NOTHINGTON

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Vollbart-Punkrock

Spätestens seit „Roads, Bridges & Ruins“ (Review #87), dem aktuellen Album von NOTHINGTON, ist klar: LEATHERFACE und HOT WATER MUSIC sind nicht mehr allein auf dem Thron des in Moll gehaltenen Punkrocks. Die Macher dieses grandiosen Paukenschlags – Jay Northington (Gitarre, Gesang), Gabe Lindeman (Drums), Chris Matulich (Gitarre, Gesang) und Tony Teixeira (Bass, Gesang) – fielen in Teilen bereits als TSUNAMI BOMB äußerst positiv auf. Nun also ein neues Baby mit neuen Trademarks. Hinzu kommen die Wiederveröffentlichung des Erstlings „All In“ und die erste Europatour. Beste Voraussetzung also für ein anständiges Interview mit den vier sympathischen Jungs, und auf dem allerletzten Gig der diesjährigen Frühjahrstour in Dresden, bot sich die Gelegenheit zum persönlichen Tete à Tete. Die Anstrengungen von ganzen fünf Wochen Europa waren den Protagonisten zwar deutlich anzusehen, aber endlich auf der Bühne, rief Tony: „We want massive stage diving tonight“, und die Band zeigte ohne Rücksicht auf Verluste , dass sie den ganzen Hype wert ist.

Chris, von TSUNAMI BOMB zu NOTHINGTON – wie war der Weg dorthin?

Jay und Gabe waren ja zusammen bei TSUNAMI BOMB, aber Jay schrieb weder Songs, noch hat er auf den Alben mitgespielt, so stellt NOTHINGTON sein erstes eigenes Projekt dar. Als sich TB auflösten, fingen Gabe und er an, erste eigene Songs zu schreiben und probten dann einige Zeit in einer ehemaligen Tischlerei – heute proben wir da übrigens jede Woche. Ich kam erst zur Band, als die beiden sich entschlossen hatten, das Ganze etwas professioneller anzugehen. Der Name NOTHINGTON kommt übrigens von einem Tippfehler auf Jays Geburtsurkunde: Sein Nachname ist ja eigentlich Northington und irgendwie wurde damals das „r“ vergessen. Wir haben jedenfalls gedacht, dass wäre doch ein guter, passender Bandname, haha. Als es mit der Band Anfang 2006 losging, war sie eigentlich eher ein Soloprojekt und wir hätten nie gedacht, dass wir je eine „richtige“ Band werden würden. Ja, so fing es aber an und jetzt endlich unsere erste gemeinsame Europatour, auf die wir über drei Jahre gewartet haben – und es läuft besser, als wir je gedacht haben. Total verrückt!

Ich denke, mit „Roads, Bridges & Ruins“ sollte, zumindest in der Punk-Szene, einiges möglich sein. Ihr seid damit förmlich von null auf hundert durchgestartet und Fans in ganz Europa konnten es kaum erwarten, euch endlich live abzufeiern.

Wir sind echt beeindruckt vom durchweg positiven Feedback. Okay, es ist ganz klar eine Punkrock-Scheibe und Fans des Genres werden sie sicher genießen können, aber ich sehe nicht, dass die Band sich jetzt damit direkt in den Mainstream katapultieren wird. Und auch in Zukunft nicht! Ich denke, die Scheibe ist großartig und ich bin sehr stolz auf die Songs. Du weißt aber nie, ob die Musik auch wirklich gut ankommt. Als Musiker bin ich der Meinung, man sollte zuallererst selbst mit den eigenen Songs glücklich sein. Wenn dann ganze Konzerthallen deine Songs mitsingen und wie wild abgehen, kannst du dich absolut glücklich schätzen.

Und wie siehst du mit etwas Abstand und der Resonanz von den unzähligen Konzerten das „Roads, Bridges & Ruins“-Album?

