CLUTCH

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Not So Strange Cousins From Germantown

„Warum gab es in 20 Jahren Ox kein CLUTCH-Interview?“, fragte ich Joachim vor ein paar Monaten. „Weil du keins gemacht hast.“, war die nicht ganz unrichtige Antwort. CLUTCH aus Germantown in Maryland/USA, sind ein Phänomen, seit mittlerweile 18 Jahren unterwegs, damals gestartet in musikalischer Nähe zu HELMET und mit Earache-Deal, dem die Band wahrscheinlich ihre Reputation in der Metal-Szene verdankt, ohne jemals auch nur ansatzweise Metal gespielt zu haben. Vielmehr entwickelte sich über die Jahre ein schwer groovendes Monster von Rock-Band, das von dem Wortwitz Fallons und dem perfekten Zusammenspiel seiner drei Mitstreiter lebt. Der mittlerweile neunte Studio-Longplayer „Strange Cousins From The West“ erscheint auf dem neu gegründeten, bandeigenen Label Weathermaker und geht mit deutlichen Blues-Einflüssen noch weiter zu den musikalischen Wurzeln zurück, als schon seine Vorgänger andeuteten. „Wenn das Ding nicht funktioniert hat, denk dir einfach was aus“, gibt mir Neil noch grinsend mit skeptischen Blick auf meinen Oldschool-Minidisc-Recorder mit auf den Weg, aber so weit ist es dann doch nicht gekommen.

Neil, CLUTCH wird 18, wie fühlt es sich an, mehr als die Hälfte seines Lebens mit denselben Leuten Musik zu machen?

Es ist ein Klischee zu sagen, dass die Zeit im Flug vergeht, wenn man Spaß hat, aber es fühlt sich für mich nicht nach 18 Jahren an. Ich bin mit den Jungs aufgewachsen, mit 16 haben wir das erste Mal miteinander gejammt, jetzt bin ich 37. Ich glaube, wir haben wahrscheinlich so lange durchgehalten, weil wir zuerst Freunde waren und dann angefangen haben, Musik zu machen.

CLUTCH sind ja dauernd auf Tour. Seid ihr all die Jahre auf Tour immer gut miteinander ausgekommen?

Natürlich ist auch bei uns nicht immer alles toll gewesen, aber die meisten Bands kommen entweder miteinander klar auf den ersten Touren oder sie lösen sich gleich wieder frustriert auf. Bei uns passte und passt es eben.

Als ihr damals anfingt, habt ihr ja sehr nach HELMET geklungen. Später seid ihr dann ja mehr zu einer heavy groovenden Rock-Band im weitesten Sinne geworden.

Ja, aber wir waren sicher auch von PRONG und den BAD BRAINS beeinflusst, das ganze D.C.-Zeug und CRO-MAGS nicht zu vergessen. Damals war ja auch Noise-Rock wie von den COWS eine große Nummer und hat bei unser Entwicklung eine wichtige Rolle gespielt. Das hat sich im Laufe der Zeit verändert, wir haben unsere Musik zwar nicht bewusst geändert, aber mehr über Musik gelernt. Und 18 Jahre dasselbe zu machen, wäre auch etwas hart.

Die Platten danach waren dann immer mehr „back to the roots“ orientiert, hatten mehr Groove und Blues in sich. „Strange Cousins From The West“ ist es jetzt fast ein richtiges Blues-Album. Man könnte denken, ihr habt gejammt und einfach das Beste genommen.

Wir sind mit keiner festen Vorstellung an die Platte herangegangen. Wir schreiben die Songs immer auf die gleiche Art und Weise, irgendwer kommt mit einem Riff an und jeder bastelt solange daran herum, bis es alle mögen. Wir haben keinen Bandleader, der sagt: „Das ist mein Riff, Finger weg!“ Unsere besten Songs schreiben wir an einem Tag, alles, was länger dauert, ist meistens nicht gut. Wir sind alle mit diesen Classic Rock-Bands wie DEEP PURPLE, BLACK SABBATH und LED ZEPPELIN aufgewachsen und haben irgendwann herausgefunden, von wem diese eigentlich beeinflusst worden sind, vom Bluesmusiker Elmore James zum Beispiel.

