CJ RAMONE

Einmal ein Ramone – immer ein Ramone

Sieben Jahre lang war CJ Ramone Mitglied bei den RAMONES, wirkte auf drei Studioalben mit und gab den in die Jahre gekommenen New Yorkern in der letzten Phase ihrer Karriere noch einmal einen ordentlichen Schub. Nicht wenige erinnerte er sogar an den jungen Dee Dee Ramone. Nach dem Ende der Band wurde es ruhig um CJ. Im August war er erstmalig wieder in Europa auf Tour, um mit dem RAMONES-Produzenten und Co-Songschreiber Daniel Rey an der Gitarre und Brant Bjork am Schlagzeug seine Lieblingssongs der RAMONES zum Besten zu geben. Ich traf ihn auf dem Area4-Festival.

CJ, wenn du mit den RAMONES auf Festivals in Deutschland aufgetreten bist, wart ihr immer einer der Headliner. Heute Nachmittag hast du vor ein paar Hundert Leuten das Festival eröffnet. Wie war das für dich?

Das hat mir eigentlich nichts ausgemacht. Ich bin es gewohnt, ein Underdog zu sein. Außerdem gibt man als Erster den Takt vor. Die RAMONES hätten sicherlich nicht um 14.45 Uhr gespielt. Andererseits haben sie so angefangen, eben als Underdogs, und sich dann nach oben gearbeitet. Ich bin hier, weil die RAMONES sich vor 35 Jahren gegründet haben und ich vor 20 Jahren bei ihnen Mitglied wurde. Ich möchte den Fokus wieder auf das legen, wofür die RAMONES berühmt waren, nämlich ihre Musik und nicht das ganze Theater, was danach losging.

Wie sieht dein Set aus?

Wir spielen nur RAMONES-Songs. Ein Teil gehört zu den klassischen RAMONES-Songs, der andere Teil besteht aus Liedern, die die RAMONES nie live spielten, die uns aber gefallen. Es ist eine gute Mischung.

Was hast du nach dem Ende der RAMONES gemacht?

In den ersten beiden Jahren war ich mit meiner eigenen Band unterwegs, LOS GUSANOS. Als Vater einer Tochter und eines Sohnes musste ich dann aber zurückstecken, weil bei meinem Sohn Autismus festgestellt wurde. Deshalb blieb ich den folgenden Jahren zu Hause und kümmerte mich um ihn. Mittlerweile geht es ihm bedeutend besser, und ich kann jedes Jahr für ein paar Monate auf Tour gehen, was mir sehr gefällt.

Wie ich hörte, hast du eine Zeit lang auf Ground Zero gearbeitet.

Das stimmt. Ich bin in New York aufgewachsen und habe der Stadt viel zu verdanken. Deshalb hatte ich das Gefühl, etwas zurückgeben zu müssen, und heuerte bei einer Firma an, deren Aufgabe es war, die Trümmer der beiden Türme zu beseitigen. Nach einem Jahr musste ich aufhören, da die Arbeit dort mir zu sehr zusetzte.

Du hast insgesamt sieben Jahre für die RAMONES gespielt. Wie blickst du heute auf diese Zeit zurück?

Gerade jetzt, wo Joey, Johnny und Dee Dee nicht mehr da sind, waren es wohl die wichtigsten Jahre in meinem Leben. An etwas Bedeutsameres werde ich wohl kaum mitwirken, abgesehen von meiner Rolle als Vater natürlich. Ich hatte nie vor, RAMONES-Songs zu spielen und damit auf Tour zu gehen. Ohne Joey und Johnny fühlte sich das für mich nicht richtig an. Ich habe aber vor einiger Zeit eingesehen, dass das Vermächtnis der RAMONES weiterleben muss. Es gibt mittlerweile eine ganze Generation von Kids, die die RAMONES nie live gesehen haben. Nach fast jedem Konzert treffe ich junge Leute, die mir genau das erzählen und die froh sind, die Songs endlich live gehört zu haben. Das ist jetzt meine neue Mission.

Wie sind die RAMONES überhaupt auf dich gekommen?