Ich bin echt glücklich mit der Produktion und den Arrangements. Natürlich hätte man immer gern mehr Zeit im Studio gehabt, das ist nichts Neues. Da gibt es definitiv einige Dinge, von denen ich mir wünschte, wir hätten sie – wenn wir mehr Zeit gehabt hätten – mit auf das Album gepackt. Im Endeffekt sind das aber nur Kleinigkeiten. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich heute und hier gar nicht mehr so genau, was das eigentlich für Dinge waren, haha. Das Einzige, was ich wirklich ein wenig bereue, ist die Titelreihenfolge, denn die hätten wir besser machen können. Aber noch mal, das ist nur eine minimale Sache und niemand würde jetzt noch ernsthaft darüber nachdenken, hoffe ich, haha.

Eure aktuelle Scheibe stimmt zuerst eher nachdenklich, melancholisch. Sieht und hört man genauer hin, gibt es aber stets einen Funken Hoffnung ...

Oh ja, es ist wirklich immer wichtig, auch in ernsten Zeiten die Hoffnung nicht zu verlieren. Ich denke, „Roads, Bridges & Ruins“ thematisiert das Akzeptieren von Verlusten genauso, wie sie motiviert nie aufzugeben. Hoffnung war eine der wichtigsten Inspirationen für dieses Album.

Mal angenommen, ihr bekommt zeitgleich von Frank Stubbs, Tom Waits und Bruce Springsteen eine Einladung zu einem gemeinsamen musikalischen Projekt. Wem gebt ihr den Vorzug?

Ich bin mehr Fan von Stubbs’ und LEATHERFACE als von den anderen beiden. Ich mag Springsteen, aber ich besitze keine einzige Platte von ihm. Ich würde sagen, LEATHERFACE hatten mit Abstand den größten Einfluss auf die Band von den dreien. Aber wer weiß, wie ich tatsächlich reagieren würde, wenn solch eine Situation eines Tages wirklich eintreffen würde.

Ebenfalls dieser Tage erscheint „All In“ als Neuauflage. Warum? Hattet ihr den Eindruck, dass es damals nicht richtig wahrgenommen wurde?

Das wusste ich gar nicht. War „All In“ denn hier nicht mehr erhältlich? Das sind meistens reine Verkaufs- und Vertriebsdinge. Unsere Geschäftspartner in Europa dachten wohl, mit der Veröffentlichung des neuen Albums auch das erste wieder ins Bewusstsein rufen zu müssen. Ich weiß aber, dass es endlich eine Vinylversion davon geben wird.

Noch mal Thema Wahrnehmung: wie unterscheidet sich die eurer Musik in Europa – hier seid ihr Punk – von der in den Staaten?

Ich denke, die Leute nehmen uns in den Staaten ebenso als waschechte Punkrock-Band wahr wie in ganz Europa. Ich muss aber zugeben, dass es bei den Konzerten hier eindeutig mehr abgeht. Die Shows in Europa hatten eine viel größere Anziehungskraft und Intensität, als wir es von zu Hause her kennen. Und jeder ist hier sehr hilfsbereit – ich kann es kaum erwarten, erneut hier zu touren.

Punkrock 2010 – innovativ und kreativ oder eher eine lahme Ente?

Punkrock 2010 ist großartig, wenn du weißt, wo du ihn suchen musst! Die „großen“ Bands interessieren mich dabei weniger, denn es sind eher die unbekannteren, die viel spannender sind. Jeder, der meint, dass es derzeit keinen guten Punkrock gibt, sollte einen zweiten Blick wagen und wird tolle Bands wie OFF WITH THEIR HEADS, LEMURIA, COBRA SKULLS, THE COPYRIGHTS und auch DEAR LANDLORD entdecken. Die haben alle echt super Sachen veröffentlicht und sind live sowieso unschlagbar!

Wie soll’s denn für euch weitergehen nach dieser Tour?

Erst mal nach Hause und eine Woche lang nur schlafen, haha. Und dann mit einigen neuen Songs und neuen Kräften und viel mehr CDs und Vinyl im Gepäck wieder auf Tour gehen. Fest steht jetzt schon eine Tour durch die Staaten – von Ost nach West einmal quer durch, und neue, bisher unbekannte Orte unsicher machen, haha.