BRIGADE S.

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Zehn Jahre von Wanne bis Eickel

Wenn man an Bochum und Punkrock denkt, fallen einem sicherlich zuerst mal DIE KASSIERER ein. Aber alles ist das natürlich nicht. Seit inzwischen zehn Jahren treiben nun auch BRIGADE S. in der Ruhrstadt ihr Unwesen. Das sollte ja nun mal reichen, um längst aus dem Schatten der mächtigen Nachbarn herausgetreten zu sein. Denn Wattenscheid ist nicht Wanne-Eickel und Wölfi nicht Malte. Zum nun anstehenden runden Geburtstag von BRIGADE S. erscheint via Sunny Bastards das vierte Album der Band. Aber zu solch einem Jubiläum lässt man es bekanntlich gerne krachen und so gibt es gleich eine zweite CD dazu, auf der befreundete Bands Tribut. Es ist also einiges los in Wanne, deshalb richtete ich ein paar Fragen an Malte (Gesang), Christian (Gitarre), Bernd (Bass) und Patrick (Schlagzeug).

Welche BRIGADE seid ihr, wofür steht das S.?

Christian: Das ominöse S. steht tatsächlich für Staatsfeind. Wir haben uns nach der dilettantischen linken Terroristengruppe BRIGADE STAATSFEIND aus der Kinderhörspielreihe „TKKG“ benannt. Leider suggerierte der Name jedoch 80er-Jahre-Deutschpunk vom Derbsten und da wir zu Anfangszeiten neben ein, zwei eigenen Songs meistens sehr breit gefächert gecovert haben, unter anderem GG Allin, SCHLIESSMUSKEL, AGNOSTIC FRONT, 4SKINS und LOKALMATADORE, wirkte das nicht unbedingt besonders staatsfeindlich. Also haben wir das einfach mit S. abgekürzt und ließen damit schon ordentlich Spielraum für Interpretationen: Schreiber, Skinhead, Sexisten, Suffkopf, Schwul ...

Kann man denn sagen, die Bands, die ihr zu Beginn nur gecovert habt, wurden später zu eurer Hauptinspirationsquelle, als ihr anfingt, immer mehr auf eigene Stücke zu setzen?

Christian: Wir haben ja vier ziemlich unterschiedliche Musikvorlieben in die Band mitgebracht, deshalb auch der wilde Mix aus gecoverten Stücken. Dazu kommt ja noch die Tatsache, dass wir erst mit Mitte 20 angefangen haben, unsere Instrumente zu spielen beziehungsweise zu singen. Damit waren ja auch klare Grenzen gesetzt, was überhaupt „coverbar“ war. Das heißt, ein Großteil der Sachen, die wir gehört haben, war sowieso drei Ligen höher angesiedelt als unser Talent. Musikalisch war es dadurch auch nicht so, dass man sich hingesetzt und gesagt hat: „Wir machen jetzt mal einen Song, der klingt wie was von SLAPSHOT.“ Natürlich ist das, was man jahrelang gehört hat, alles irgendwo Inspiration, allerdings unbewusst. Die Texte haben wir an gar keine Band angelehnt. Wir haben das geschrieben, was uns gerade einfiel, und das Ganze in deutscher Sprache – die zwei, drei englischen Stücke zählen wir mal nicht mit –, egal, ob’s eher ernst, prollig oder „sexuell grenzwertig“ war. Und das machen wir ja heute auch noch so.

Nicht nur nur in euren Texten kommt eine gehörige Portion Lokalpatriotismus rüber. Woher rührt das und was macht Wanne-Eickel so lebenswert?

Bernd: Der Lokalpatriotismus zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Ruhrgebiet, es ist also nicht unbedingt das „Wanne-Eickel-Phänomen“! Aber man kann es hier wirklich ganz gut aushalten. Außerdem gab es hier noch einen Thron zu vergeben. Düsseldorf hat DIE TOTEN HOSEN, Berlin hat DIE ÄRZTE, Frankfurt hat nichts und Wanne-Eickel hat jetzt uns Stadtquerulanten am Arsch!

Christian: Vielleicht ist es der typische Wanne-Eickeler Provinzcharme auf der einen Seite, der es in Sachen Hinterwäldlermentalität mit jedem bajuwarischen Deppendorf aufnehmen kann, und auf der anderen Seite das Asterix-typische Rebellentum der Gallier – zumindest der Stadt Herne gegenüber. Irgendwie ist Wanne-Eickel einzigartig. Ich komme ja ursprünglich aus der Metropole Bochum, aber hier in Wanne, da habe ich meine Heimat gefunden.

Und wenn ihr nicht gerade von Wanne-Eickel schwärmt, was macht ihr dann so?

