MOFA

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Doitschpunk-Todeszone

Dafür, dass sich zwei Drittel der Köln-Mülheimer HELLACOPTERS-Klone BIONIC ELBOWS 2002 plötzlich dazu berufen fühlten, eine „total beschissene Doitschpank-Band mit einem noch beschissenerem Namen“ zu gründen, werde ich ihnen ewig dankbar sein. Ich bin nicht leicht zu begeistern, schon gar nicht, wenn es um deutschsprachige Rockmusik geht, aber das Debütalbum von SE SICHELZECKEN, „Was soll das sein, eine Generation?“, ist schlicht eine der besten Platten der letzten Jahre. Ultraunterhaltsamer Punkrock, von albern bis bierernst, von Emo bis Metal, und auch nach dem 700. Mal absolut tothörresistent. Vier exzellente Musiker, bestückt mit dem besten Humor seit Klaus Kinski, machten sich auf, Musikgeschichte zu schreiben. 2008 dann die Hiobsbotschaft. Das Unfassbare wird bittere Realität. Punkrock-Deutschland liegt sich heulend in den Armen. SE SICHELZECKEN lösen sich am Zenit ihrer Karriere auf. Man fängt bei Null an, die irren Verkleidungen werden durch Tennisoutfits ersetzt, MOFA erblickt das Licht der Welt! Eine erste EP kündigt an, dass man die Sache von nun an zwar ernster, auf keinen Fall aber humorloser angeht. Vor wenigen Tagen erschien zum zweiten Mal ein erstes Album ...

Jüngst stand der zweite „Weltsichelzeckentag“ ins Haus, von Fans ins Leben gerufen, die von eurem Neustart bis heute paralysiert sind. Die Frage aller Fragen: Was hatte es mit dieser Entscheidung auf sich?

Kiba: Ja, der 8. Juli. Den Weltsichelzeckentag haben PORNOHEFT initiiert. Ich glaube, die hat der Verlust der SICHELZECKEN am nachhaltigsten verstört, die sind immer noch sauer. Schön war auch, dass ich irgendwann mit meiner Mutter telefoniert habe und die meinte nur: „Gestern war doch Weltsichelzeckentag, oder?“ Das war echt lustig, vor allem, weil ich den natürlich vergessen hatte.

Oile: Mit PORNOHEFT waren wir als SICHELZECKEN ziemlich oft unterwegs und hatten stets einen Mörderspaß zusammen. Die haben das halt alles hautnah mitbekommen und uns immer davon abgeraten, sich unter einem neuen Namen wieder zu gründen. Ich würde heute sagen, dass es kein Fehler war, diesen Schritt zu gehen. Es hatte sich irgendwie ausgesichelzeckt zu der Zeit. Wir sind ja schon nicht erst seit MOFA in eine eher poppigere Richtung gegangen und der Name zog dann in den letzten Atemzügen der Zecken weiterhin eher Deutschpunkgemüse an, welche dann nach drei Songs meist kopfschüttelnd den Raum wieder verließen. Als unser Tänzer und Schreier Guerille dann im September 2007 seinen Ausstieg bekannt gab, war es für uns klar, dass da jetzt auch was Neues entstehen muss.

Während SE SICHELZECKEN kompromisslos alle Tabus ignorierten und eine gewisse Ähnlichkeit zu KNOCHENFABRIK nicht abzustreiten war, kommt mir heute in den Kopf: eine punkigere Version von MADSEN. Alle Ecken und Kanten wurden rausgebügelt, man wirbt damit, im selben Studio wie Grönemeyer und BAP aufgenommen zu haben. Eine bewusste Entscheidung? Was hat es mit dem Albumtitel „Punk Rock Fuck Off“ auf sich?

Oile: Wir haben im selben Studio wie Grönemeyer und BAP abgemischt. Da hätte ich im Übrigen auch in SICHELZECKEN-Zeiten mit geworben. Aufgenommen haben wir wie immer beim Blaschke in seinem Fort XI Studio. Mit „Punk Rock Fuck Off“ sagen wir einfach nett „Danke“ an eine Szene, die uns jahrelang tatkräftig unterstützt und abgefeiert hat. „Danke“ für eine wunderbare Zeit, die absolut wichtig und schön war für uns. „Aufgebaut“, ein Song auf dem neuen Album, behandelt dieses Thema auch. Des weiteren legt der Albumtitel, wie du schon sagtest, die Fakten auf den Tisch – Punkrock raus, Indie und Pop rein. Wir machen die Musik, die wir machen wollen, mit für uns völlig neuen Hilfsmitteln. Ist doch super. Ich träume seit meinem achten Lebensjahr davon, in tollen Studios aufzunehmen und viel auf der Bühne zu stehen. Da wäre ich ja schön doof, wenn ich das nicht dankend annehmen würde.

