaube, halte ich es eine gute Sache.

Kommen wir zurück zu „Daisy“. Euer mittlerweile viertes Album geht wieder etwas mehr nach vorne und klingt rauer als „The Devil And God ...“, ist dabei aber Welten von eurem Punkrock-Debüt entfernt.

Unsere Konzerte sind in der Regel immer sehr laut und rau. Die Idee war dieses Mal, unsere Live-Intensität auch auf Platte zu vermitteln.

War es nicht schwierig, nach einem Album wie „The Devil And God ...“ und den riesigen Erwartungen, die dieses von vielen Kritikern gelobte Album geweckt hat, neue Songs zu schreiben?

Bei uns ist es nicht so, dass wir das, was wir im Moment machen, immer in Relation setzen zu den Dingen, die wir in der Vergangenheit gemacht haben. Wir haben damit abgeschlossen und konzentrieren uns, wenn wir eine neue Platte aufnehmen, nur auf unsere gegenwärtigen Gefühle, den Sound, den wir haben wollen, und die Dinge, die wir mit den Songs rüberbringen können. Wenn ein Album fertig ist, liegt es ja auch nicht mehr in unseren Händen, was die Leute, egal, ob Kritiker oder nicht, damit machen. Für uns sind es nur Songs, die wir irgendwann mal aufgenommen haben und die unsere damaligen Gefühle beschreiben. Wir haben auch keine Lieblingssongs und sind uns auch bewusst, dass es noch andere Dinge im Leben gibt, die nichts mit Musik zu tun haben.

Wie entstehen die Songs bei euch? Man liest immer nur von dir als Frontmann.

Jeder von uns nimmt irgendwann mal das Heft in die Hand und sagt den anderen, wie er meint, dass ein Song zu klingen hat. Meistens sind es Vin und ich, die mit Grundkonzepten zu den Songs ankommen. Jedoch entwickelt jeder von uns dann so eine starke Bindung zu den Sachen, dass wir uns zusammensetzen und darüber reden, wie wir die Songs arrangieren sollen. Es kommen manchmal selbst Teile eines Textes von den anderen in der Band.

Du bist bekannt dafür, dass du in deinen Texten dein Innerstes nach außen kehrst. Wie fühlt es sich für dich an, wenn Leute deine Arbeit kommentieren und sagen, dass sie schon genau das Gleiche gefühlt haben?

Wir Menschen verarbeiten grundsätzlich alle die gleichen Emotionen. Da gibt es dann welche, über die man nicht so gerne mit anderen spricht. Mich macht es sehr glücklich, wenn ich erfahre, dass ich etwas geäußert habe, das sich andere nicht getraut haben auszusprechen, und dass ich ihnen so helfen konnte. Ich kenne diese Situation doch auch – jeder kennt sie: Du bist jung und hörst Musik, die dich berührt. Wenn dann noch die Texte genau das ausdrücken, was du fühlst, entsteht diese Liebe zur Musik.

Mit drei Millionen verkauften Platten könnt ihr es euch doch erlauben, von eurer Musik zu leben, oder?

Ja, das können wir – so gerade eben. Es gibt viele Bands, die zwar nicht von ihrer Musik leben können, dafür aber sehr viel Zeit und Arbeit da reinstecken. Ab einem bestimmten Level kann dir Geld die Sache wirklich unheimlich vereinfachen. Auf der anderen Seite musst du dir aber auch bewusst werden, dass das dann dein Job ist, den du auch irgendwann genauso verlieren kannst. Das macht die Sache dann wiederum nicht so einfach.

Ihr habt mit Procrastinate! Music Traitors im letzen Jahr eurer eigenes Label gegründet. Erzähl mir mehr darüber, werdet ihr auch andere Bands veröffentlichen?

Eigentlich ist es kein richtiges Label. Ursprünglich war es nicht unsere Absicht, eine Firma gründen und Platten zu veröffentlichen. Eher war es die Idee, dass wir nun unseren eigenen Weg haben, unsere eigenen Sachen herauszubringen. Irgendwann kamen dann aber auch Freunde zu uns und so bringen wir jetzt zum Beispiel Kevin Devines viertes Album „Put Your Ghost To Rest“ heraus. Ob wir danach noch etwas anderes über das Label veröffentlichen werden, steht aber noch in den Sternen.[/b]