Malte: Musik an sich ist ja schon eine Lebensaufgabe. Ich muss allerdings gestehen, dass selbst ich mittlerweile einen Job gefunden habe. Die dabei aufgestauten Energien gleiche ich dann gerne bei einem wohlgeordnet ablaufenden, besinnlichen BRIGADE S.-Auftritt aus. Aber mal im Ernst, die Freizeit wird schon recht stark durch die Musik definiert; sei es als Besucher auf Konzerten oder als Asi auf der Bühne. Und natürlich als unerbittlicher Kneipendiskutant – besonders vor Kommunahlwahlen und ähnlich wichtigen Ereignissen.

Bernd: Also die Musik spielt in meinem Alltag schon eine große Rolle. Ich arbeite seit einigen Jahren als Siebdrucker bei Trashmark, wo wir hauptsächlich Merchandise für Punk- und Hardcore-Bands herstellen. Ich bin also allein schon auf der Arbeit täglich mit Musik beziehungsweise Bandshirts beschäftigt. Außerdem habe ich zusammen mit unserem Schlagzeuger Patrick und einem gemeinsamen Freund noch die PROLLCATS ins Leben gerufen, eine Rockabilly-Band mit deutschen Texten. Leider liegt sie zur Zeit etwas auf Eis. Um die 24 Stunden, die ein Tag hat, auch voll auszunutzen, habe ich dieses Jahr ein kleines Undergroundlabel für Vinyl gegründet, Mad Drunken Monkey Records, und zwei coole Scheiben von MR. IRISH BASTARD veröffentlicht. Dann habe ich natürlich auch noch meine Familie. Mir ist also nicht langweilig.

Christian: Tja, es gibt mittlerweile ja vier Kinder in den Bandfamilien, ein fünftes ist unterwegs. Zudem haben wir alle feste Jobs. Und unser wöchentlicher Probetag ist auch unpunkrockmäßig und Senioren-like auf den Sonntag gerutscht. Es ist auch relativ schwer geworden, die Familien, die Band und die Arbeit irgendwie unter einen Hut zu bekommen. Die neue CD in so kurzer Zeit fertig zu machen, war schon extrem heftig. Wir hatten ja nach unserer letzten CD „Brigade Staatsfeind“ auch kein Material. Also viel Zeit, noch was nebenbei zu machen, bleibt eigentlich kaum.

Nun erscheint zum zehnjährigen Jubiläum euer neues Album. Auf diesem seid ihr gar nicht alleine zu hören, sondern habt noch zahlreiche Gäste eingeladen, daran teilzunehmen. Was hat es damit auf sich?

Christian: Entstanden ist die Idee letztes Jahr, als wir selbst noch unseren Beitrag zum „Tribute To SLIME“-Sampler aufgenommen haben. Wir haben bei Sunny Bastards nachgefragt, ob sie sich vorstellen könnten, eine Art „Tribute To BRIGADE S.“ zum zehnjährigen Bandjubiläum herauszubringen - die Beiträge dazu sollten von ein paar befreundeten Bands kommen, bei denen wir im Vorfeld schon mal locker angefragt hatten. Christian von Sunny Bastards hatte dann sofort die Idee, dazu vielleicht noch eigene neue Songs mit beizusteuern. Und so sind wir dann bei der jetzt erscheinenden Doppel CD gelandet – eine CD mit elf neuen eigenen Sachen und eine Art „Tribute To BRIGADE S.“-CD mit zwölf Beiträgen, mit dabei sind unter anderem EMSCHERKURVE 77, PÖBEL & GESOCKS, 2ND DISTRICT und MELANIE & THE SECRET ARMY, und dazu ein Projekt mit Namen WATTENSCHEID EXPORT von Riedel und Wölfi.

Was hat man denn dann noch für Pläne und Wünsche für die Zukunft. Oder ist nach zehn Jahren und einem eigenen Tribute-Sampler nicht alles gesagt?

Malte: Das ist natürlich eine heikle Frage für Leute, die in die „No future“-Generation hineingeboren worden sind. Gesagt ist natürlich noch längst nicht alles. Solange es was zu feiern gibt, solange es Leute gibt, die sich selbst viel zu ernst nehmen, und solange uns jemand zuhört, haben wir eine Menge zu sagen!

Christian: Die neue CD ist auf jeden Fall kein Schlusspunkt, sondern eher ein Ausrufezeichen. Als Nächstes sind jetzt erst mal ein paar Konzerte geplant und vor 2011 geht es auf keinen Fall mehr ins Studio. Es ist ja auch mittlerweile unser viertes komplettes Album, und das innerhalb von zehn Jahren. Aber es gibt mittlerweile schon wieder ein paar neue Textideen, so dass ein Ende unseres Schaffens erst mal nicht in greifbarer Nähe ist.