MARCEL BONTEMPI

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Der Wachsmalstift im Haus erspart das Kindermädchen

Nicht nur, dass der charmante Nordhesse Marcel Bontempi als Sänger und Gitarrist von den MONTESAS einer der gegenwärtig absolut authentischsten Hully-Gully-Freakbeat-Kombos unserer Breitengrade vorsteht, nein, auch als Illustrator und Grafiker für Konzertplakate und Plattencover von Bands und Labels wie ACHTUNG RAKETE, THE WAISTCOATS, THE MONSTERS, El Toro oder Soundflat Records hat er sich in der Rockabilly- und Garage-Szene mittlerweile einen vorzüglichen Ruf erarbeitet. Und da der Bursche so freundlich war, uns auch das CD-Cover für die vorliegende Ausgabe zu gestalten, packte ich die Gelegenheit beim Schopf und stellte ihm gleich noch ein paar Fragen bezüglich seines Schaffens.

Wie ging es bei dir los mit deinem Interesse für die Kunst? Hast du dir dein Können autodidaktisch angeeignet oder eine richtige Ausbildung absolviert? Wie ich hörte, arbeitest du ja schließlich auch noch als Lehrer.

Mein Vater war ein Bildhauer „alter Schule“ mit einer ganz klassischen Ausbildung. Kunsthochschule in Barcelona, Aktstudien, Proportionen, all so was. Obwohl er sich für den Broterwerb in Deutschland zum Architekten weiterbildete, weckte er früh mein Interesse an bildender Kunst und achtete immer sehr darauf, dass ich zu Hause und unterwegs stets zeichnen oder malen konnte, was meinen Eltern ein Kindermädchen ersparte. Dementsprechend früh konnte ich ebenfalls in Barcelona eine rudimentäre klassische Ausbildung genießen, was mich beim späteren Besuch der Kunsthochschule Kassel zeitgemäß zum totalen Außenseiter und Trottel machte – „Landart“ war Anfang der Neunziger das große Ding –, mir aber langfristig als Maler, freier Grafiker und Illustrator entscheidende Vorteile bietet. Zur Sicherheit und weil es sich einfach auch angeboten hat, bin ich als so genannter Quereinsteiger in einer Schule einen Tag in der Woche als Kunstlehrer beschäftigt. Das bringt Abwechslung und hält einen auf Trab. Außerdem bringt einen die Herangehensweise mancher Schüler auf neue Ideen.

Wie würdest du selbst deinen Stil bezeichnen? Ich finde jedenfalls, dass man deinen Werken, wie es ja auch bei deiner Band nicht anders ist, eine sehr große Liebe zur Popkultur der Fünfziger und Sechziger Jahre anmerkt.

Das Klassifizieren und Einordnen sollte man anderen überlassen – aber wenn du mich so fragst: Es ist vieles, aber vor allem ganz klar retro! Alles was vor, sagen wir, 1970 grafisch-bildnerisch-soundtechnisch da war, finde ich irgendwie sehr sexy. Meine Einflüsse sind Bauhaus, Jugendstil, Expressionismus, Dada, Popkultur der 40er, 50er und 60er Jahre, Naive Kunst, Folk Art, Outsider Art, Art Brut, um nur einige zu nennen, die mir gerade durch den Kopf gehen. Hauptsache keine allzu billigen Klischees. Künstler, die ich sehr schätze, sind unter anderem Alex Steinweiss , der Erfinder des Schallplattencovers, Tim Biskup, Jim Flora, Derek Yaniger, Picasso, August Walla, Gari Taxali, Ian Murray, Robert Crumb und Ron Turner.

Mit welchen Mitteln arbeitest du, welche Materialien bevorzugst du?

Früher hatte ich eine sehr computerfixierte Phase, vor allem so Sachen wie Plattencover habe ich komplett am PC gemacht, bis mir auffiel, dass ich begann, echte Handarbeit durch bestimmte Effekte am PC nachzuäffen. Dann hatte ich die Nase voll und bin wieder zurück zur Malerei gekommen – hauptsächlich Acryl, aber auch Wachsmalstifte, Tusche und Wasserfarben. Heute wäge ich genau ab, was ich in echter Handarbeit anfertige und was ich am PC weiterverarbeite.

Gerade in der Rock’n’Roll- und Sixties-Szene hast du dir ja schon einen recht achtbaren Ruf als Illustrator erworben. Was waren bislang die Bands, für die ein Plattencover oder Plakat entwerfen zu dürfen, dich am meisten geehrt hat?

Grundsätzlich ist es mir immer eine Ehre, wenn eine Band, ein Konzertpromoter oder ein Label wegen eines Posters, Plattencovers oder Flyers anfragt – das ist für mich das höchste Lob, das ich mir vorstellen kann! Meistens sind es die Labels, die als Kunden an mich herantreten und für einen neuen Release ein Cover oder Booklet brauchen. Die Musiker selber sind dabei meistens nicht involviert. Aber besonders freuen mich kleinere, mir unbekannte Bands, die auf mich zukommen und eine Arbeit von mir wollen. Oder auch nicht genrespezifische Veranstalter, die ein Plakat für eine irgendwie retromäßige Veranstaltung haben wollen. Großen Spaß machen Sachen, bei denen ich freie Hand habe – das werden auch meistens die besten.

Hin und wieder stellst du ja auch mal aus: Welche Resonanz erfährst du dort und wie tief muss man durchschnittlich in die Tasche greifen, wenn man sich einen original Bontempi über den heimischen Kamin hängen möchte? Ab welchem Preis kann man dich für Artwork- und Postergestaltungen buchen?

Ausstellungen machen großen Spaß – das ist so ein bisschen wie ein Konzert, nur dass überhaupt nichts schiefgehen kann: Alle Bilder wurden vorher gemalt, ausgesucht, gruppiert, gehängt – danach entscheidet der Besucher. Und der entscheidet meistens richtig, kommt und kauft ein. Die Preise versuche ich immer so niedrig wie möglich zu halten, die Bilder sollen schließlich irgendwo hängen und sich nicht in meinem Arbeitszimmer stapeln. Preislich ist für jeden was dabei, obgleich Originale natürlich teurer sind als zum Beispiel Drucke, welche ein gutsituierter Punk aus der Portotasche zahlen kann. Am 11. Dezember werde ich an einer Gruppenausstellung – unter anderem mit dem allseits bekannten und geschätzten US-Künstler Shag – in der Berliner Galerie Strychnin teilnehmen. Passend zum Datum heißt die Ausstellung „X-Mas Luau“ und bei der Aftershowparty im Roadrunner’s Paradise spielen übrigens die MONTESAS mit meiner Wenigkeit an der Gitarre zum Tiki-Hully-Gully auf. Zwischen Twist und Schnaps kann man dann der illustren Künstlerriege, die dort versammelt sein wird, bestimmt auch preislich näher kommen.