DEEP EYNDE

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Mein schwarzes Herz

Interviews per E-Mail bergen nicht selten die Gefahr, dass sich der Interviewte zu schnöseligen Ein-Wort-Antworten hinreißen lässt. Also lieber ein paar Fragen mehr stellen, damit man auf der sicheren Seite ist. Eine Taktik, mit der ich immer gut gefahren bin. Bis jetzt. Denn der ausgefüllte Fragenkatalog, den mir Fate Fatal, Frontmann von THE DEEP EYNDE, zurückschickte, hat mindestens den Umfang einer Magisterarbeit, war allerdings tausendmal spannender zu lesen. Hier also einige Auszüge aus einem sehr ausführlichen virtuellen Gespräch über Spukhäuser, blöde Reviewer und wie es sich anfühlt loszulassen.

„Spell*Bound“ ist euer sechstes Studio-Album. Bist du noch aufgeregt, wenn ihr ein Album veröffentlicht?

Ein fertiges Produkt in Händen zu halten, ist mit nichts zu vergleichen, vor allem, nachdem man sich im Nachhinein oft fragt, ob man das Richtige getan hat, ob es in die richtige Richtung ging. Wir wollten uns mit diesem Album Zeit lassen und nichts überstürzen. Mich haben Leute wie Peter Jackson und Stanley Kubrik inspiriert, die Art, wie sie durch die Liebe zu ihren Filmen völlig in ihrer Kunst aufgehen. Wenn du so eine Art von Liebesbeziehung zu deiner Kunst aufbaust, geht es vor allem darum zu wissen, wann man loslassen muss. Wir Künstler wollen unsere „Produkte“ niemals loslassen. Wenn ich im Schaffensmodus bin, muss wortwörtlich jemand kommen und es mir aus den Händen reißen. Ich nehme die Musik und besonders die Aufnahmephasen sehr ernst. Viele andere Bands rühmen sich damit, dass sie ihre Musik zu Hause am Rechner produzieren. Ich nicht. Für das, was ich ausdrücken möchte, genügt das nicht. Ich möchte, dass die Musik aus den Tiefen meiner Seele umgewandelt wird in einen Sound, der greifbar ist.

Warum der Titel „Spell*Bound“? Das hat doch bestimmt eine tiefergehende Bedeutung ...

Das Wort „spellbound“, also „von etwas verzaubert sein“, bedeutet für mich, von etwas besessen zu sein, eine Anziehungskraft, die du nicht kontrollieren kannst. Ich fühle mich mit diesem Begriff verbunden, da ich, wie gesagt, dazu neige, an Dingen festzuhalten, nicht loslassen kann. Vor allem an Alben wie diesem. Aber der Titel steht auch für meine Faszination für das Übernatürliche. Zudem repräsentiert der Albumtitel die Rückkehr der Band zu ihrer dunklen, atmosphärischen, emotionalen Seite. Eine Zeit lang standen wir mit unserem Sound auf dem Kriegsfuß. Aber jetzt sind wir zurück und sehr stolz, dass das neue Album auf Fiendforce Records releaset wird. Thorsten, der Chef von Fiendforce, ist ein guter Freund von mir und wir haben lange darüber geredet.

Im Presseinfo zu eurem aktuellen Album steht, es sei inspiriert von Séancen, spirituellen Sitzungen, bei denen man Kontakt zu Verstorbenen aufnehmen kann. Was fasziniert dich daran? Hast du schon mal an einer Séance teilgenommen?

Du solltest wissen, dass mein Sternzeichen der Skorpion ist. Das sagt einiges über mich. Seit ich ein Kind war, bin ich besessen von dem Gedanken, dass Geister unter uns wandeln. Energie stirbt nicht, sie setzt sich fort, in ganz verschiedenen Formen. Energie ist unendlich. Du kannst das Magie nennen, aber ich glaube, dass das ein ganz normaler Vorgang im Universum ist. Nicht mehr. Wer wir sind und warum wir existieren, das ist die eigentliche Magie. Es gibt so viele Religionen, die sich darum streiten, welcher Gott denn nun der Beste ist, die sich lustig machen über alte Kulte, die Bäume angebetet haben. Dabei unterscheidet sich diese Form des Glaubens doch gar nicht so sehr von dem Glauben, dass ein Geist eine Jungfrau geschwängert haben könnte. Aber um deine Frage zu beantworten: Ja, ich bin schon mal mit der Geisterwelt in Kontakt getreten. Es war eine Erfahrung. Dabei interessiere ich mich gar nicht so sehr für das, was wir Geister nennen. Ich bin viel neugieriger auf Orte, auf Spukhäuser, die so viele tragische Geschichten in sich versammelt haben.

