STOMPER 98

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Vegan Straight Edge Oi!

Nein, ich will das ganze Thema nicht noch einmal aufkochen, unerwähnt bleiben kann es auch nicht: STOMPER 98 aus Göttingen haben sich einerseits in den letzten Jahren zu einer enorm beliebten Oi!/Streetrock-Band entwickelt, hatten und haben aber seit 2008 auch damit zu kämpfen, dass Frontmann Sebi, ja die ganze Band sich mit dem Vorwurf auseinandersetzen musste, der so alt ist wie die Skinhead-Bewegung: Dass da die Abgrenzung nach rechts nicht so scharf sei, wie sich das mancher wünscht. Die Auseinandersetzung war wenig schön, aber auch durchaus nötig, ein langes Interview dazu findet sind unter diesem Link hier), weshalb sich dieses neue Interview mit Sebi eher den aktuellen Entwicklungen als der damaligen Thematik annimmt.

Sebi, auf unserer Website kann man ein langes Interview zu euren „Problemen“ lesen. Was hat sich dadurch und seitdem für euch verändert? Was hast du, was habt ihr an Lehren und Erfahrungen mitgenommen?

Dazu fällt mir der Satz ein: „Alles, was Sie sagen, kann und wird gegen Sie verwendet werden.“ Tatsächlich scheint es Leute zu geben, die sehr darauf achten, was wir als Band und Einzelpersonen so treiben. Immer auf der Anklagebank. Es scheint so, als ob wir jedem eine Erklärung schuldig wären. Gerade bei vermeintlich politisch aktiven Szenegängern gab es hitzigen Diskussionsbedarf. Um es noch mal zu sagen: Die Art wie teilweise an uns herangetreten wurde, entbehrt für mich jeglicher Diskussionsbasis. Da mache ich dicht und reagiere gar nicht. Wobei diese Leute grundsätzlich gar nicht wissen wollen, was wir wirklich denken, sondern uns lediglich als die Bösen dastehen lassen wollen. Ich bin kein Engel und das habe ich auch nie behauptet. Da wir in dem Ox-Interview ziemlich tief haben blicken lassen, sollte eigentlich alles gesagt sein. Der Rückhalt, den wir durch Freunde, Fans und Szeneaktivisten erfahren haben in dieser Zeit, hat uns natürlich sehr bestärkt, auf dem richtigen Wege zu sein. Es haben sich viele Leute für uns gerade gemacht, wo ich mich schon sehr drüber freue. Vor allem nicht alleine dazustehen mit dem Dreck, der über uns ausgeschüttet wurde. Ein Resümee zu ziehen halte ich für falsch, da es ja immer weitergeht, und auf dem, was war, auszuruhen, ist nicht so meines. Privat und mit der Band haben wir immer so viele Pläne, da bleibt keine Zeit für Stillstand.

Es gibt Lästermäuler, die behaupten, es sei dreist, dass eure Band aus der Sache mit einem Popularitätsschub hervorgegangen sei. Läuft es wirklich so gut seit 2009?

Wir haben immer viel Herzblut und Arbeit in die Band gesteckt und das kontinuierlich seit über zehn Jahren. Durch Besetzungswechsel haben wir immer wieder Rückschläge erlitten, doch mit dem Einstieg von Tommi und Phil im Herbst 2005 ging noch mal ein deutlicher Ruck durch die Band. Die beiden Platten „Für die Ewigkeit“ und „Tage deiner Jugend“ zeigen das deutlich. Auch in Sachen Konzerte ging es seitdem stets aufwärts. Spielen wir jetzt Gigs in vollen Clubs, dann bestimmt nicht, weil wir mit Dreck beworfen wurden. Mittlerweile machen unsere Freunde von MAD-Tourbooking das Booking für uns, und auch mit Sunny Bastards als Label läuft alles bestens.

Und woran liegt das in Wirklichkeit?

Als Band ziehen wir seit über zehn Jahren „unseren Stiefel“ durch, und wenn wir von irgendwas profitieren, dann sicher nicht von solchen Geschichten, wie sie teilweise verbreitet werden. STOMPER 98 funktioniert als Band. Das ist uns sehr wichtig. Es funktioniert nur mit uns allen zusammen. Dass es momentan super läuft, ist cool und freut uns natürlich ungemein.

