LA IRA DE DIOS

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Revolution Rock Made In Peru

Nach Peru möchte ich ja gern mal reisen. Eigentlich gibt’s da alles: Strand, hohe Berge und Urwald. Städte, die man nur mit dem Flugzeug oder Boot erreichen kann, und auch jede Menge guter Bands. Eine der wenigen, die es schon mehrfach auf Tour nach Deutschland geschafft haben, sind LA IRA DE DIOS, die mit „Apus Revolution Rock“ ein so beeindruckendes viertes Album hingelegt haben, dass sogar Jello Biafra himself Gefallen daran gefunden haben soll. Was man noch über den „Zorn der Götter“ wissen muss, hat Gitarrist Chino mir vor dem Konzert in Berlin erzählt.

Chino, LA IRA DE DIOS heißt „Der Zorn der Götter“. Auf was oder wen sollten die Götter zornig sein?

Das war gar nicht so die Frage, anfangs ging’s mehr darum, was für einen Sound wir machen. Und wir haben gesagt: Wir klingen wie der Zorn der Götter. Das klingt halt sehr intensiv. Es war ein cooler Name für eine Rockband, besonders am Anfang waren wir mehr von Kraut- und Spacerock beeinflusst. Das hat uns sehr geholfen, weil wir etwas sehr Spaceiges und Spirituelles machen wollten, ohne dieses „punchy feeling“ zu verlieren.

„Apus Revolution Rock“ ist mittlerweile eure vierte Platte, wie unterscheidet sie sich von vorherigen?

Beim ersten Demo hatten wir ziemlich viel Glück, denn plötzlich wurde es in Deutschland veröffentlicht und in Europa und den USA vertrieben. Aber es war halt nicht als richtiges Album gedacht. Plötzlich haben das einige deutsche Labels auf den Schirm gekriegt, wollten es rausbringen und wir konnten das fast nicht glauben. Die zweite Platte war für uns dann schon ernsthafter. Da war alles sehr dunkel und trippy. Als wir dann zum ersten Mal hier auf Tour waren, war klar: Ich will nicht so lange warten, bis wir zum Höhepunkt des Songs kommen, um zu rocken, ich will straight auf den Punkt kommen. Das haben wir beim dritten Album entwickelt und beim neuen ist es noch offensichtlicher. Das geht schon direkt in die Fresse, aber andererseits wollen wir auch nicht das Psychedelische verlieren, weil es dazugehört. Wir hören schon seit Ewigkeiten Psychedelic-Rock.

Die psychedelischen Elemente in eurer Musik hast du ja schon angesprochen, wie sieht das bei euch konkret aus?

Wir hatten mal ein viertes Bandmitglied und er war verantwortlich für den elektronischen Kram. Aber er konnte nicht weiter Musik machen und musste aufhören. Am Anfang waren wir nur zu dritt und ich habe mich um die ganzen Noise-Sounds gekümmert. Auf der ersten Tour hatten wir dann den vierten Mann dabei, der diese Sounds auch beim zweiten und dritten Album gemacht hat. Jetzt geht es wieder zurück zu den Wurzeln. Nun bin ich halt der, der diese psychedelischen Sounds mit reinbringt. Die Drums sind teilweise auch sehr tribalmäßig und der Bass ist ziemlich bluesmäßig. Wenn du das alles zusammenpackst, dann wird es schon recht psychedelisch. Der Punk kam mit der ganzen Energie, die wir in die Musik stecken. Ich hasse es, wenn Leute denken, dass psychedelische Musik lahme Musik ist, die sich über zehn Minuten hinzieht. Ich will kurze Songs, so wie Hardcore-Songs, die dir aber das Bewusstsein bis ins All erweitern.

Auf dem Cover eurer CD prangt ein fettes Anarchie-A – seid ihr Anarchisten?