Kiba: Was es mit „Punk Rock Fuck Off“ auf sich hat, erklärt der Refrain eigentlich am besten: „Und sie gründen eine Szene und schauen dann da raus, wie aus einem Reihenhaus. Und sie gründen eine Szene für sich ganz allein, wie ein Kleingärtnerverein“. Soll heißen, dass sich in so einer Szene auch immer irgendwelche Beschränkungen, Vorschriften und beknackten Regeln herausbilden, so was wie Dresscodes und dergleichen. Szene kann eben auch verdammt spießig sein. Auf so was haben wir keinen Bock! Genauso verhält es sich mit der Musik. Die Platte ist jetzt einfach so geworden, wie sie ist. Da steckt keine Planung hinter. Wir machen einfach, worauf wir Lust haben, anstatt zehnmal hintereinander die gleiche Platte aufzunehmen. Vielleicht wird die nächste Platte ja wieder so wie die SICHELZECKEN, vielleicht machen wir aber auch Jazz oder Karnevalsmusik. Mal sehen.

Die Veröffentlichungen eures neuen Labels Hamburg Records beschränken sich auf Bands wie PYOGENESIS, MONTREAL, STAATSPUNKROTT und SONDASCHULE. Seid ihr mit diesem Umfeld zufrieden? Und was würdest du antworten, wenn kein Vertreter von Hamburg dieses Interview lesen würde?

Oile: Wenn man anfangs als D.I.Y.-erfahrene und -gewöhnte Band gesagt bekommt, man würde jetzt erst mal mit Bands wie MONTREAL oder SONDASCHULE auf Tour gehen, kommt man natürlich erst mal ins Grübeln. Gerade diese beiden Beispiele sind jedoch Bands, denen man nach näherem Kennenlernen und der entstandenen Freundschaft einfach nichts Schlechtes nachsagen kann. SONDASCHULE wie auch MONTREAL sind durch die Bank supernette Gesellen und live einfach unglaubliche Mächte.

Kiba: Also, wenn keiner von denen das Interview lesen würde, könnte ich die Wahrheit sagen, da wir aber durch die Unterzeichnung eines Knebelvertrages bis zum Hals in der Scheiße stecken und jedes falsche Wort hier uns teuer zu stehen kommen kann, muss ich leider einen vom Pferd erzählen. Aber im Ernst, der Schritt, das Angebot von Hamburg Records anzunehmen, hat uns zwar ordentlich Credibility-Points in der D.I.Y.-Szene gekostet, ermöglicht uns aber auch wahnsinnig viele Dinge, die sonst nicht denkbar wären. Man muss auch sagen, das Hamburg Records ja weniger ein Label ist, als viel mehr ein klassisches Management. Daher sind die Veröffentlichungen auf HR auch überschaubar. Was die Qualität der Platten angeht, muss jeder selbst entscheiden, ob er drauf steht oder nicht, aber für MONTREAL und SONDASCHULE lege ich meine Hand ins Feuer!

Oile: Fazit: Wir fühlen uns bei Hamburg Records wirklich gut behandelt und aufgehoben. Wir spielen nahezu jedes Wochenende live, haben musikalisch weitaus mehr Freiheiten, als anfangs befürchtet, und spielen einfach vor einem viel größeren Publikum. Da kann man einfach nicht meckern. Klar ist das alles noch hier und da recht neu und ungewohnt, etwa dass man verschiedenste Dinge zuerst mit einem Management absprechen muss, aber insgesamt sind wir wirklich sehr zufrieden.

Wie man auf eurer MySpace-Seite sehen kann, stellt ihr für MTV Cribs eure Villa vor, das Visions hat euch bereits entdeckt und ihr standet auf Platz drei der „Top 10 Songs 2008“. Ihr lebt das Leben der Stars, schwimmt im Geld. Wie lange wird das noch gut gehen? Habt ihr je darüber nachgedacht, einfach alles hinzuschmeißen und was Vernünftiges zu lernen?

Kiba: Wir haben ja alle schon was Vernünftiges gelernt, der Gilb ist Schausteller, das Phantom hat Imker gelernt, der Oile Henker und ich kann jederzeit wieder als Eisenbieger arbeiten. Um uns braucht man sich also echt keine Sorgen zu machen, wir sind voll abgesichert. Wie lange das mit uns noch gut geht, kann ich nicht genau sagen, vermutlich bis einer von uns zu viel Geld aus der Merchkasse geklaut hat.