Ihr habt euch sehr darum bemüht, klarzustellen, worum es bei STOMPER 98 geht und womit ihr ganz sicher nicht in einen Topf geworfen werden wollt. Und trotzdem hagelte es wieder Kritik, denn nun hieß es, dass ihr euch bei der „linken Studentenpresse“ anbiedern würdet. Denkst du, dass das grundsätzlich damit zusammenhängt, dass ihr mittlerweile einen größeren Bekanntheitsgrad habt und deswegen plötzlich jeder eine Meinung zu jedem eurer Schritte hat?

Woran das liegt weiß ich leider nicht genau, ist mir aber auch relativ egal. Das meiste habe ich nach anfänglicher Aufregung eher mit Humor genommen. Anders sollte auch mit einigen Reaktionen nicht umgegangen werden, da es sonst Zeitverschwendung wäre. Die Presse kommt auf uns zu, wir wiegen dann ab, was wir wollen und geben dann Interviews oder lassen es eben bleiben. Skinheads sind ja für viele Medien immer wieder interessant, und leider kommen wir in 95 Prozent aller Fälle schlecht weg. Das wissen wir auch und haben im Vorfeld klar abgesteckt, was wir wollen. Dass überhaupt Interesse an STOMPER 98 besteht, ist dann für uns ein Zeichen, dass die Band wahrgenommen wird. Im Internet sieht das ein wenig anders aus. Da hat halt jeder die Möglichkeit, seinen Kram loszuwerden, und wir nutzen das Medium ja auch, um über uns zu berichten. Die Band polarisiert und da wir alle in der Szene sehr aktiv sind, nutzen wir auch verschiedene Foren und natürlich auch MySpace. Einige der Leute, die uns kritisiert haben, kenne ich schon sehr lange und weiß, dass es nicht persönlich gemeint ist, sondern sie sich Gedanken um „ihre“ Szene und „ihre“ Bands machen. Das verstehe ich sehr gut, kann persönlich aber keine Rücksicht darauf nehmen, denn die Band STOMPER 98 gehört ja niemandem, sondern wir innerhalb der Band legen fest, was für uns machbar ist und womit wir nichts zu tun haben wollen. Und zur Presse im Allgemeinen kann ich nur eines sagen: wenn du weißt, dass dein Gegenüber dir bei tausend Gelegenheiten vorher das Messer in den Rücken gerammt hat, ob aus Unwissenheit, aus Dummheit oder einfach aus Sensationslust, dann gehst du auch dementsprechend vorbereitet an die Sache ran. Oder aber du bleibst mit deiner Band im Proberaum und lässt dich von deinen Freunden feiern, die eh nie was gegen deine Attitüde sagen würden. Das wäre der Weg, den ich als feige bezeichnen würde, denn ohne Konfrontation kann auch nichts verändert werden an bestehenden Ungerechtigkeiten.

Ende Oktober erscheint eure neue CD und auch eine DVD. Was ist neu, was ist gleich, was für ein Konzept steckt dahinter?

