I NOT DANCE

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Ein Funken Hoffnung

Hardcore, der gänzlich ohne Pose und Pseudo-Schnickschnack auskommt, ist rar geworden in unseren Breitengraden. Im schier unüberschaubaren Wust aus glattgebügelten, gesichtslosen, sich immer wieder gegenseitig imitierenden Reproduktionen ist es schwer und selten geworden, einer Band zu begegnen, der es allein darum geht, die Dringlichkeit des Ausdrucks in die Tat umzusetzen. Eine solche Band ist I NOT DANCE aus Bregenz in Österreich: ein sympathisch zurückhaltendes Trio, das dennoch kompromisslos und ohne auf aktuelle Trends zu schielen seiner Idee folgt. Anlässlich der Veröffentlichung von „Holy“, ihrer aktuellen Platte, beim Berliner Synalgie-Label standen mir die Jungs Rede und Antwort.

Nach dem Hören eurer neuen Songs habe ich den Eindruck, dass I NOT DANCE mit den Jahren immer düsterer, verzweifelter klingen. Ist die Musik ein Spiegel eurer Seele/n?

Benny: Aus meiner Sicht muss ich diese Frage ganz klar mit nein beantworten, denn ich würde mein seelisches Innenleben weder als düster noch meine allgemeine Lebenssituation als verzweifelt bezeichnen. Ich empfinde unsere Musik auch nicht so, wie du sie beschreibst. Im Gegenteil. Was ich bei I NOT DANCE höre, ist dieser Funken Hoffnung, der immer mitschwingt, und das spricht mir sehr wohl aus der Seele. Aber im Endeffekt ist es wohl einfach das, was dabei herauskommt, wenn wir drei mit unseren Instrumenten zusammenkommen und uns gegenseitig Ideen an den Kopf werfen.

Ihr kommt sowohl in Klang als auch Optik ohne übermäßigen Hochglanz, prätentiösen Firlefanz und sonstigen Tand aus. Hat das was mit eurer Persönlichkeit, einer Einstellung oder einer Intention zu tun?

Benny: Unsere Bandphilosophie folgt dem Spruch „Keep it clean, keep it practical“. Wir sind auch sehr darum bemüht, alles abseits der Musik selbst in die Hand zunehmen. Da sind einem schon von vornherein einige Grenzen gesetzt. Es steckt also nicht wirklich irgendein Kalkül dahinter. Eher ergibt eins das andere, geht alles Hand in Hand.

Mir scheint, ihr würdet euch sehr mit den Dingen um euch herum auseinandersetzen. Wie wichtig ist es, zu hinterfragen und Einwände vorzubringen? Denkt ihr, dass Ignoranz manchmal ein Segen sein könnte?

Munde: Zu hinterfragen, was um einen herum passiert, ist meines Erachtens sehr wichtig. Nur zu fressen und zu sterben macht keinen Sinn. Und ja, Ignoranz könnte manchmal ein Segen sein. Aber eigentlich gibt es nichts, das so unwichtig ist, dass man es ignorieren könnte.

Auf eurer Website sagt ihr, dass es okay wäre, wenn illegale Kopien eurer Musik irgendwo zum Download bereitstünden – solange diese nur gratis wären, also niemand damit Geld verdiene. Ist dieses ganze mp3/Download/Sharing-Praxis ein Fluch oder ein Gewinn?

Benny: Für mich als Konsument, aber auch als Teil dieser auf diese Weise funktionierenden Band ist es ein Gewinn. In erster Linie machen wir das Ganze ja aus Liebe, Leidenschaft und dem Spaß an der Sache. Wir müssen ja nicht unseren Lebensunterhalt davon bestreiten, von daher ist es definitiv ein Segen.

Munde: Dem stimme ich zu. Jeder, dem die Musik wirklich gut gefällt und der mehr in der Hand halten möchte, wird sich ohnehin die Platte zulegen.

Die ursprüngliche Idee von Hardcore war es, neben dem Praktizieren musikalischer Radikalität, auch gesellschaftliche Missstände nicht nur anzuprangern, sondern, wenigstens im Kleinen, zu ändern. Ein Vierteljahrhundert ist seitdem vergangen, ohne dass Erscheinungen wie Machismus, Homophobie, Engstirnigkeit und Egoismus auch nur in annähernd veränderter Form präsent, geschweige denn beseitigt wären. Ist Hardcore gescheitert oder kann er noch relevant sein?

Munde: Hardcore an sich ist, denke ich, nicht gescheitert. Es ist leider nur so, dass einige den Sinn, der hinter dieser Idee oder Haltung steht, nicht erkennen. Dennoch finde ich, dass Hardcore – und damit meine ich nicht die überflüssige und etwa durch Merchandise verseuchte Lifestyle-Variante – unverändert relevant und wichtig ist in der heutigen Gesellschaft.

In der Ox-Redaktion wurde in der letzten Zeit viel über mittlerweile etablierte „Szene-Routinen“ wie der Schulterschluss mit der Unterhaltungsindustrie diskutiert. Es ging dabei sowohl um Ansätze, die es vermeintlichen Punk/Hardcore-Bands erlauben sollen, noch irgendwie von der Musik leben zu können – Videospielsoundtracks, Turnschuh-Editionen, Teilnahme an firmengesponsorten Events –, als auch um die merkwürdige kritik- und debattenlose Hinnahme der Umstände innerhalb der „Szene“. Was hat das alles noch mit Punk oder Hardcore zu tun?

Munde: Interessante Frage. Wir für unseren Teil gehen auf jeden Fall arbeiten, um unsere Band am Leben erhalten zu können. Natürlich hat das mit den Sponsoren der Unterhaltungsindustrie und so weiter meiner Meinung nach nur mehr wenig mit Punk oder Hardcore zu tun. Trotzdem denke ich, dass auch hier die Medaille zwei Seiten hat. Auf der einen Seite gibt es die Einstellung zu Punk/Hardcore und auf der anderen Seite die Möglichkeit, von seiner Leidenschaft zu leben. Im Großen und Ganzen muss jeder das tun, was er für richtig hält, um sich selbst treu bleiben zu können. Ich verstehe Punk/Hardcore als eine Grundhaltung, die nicht Hand in Hand mit einer profitorientierten Gesellschaft geht, in welcher sich jeder selbst der Nächste ist.