Nachdem Dee Dee die Band verlassen hatte, hielten die Jungs „open auditions“ in Manhattan ab. Ein Freund von mir, der mit Joeys Bruder in einer Band spielte, erzählte mir davon. Allerdings war ich zu dem Zeitpunkt bei den Marines. Weil er aber keine Ruhe gab, habe ich es dann doch versucht, um sie wenigstens mal getroffen zu haben. Ich traf also Johnny und Marky und wir spielten „I wanna be sedated“. Joey kam dann auch noch dazu. Wieder zu Hause, rief ich meine ganzen Freunde an und erzählte ihnen, dass ich die RAMONES getroffen hatte und dachte, das war’s. Ein paar Tage später erhielt ich dann einen Anruf von Monte Melnick, dem Tourmanager der Band, der mich zu weiteren Bandproben einlud. Allerdings wurde ich zwischenzeitlich von der Militärpolizei gesucht, weil ich als Deserteur galt. Zwei Tage, nachdem mich die Marines verhaftet hatten, erhielt ich dann im Gefängnis einen Anruf von Johnny, der sich nach mir erkundigte und mir sagte, dass ich nach Verbüßen meiner Haftstrafe den Job habe. Nach meiner unehrenhaften Entlassung aus der Armee hatte ich dann fünf Wochen Zeit, um vierzig Songs zu lernen. Am 30. September 1989 spielte ich meine erste Show mit den RAMONES, in Leicester, England.

Wusstest du von den massiven Spannungen, die es zwischen Joey und Johnny gab?

Nein. Mittlerweile ist diese Tatsache breitgetreten worden und gilt als großes Ding. Meiner Ansicht nach muss man das nicht so hoch hängen. So etwas gibt es in vielen Familien. Wenn man soviel Zeit miteinander verbracht hat, gibt es schon mal Probleme. Und ein Streit um eine Freundin passiert nun einmal unter Jungs. Leider, so scheint es, interessieren sich die Leute mehr für solche Geschichten als für das, wofür die RAMONES eigentlich stehen. Deshalb bin ich wieder unterwegs. Seit dem Ende der RAMONES ist viel schmutzige Wäsche gewaschen worden. Ich habe mich da völlig rausgehalten, obwohl es mich sehr geärgert hat. Meine Frau war es schließlich, die mir riet, etwas dagegen zu tun. Ich möchte, dass die RAMONES wieder wegen ihrer Musik wahrgenommen werden. Natürlich sind Joey, Johnny, Marky oder auch Tommy und Richie nicht dabei, aber ich habe Daniel Rey an Bord, der mehrere Alben der Band produziert und viele Songs zusammen mit Dee Dee und Joey geschrieben hat. Er hat länger mit den RAMONES zusammengearbeitet als ich! Brant Bjork, der unter anderem Drummer bei KYUSS und FU MANCHU war, ist ein mindestens genauso großer RAMONES-Fan wie ich und hat sich das Schlagzeugspielen beigebracht, indem er stundenlang die RAMONES gehört hat. Wir gehen nicht auf die Bühne, um die RAMONES zu imitieren. Das ginge gar nicht. Aber wir versuchen, den Spirit und die Energie zu erfassen. Bislang habe ich nichts Negatives gehört und bin mit unseren Shows sehr zufrieden.

Was mir an den Konzerten der RAMONES im letzten Drittel ihrer Karriere nicht gefallen hat, war die Tatsache, dass einige der Lieder einfach zu schnell gespielt wurden und Joey sogar Probleme hatte mitzukommen.

Stimmt. Ich habe das gegenüber Johnny angesprochen. Den Fans hat die unglaubliche Geschwindigkeit des Sets gefallen. Für Joey aber war das sehr schwierig und hat ihm zu schaffen gemacht. Unser Set jetzt orientiert sich in etwa an der Geschwindigkeit der „It’s Alive“-Platte, etwas schneller als im Studio, aber nicht zu schnell.

Die RAMONES hatten nie einen Hit, geschweige denn ein Hit-Album. Dennoch waren sie immer sehr optimistisch, wenn sie eine neue Platte herausbrachten, die dann regelmäßig weit hinten in den amerikanischen Billboard Charts landete. Wie frustrierend war das für die Jungs?