Die CD-Compilation „4 The Die-Hards“ enthält Songs von uns aus den Jahren 1998 bis 2003. Mit dabei ist ein unveröffentlichter Song und Sachen von verschiedenen Samplern und EPs, die wir gerne noch mal in einem größeren Rahmen präsentieren wollten. Vor allem die Sachen der ersten EP sollten mit drauf, da sie jetzt schon mehrfach gebootlegt wurde und wir da einfach den Zugang leichter machen wollten. Da wir alle unsere analogen Aufnahmebänder in unserem Stammstudio Out-O-Space in Göttingen bei Tom Spötter aufbewahrt haben, konnten wir die ganzen Sachen durchhören und den Sound noch ein wenig optimieren. Das war zwar eine Riesenarbeit, aber es hat Spaß gemacht, auf Zeitreise zu gehen und unseren alten Sängern Niko beziehungsweise Guido noch mal zuzuhören. Auch so eine Sache, die uns sehr freut. Normalerweise stehen und fallen ja viele Bands mit Sängerwechseln. Bei uns hat es dreimal geklappt und niemand störte sich dran. Wie bei den 4-SKINS, die haben sogar noch mehr Frontmänner gehabt. Zurück zur Platte, wir wollten schon was Besonderes daraus machen, und nachdem Wölfi von DIE KASSIERER netterweise bei einem Song für ein Intro herhielt, kam uns die Idee für ein Konzept bei der Platte. Der Till ist Moderator einer Radioshow namens „Noise Engine“, die in Sachen Punk/HC seit über zehn Jahren auf Sendung ist, und mit viel Ironie und ein paar tollen Gastauftritten befreundeter Musiker führt er sozusagen durch die Scheibe, die ist also aufgebaut wie eine Radioshow. Mit dabei waren unter anderem Jens von EASTSIDE BOYS beziehungsweise RUCKERS, unser erster Sänger Niko, oben erwähnter Wölfi von DIE KASSIERER und John Joseph, Sänger der CRO-MAGS. Erscheinen wird das Ganze als CD erstmalig auf Sunny Bastards und als Vinyl bei Contra Records. Parallel dazu erscheint auf Sunny Bastards unsere DVD anlässlich unseres Zehn-Jahres-Konzertes im November 2008 im Conne Island/Leipzig. Die DVD enthält neben dem Gig auch viele Sachen, die wir auf Tour, im Studio und privat selber gedreht haben. Das zeigt Skins mal von einer ganz anderen Seite. Die Bildaufnahmen und die Dokumentation haben wir mit True Jokx aus Berlin gemacht, und wir sind von der Rohversion schon sehr beeindruckt.

Ihr seid jetzt bei Sunny Bastards ...

Ja, ganz neu ist dieses Mal das Label. Im Februar entschieden wir uns für das Label aus Essen, weil sie einfach alle Voraussetzungen haben, unserer Band Sicherheit zu geben. Wir können uns voll auf die Musik konzentrieren, während SB uns den Rücken frei hält und sämtliche anfallenden Dinge äußerst akribisch und konzentriert abwickelt. Wir brauchen uns da um nichts zu kümmern, und das erleichtert sehr viel.

Was macht einen guten Oi!-Song aus? Für mich als, äh, außenstehenden Langhaarigen ist leider 99 Prozent von dem, was nach 1983 und vor allem an deutschsprachiger Skinhead-Musik aufgenommen wurde, im besten Falle ein müder Abklatsch der alten britischen Helden. Was machen viele Stumpfgröler falsch?

Als ich anfing, Musik zu machen, ging es darum, sich eine Stimme zu verschaffen und sich gegen das aufzulehnen, was mich wahnsinnig machte. Eltern, Schule, Bullen, Stress auf der Straße, dagegen wollten wir damals anstinken. Wir konnten weder spielen noch hatten wir teures Equipment. Wir hatten unsere Ideen, unser Herzblut und unsere Wut und den Zorn. Das reichte für uns. Ich habe mich mehr auf der Straße rumgedrückt als in der Schule und mich mit schlecht bezahlten Jobs über Wasser gehalten. Wie soll jemand aus gutem Hause, dessen Karriere auf der Universität beginnt, überhaupt Leute wie uns verstehen? Oi! ist alles andere als stumpf und prollig, das ist nur ein Attribut, das uns von außen aufgedrückt wird. Die Nöte, Ängste und Sorgen der einfachen Kids sind nun mal anders, wenn du in Berlin-Mahrzahn oder in Delmenhorst-Wollepark groß wirst, als im beschaulichen Neubaugebiet von was weiß ich wo. Ich könnte dir jetzt 100 Songs aufzählen, die nach 1983 geschrieben wurden und mich noch immer von den Beinen hauen. Herz, Seele und Leidenschaft sind im Zusammenhang mit guten Melodien eine gute Grundlage. Ich mag die Natürlichkeit der Protagonisten, kein aufgesetztes Getue, sondern Geradlinigkeit. Ein künstlerischer Anspruch ist mit Sicherheit bei 99 Prozent aller Musiker in Oi!-Bands nicht vorhanden, sondern der Wille, sich Gehör zu verschaffen, und wenn es sein muss, mit mehr Provokation, als manche Leute verkraften. Das hört sich für einige Leute vielleicht nach Prolltum oder Stumpfgegröle an, ist es aber oft einfach gar nicht. Ich persönlich kann mit diesem ganzen Saufen-Ficken-Oi!Oi!-Gegröle nichts anfangen, denn wen interessiert die Trinkfestigkeit oder das Stehvermögen anderer Leute schon wirklich? Oi! ist für mich die Stimme der Straße, diie Stimme der Working Class und die Stimme derer, die keine Lobby haben. In der Gesellschaft, in der wir leben, sollen alle die Schnauze halten und wie Arbeitsbienen stumpf mitmarschieren. Wer das will und mitspielt, hat sowieso verloren. Wenn du nicht mitmachst, brauchst du natürlich etwas, was dir hilft, immer gegen den Strom zu schwimmen. Da ist Musik genau das Richtige. Für die Kids ist es doch genau das, was den Alltag einigermaßen erträglich macht. Ein guter Gig, was trinken, flirten, Spaß haben und für ein paar Stunden alles hinter sich lassen. Und die Band auf der Bühne lebt das selbe Leben, mit den selben Ängsten, Nöten und Sorgen. Dort kann sich jeder zugehörig fühlen, denn alle sind gleich, und Intoleranz gegenüber Schwächeren wird aus dem Saal gefegt. Das klingt pathetisch? Okay, kann ich mit leben, aber genau daraus ziehe ich Kraft. Genau das bringt mich der Zufriedenheit ein kleines bisschen näher. Zu wissen, dass da draußen eine Menge Leute genauso ticken wie ich, in jedem Land der Welt, in jedem Alter, genauso davon ein Teil zu sein, etwas beizutragen, das ist für mich was Besonderes. Unser Drummer Phil sagt immer, wenn du kein Interesse an anderen hast, wenn du die ganze Welt und dich selbst hasst und in dieser Dummheit gefangen bist, kannst du auch niemals erkennen, dass du komplett falsch liegst.