Wenn man sich eure Alben anhört, wird deutlich, dass ihr mit eurem Sound nicht im Reinen wart, wie ich finde. Ihr seid als Gothic-Band gestartet, dann klangen eure Songs immer mehr nach Rockabilly. Und als „Shadowland“ rauskam, hattet ihr plötzlich einen ziemlich straighten Punk-Sound. Jetzt scheint es wieder zu heißen: back to the roots. Keinen Bock mehr auf musikalische Experimente oder woher kommt die Rückbesinnung auf eure Anfänge?

Es stimmt, ich bin zurückgekehrt. Ich habe immer noch ein schwarzes Herz und bin nach wie vor von allem fasziniert, das mit Gothic zu tun hat. Warum ich mit so vielen verschiedenen Stilen experimentiert habe ... mein Temperament, mein Geist schwingt wie ein Pendel. Es ist witzig, dass Leute, die uns hören, egal, wie wir gerade klingen, immer meinen: „Wow, genau das ist es!“, und ich genau das nicht so empfinde, weil ich glaube, dass ihnen so viel entgeht. Nimm zum Beispiel unser 2007er-Album, „Bad Blood“. Es ist aggressiv, aber das ist eben nur eine Seite unseres Sounds. Ich höre oft, dass ich meinen Style nicht so oft verändern sollte. Aber so bin ich nun mal. Wenn mich jemand fragen würde, in welche Kategorie ich mich und meine Musik einordnen würde, würde ich sagen: Mit ganzem Herzen „Tragic“! Ich liebe die Tragödie. Verdammt, ich bin als Gothic großgeworden und es gibt für mich nichts Schöneres, als auf einem Friedhof rumzuhängen. Aber ich bin auch nur ein Mensch. Ich werde älter und denke wie jeder andere immer öfter darüber nach, was die Gesellschaft eigentlich von mir erwartet. Und vergesse dabei fast, wie das alles begonnen hat, wie ich am Küchentisch im Haus meines Vaters saß und mich in diesen Gefühlen verlor, wie ich herausfinden wollte, was genau es war, dass mich so ängstigte und wie ich es so umwandeln könnte, dass andere Menschen es verstehen können. Das ist meine größte Angst: Dass die Leute meine Kunst nicht verstehen. Ich will keine Kompromisse eingehen müssen, aber ich möchte es meinen Zuhörern auch einfach machen, das, was ich zu sagen habe, zu verdauen. Das ist ein sehr schwieriger Balanceakt.

Bist du glücklich mit THE DEEP EYNDE 2010?

Es ist ein unglaubliches Gefühl, zu diesem Sound zurückzukehren, der mir so vertraut ist. Als ich angefangen habe, Musik zu machen, hätte ich niemals gedacht, dass ich das so lange durchziehen würde. Der Weg war nie einfach, es war immer ein Kampf. Aber ich liebe die Musik so sehr. Also versuche ich, geduldig zu sein. Die Ironie ist: So viele Bands, mit denen wir aufgewachsen sind, die richtig große Acts waren, gibt es heute nicht mehr. Und wir – sind immer noch da. An alle Bands, die das hier lesen: Es wird immer Leute geben, die euch untergehen sehen wollen, aus Eifersucht vielleicht. Umso wichtiger ist es, dranzubleiben. Wenn ihr an eure Kunst glaubt, kann es eigentlich gar nicht schief gehen. Also: Go for it! Uns ging es nicht anders. Ich habe so viele Reviews über unsere Alben gelesen, so viele Voraussagen, dass wir es eh nicht schaffen würden. Aber wir sind immer noch da. Und diese Typen? Weiß keine Sau. Verrottet in der Hölle, ihr Wichser!

Stimmt es eigentlich, dass du Deutsch sprichst?

Ein ganz kleines bisschen, ja. Ich dachte, ich würde es ganz gut beherrschen, aber inzwischen ist es mir nur noch peinlich, weil die meisten meiner deutschen Freunde meinten, ich würde wie ein Zweijähriger klingen. Ich muss auf jeden Fall mehr üben. Vielleicht klinge ich dann nächstes Jahr schon wie ein Dreijähriger.