Das war für lange Zeit sehr frustrierend. Als ich in die Band kam, hatte Johnny sich mit der Tatsache abgefunden, dass sie eine Live-Band waren. Anfang der Neunziger, als NIRVANA, RANCID, GREEN DAY und andere ihren Durchbruch feierten, liefen der Plattenvertrag und der Managementdeal der RAMONES aus. Viele der erfolgreichen jungen Bands waren auf Epitaph, die uns unbedingt verpflichten wollten. Außerdem hatten wir ein Angebot von einer Agentin, die die ganzen Bands live betreute. Ich hatte mich aus geschäftlichen Belangen immer rausgehalten. In diesem Fall aber sprach ich Johnny an, als ich hörte, dass unser Manager Gary Kurfirst sein eigenes Label gründen wollte. „Siehst du denn nicht den Interessenkonflikt, wenn der Manager gleichzeitig auch der Boss deines Plattenlabels ist?“, sagte ich zu ihm. „Wieso gibst du Brett Gurewitz nicht eine Chance? Diese Kids sind mit den RAMONES aufgewachsen und werden hart arbeiten, damit die RAMONES endlich den kommerziellen Erfolg haben, den sie verdienen.“ Johnnys Antwort war: „Wenn du so lange in diesem Business bist wie ich, dann kannst du dich noch mal melden.“ Das Ende ist bekannt: Kurfirsts Label war nicht in der Lage, uns zu breaken, und wir spielten in den gleichen Clubs und Venues wie vorher auch, mit Ausnahme von Lollapalooza. Joey wollte unbedingt ein Popstar sein, mehr als jeder andere. Kein zweiter Michael Jackson oder so, sondern ein Popstar nach seiner eigenen Vorstellung. Das hätte er geliebt. Es ist ein Jammer, dass er z. B. die Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame nicht mehr erlebt hat.

Was hältst du davon, dass Marky Ramone seine eigene Modekollektion bei Tommy Hilfiger hat?

Haaha, was man nicht vergessen darf, ist, dass Marky, Richie und ich nie an den Umsätzen der Band beteiligt waren. Nach dem Ende der RAMONES musste er weiterhin seine Miete zahlen und versucht das eben mit solchen Aktionen. Ich sehe das eher kritisch, aber das ist Markys Sache ... Für mich hat das nichts mit Rock’n’Roll zu tun. Den Namen der RAMONES sollte man nicht für solche Zwecke verwenden.

Hattest du Gelegenheit, dich von Joey und Johnny zu verabschieden?

Im Falle von Johnny ja. Als im September 2004 in L.A. ein den RAMONES gewidmetes Benefizfestival zugunsten der Krebsforschung anstand, flogen sein ehemaliger Roadie und mein jetziger Manager Gene und ich nach Kalifornien. Wir verbrachten das Wochenende mit ihm und verabschiedeten uns dann. Tränen oder dergleichen gab es nicht. Dafür war er nicht der Typ. Aber er dankte mir für alles. Im Falle von Dee Dee gab es auch eine Art Goodbye. Ein paar Wochen vor seinem Tod lud er mich zu einem Konzert von ihm in Manhattan ein. Wir spielten zusammen einen Song und quatschten nach der Show miteinander, als er plötzlich sentimental wurde und sagte: „CJ, du hast mich immer respektvoll behandelt und dich positiv über mich geäußert. Dafür möchte ich mich bei dir bedanken. Du bist ein netter Typ“, und so weiter. Nach der Begegnung erzählte ich meiner Frau von diesem merkwürdigen Gespräch, denn vorher hatte er nie so mit mir geredet. „Mach dir keine Gedanken“, meinte sie, „wahrscheinlich zieht er wieder nach Kalifornien oder will sich für eine Zeit lang zurückziehen.“ Ein paar Wochen später starb er dann an einer Überdosis Heroin. Rückblickend war das für mich eine Art Verabschiedung. Joey konnte ich nie im Krankenhaus besuchen, weil er von seiner Familie abgeschirmt wurde. Wir haben ein paar Mal miteinander telefoniert. Mehr ging nicht, was mir leid tut. Joey und ich waren gute Freunde. Ich habe mich immer für ihn eingesetzt und mich seinetwegen sogar mit Johnny angelegt.