Und was sagen Leute aus deinem Umfeld wie Kollegen, Nachbarn, die anderen Eltern aus Schule und/oder Kindergarten deiner Kids zu deinem Hobby „Rockstar“?

Im Job ist das nicht so das Thema. Ich arbeite in einer recht großen Firma im Lager, und dort wissen alle, was ich mache. Einige kennen die Band oder fahren auch schon mal auf Gigs mit beziehungsweise wir fahren zusammen zu anderen Bands in der Umgebung. Ich bekomme jeden Tag frei, den ich brauche, sei es für die Band oder die Familie. Mein Boss ist da ziemlich cool. Es kommt immer wieder zu witzigen Situationen. Mich fragte mal ein Herr aus der höheren Etage, ob die vielen Tätowierungen denn nötig wären, und bevor ich antworten konnte, sprach eine Kollegin für mich. Sie erklärte dem erstaunten Herren, dass ich Musiker bin und dass das schon seine Richtigkeit hat. Das fand ich sehr charmant von der Dame. Da ich mit meiner großen Familie und ’nem Nine-to-five-Job sehr viele soziale Kontakte außerhalb der Szene habe, wissen so ziemlich alle in meinem Umfeld von STOMPER 98. Was sie davon halten, ist mir schnuppe, doch die meisten Leute finden es cool und fragen regelmäßig, wo wir unterwegs sind und wann neue Platten kommen. Das Interesse ist sehr groß und es dreht sich meist darum, was das Ganze abwirft und ob es reicht, die Familie zu ernähren. Na ja, und die Frauen können nicht verstehen, dass meine Frau Bianca das alles mitmacht, während die Männer alle gerne mal mitkommen würden und doch schon sehr romantische Vorstellungen haben, wie es so abläuft. Genau deswegen sind die Frauen auch eher zwiegespalten, ihre Männer mal mit zu lassen, hahaha. Die Arbeit, die dahinter steckt, sieht keiner und oft müssen die Sachen für die Band zu Zeiten erledigt werden, wenn meine Kinder im Bett sind. Ich versuche, so viel Zeit wie möglich mit der Familie zu verbringen und wenn es nach langen Wochenenden nach Hause geht, bin ich genauso glücklich, nach Hause zu kommen, wie ich mich vorher darauf freute, „on the road“ zu sein. Meine Kinder kennen es nicht anders und deshalb stören sie sich auch nicht daran. Und die kleinen Geschenke, die ich so mitbringe für alle, erfreuen sich großer Beliebtheit. Mein Größter hat Fußballtrikots von überall, wo wir waren, und sucht schon immer Vereine und Länder aus, wo es für uns hingeht und was ich dann mitbringen soll.