Das A steht für das A in „Apus Revolution Rock“, dem Titel der CD. Apus ist ein alter mythologischer Name. In den alten Kulturen Perus gab es die Vorstellung, dass die Erde lebt und die Geister der Berge die Apus sind. In den höheren Regionen der Berge gibt es immer noch Menschen, die diese Religion praktizieren, es ist eine heidnische Religion. Das ist unsere ursprüngliche Religion, dann kamen die spanischen Eroberer und der Katholizismus, das ist überall auf der Welt der gleiche Scheiß. Aber unsere ursprüngliche Religion ist der Glaube an Mutter Erde und an Mutter Sonne. Und dann „Revolution rock“ – wir sind eben totale CLASH-Fans. Es ist ein guter Mix: die peruanischen Wurzeln und eine klassische Punkrock-Band.

In Peru gibt es ja seit den Sechzigern eine recht lange Tradition von Rock-, Psychedelic- und Beat-Bands – seht ihr da euch da in einer Reihe von Bands wie zum Beispiel LOS YORKS?

LOS YORKS sind schon sehr cool, aber meine Lieblingsband sind LOS SAICOS. Ich denke schon, dass wir diese Tradition aufrecht halten, weil man einige Garage-Elemente in unserer Musik findet, wir spielen auch einen Song von LOS SAICOS live. Das Problem in Peru ist, dass wir in den Sechzigern eine sehr coole Szene hatten, aber dann kam das Militärregime und die waren sehr nationalistisch. Jeder ausländischer Einfluss, wie eben Rock’n’Roll, war verboten. Die Siebziger waren wie ein schwarzes Loch, das jede Erinnerung der Menschen in Peru aufgesaugt hat. Bis vor fünf Jahren hat in Peru kein Mensch von LOS SAICOS geredet und plötzlich entdecken die Musiker meiner Generation in Lima das alles wieder. Es gab die Sechziger und es gibt die Gegenwart, dazwischen war es ziemlich trostlos.

Wie ist die Punk/Rock-Szene in Lima heute? Gibt’s viele Bands, die einen ähnlichen Sound machen wie ihr?

Es gibt vielleicht eine Handvoll Bands, die unserem Stil folgen. Das Tolle an Lima ist, dass die Szenen nicht so aufgeteilt sind. Es gibt nicht die Garage-Szene, die Rockabilly-Szene oder die Punk-Szene. Die Konzerte laufen immer so ab, dass du fünf Bands am Abend hast und dann kommt vielleicht zuerst eine Punkband, dann eine, die Rockabilly macht, dann eine Reggae-Combo und eine traditionelle

Cumbia-Band und dann vielleicht eine experimentelle Elektro-Noise-Band. Wenn du auf unserer MySpace-Seite guckst, wirst du sehen, dass bei unseren „Top-Freunden“ viele Bands aus Peru sind. Uns ist schon bewusst, dass wir eine internationale Ausrichtung haben, wir sind zwar nicht groß, aber wir sind hier auf Tour, überall in Europa, in den Staaten, und da ist es wichtig für uns, zu zeigen, dass wir nicht die Einzigen sind, dass es in Peru noch viel mehr coole Bands gibt.

Seid ihr in Peru sehr bekannt?

Ja, kann man schon sagen. Auch weil wir solche Touren wie hier machen. Es hat drei Europatouren gedauert, bis die Leute gemerkt haben: Oh, an den Jungs muss was dran sein. Wir sind in Peru Underground und hier auch. Wir mögen es, Underground zu sein. Ich scheiß auf Mainstream oder darauf, dass irgendein blöder Typ von einer Plattenfirma sagt: ihr müsst das so und so machen. Zum Glück ist unser Plattenfirmenchef echt cool und gibt uns die Freiheit, die wir wollen. Wir sind zwar nicht die einzigen, aber es haben nicht viele Bands die Chance, so zu touren. Es gibt Bands, die machen vielleicht 1-2 Gigs hier. Auf unserer letzten Tour 2008 haben wir 105 Tage am Stück getourt. Das haben wenige peruanische Bands vorher gemacht, wir sind da sehr stolz drauf. Wenn wir irgendwo auftauchen, sind wir halt „Die Peruaner“ und das ist, was den Leuten bewusst werden sollte.