Auf jeden Fall ist es ein sehr reifes und relaxtes Album geworden.

Wir sind ja auch ganz entspannt an die Aufnahmen herangegangen. Wir wollten nicht das bewusstseinserweiterndste Album aller Zeiten schreiben, nicht das aggressivste. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir auf die Vierzig zusteuern.

Eure Musik lebt von dem Wortwitz in deinen Texten. Du hast mal gesagt, Songtexte zu schreiben ist, wie Kurzgeschichten zu verfassen. Also eher Entertainment als Education?

Eindeutig Entertainment. Wer bin ich, dass ich Leuten was beibringen soll? Dazu bin ich nicht klug genug. Außerdem ändere ich andauernd meine Meinung über Dinge. Entertainment ja, aber eher dahingehend, dass Leute darüber nachdenken und es selbst interpretieren, auch wenn sie nicht alles haargenau verstehen.

Eine Scheibe namens „Jam Room“ habt ihr auch mal selbst herausgebracht, obwohl ihr vorher bei Atlantik und East/West wart.

Ja, das war so ein Hin und Her mit den Labels, wir hatten „Pure Rock Fury“ mit Atlantic gemacht, davor waren wir bei East/West, die wurden zu Atlantic, dann zu Columbia, dann wieder zu Atlantic, wir wollten einfach nur unsere neue Scheibe machen, Atlantic nicht, da haben wir es eben selbst in die Hand genommen. Wir waren da zehn Jahre und unsere Musik und Philosophie hat sich seitdem schon verändert.

Ihr habt vor ein paar Monaten Weathermaker Records gegründet. Ist es nicht eine beknackte Idee, in der heutigen Zeit ein Label zu betreiben?

Das ist eine zweischneidige Sache: Es ist heute furchtbar einfach, ein Label zu gründen, wir gehen zu jemand und er nimmt unsere Songs einfach auf einem Computer auf. Und darüber kannst du sie ja auch gleich verbreiten. Ganz einfach. Die andere Seite ist natürlich, dass viele Leute die Platte nicht kaufen, sondern irgendwo downloaden, aber wenn ich ehrlich bin, mache ich das auch. Ich habe viele Scheiben, für die ich nie bezahlt habe. Wenn ich die Band aber liebe, besorge ich mir alles von ihnen auch auf CD.

Das hört sich nach einer entspannten Einstellung an, aber du musst ja von der Band leben. Oder hast du noch einen Job?

Nein, die Band ist mein Job, aber das ist ja nicht Arbeit im klassischen Sinne. Ich muss natürlich meine Miete davon bezahlen, aber wir haben nie mit den Platten Geld verdient, das machen wir mit Touren und T-Shirts. Ich bin kein Business-Typ, wenn ich genug Geld verdiene, um den kreativen Prozess zu unterhalten, dann reicht mir das. Das ist Erfolg für mich. Ich brauche keine Goldenen Schallplatten.

Das Weathermaker-Logo sieht ja dem WEA-Logo von damals sehr ähnlich. Ist das eine Provokation?

Hehe, nein das ist Zufall. Wir hatten es erst anders angeordnet, da sah es wie XXX aus, was ein Hardcore-Label ist, deshalb jetzt diese Variante.

Bist du mit dem, was die Band erreicht hat, zufrieden?

Es sind schon Leute zu mir gekommen und haben gesagt: „Euch gibt es jetzt 18 Jahre und ihr spielt immer noch nicht in Stadien. Es ist Zeit, sich aufzulösen.“ Das sagt mir nur, dass diese Typen allein wegen der Kohle dabei sind. Natürlich wollen wir auch vor möglichst vielen Leuten spielen, aber ich kenne auch befreundete Bands, die mit ihrer Band nicht mal in den nächsten Club kommen. Und ich sitze hier in Deutschland, werde nachher in Hamburg in einem ausverkauften Club spielen und die Leute singen mit mir die Texte, die ich zu Hause geschrieben habe. Das ist doch großartig.