RED SPAROWES

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Besser als der Spatz in der Hand

Man tut den RED SPAROWES Unrecht, wenn man sie wegen der NEUROSIS/Neurot-Labelmate-Konstellation und der Position von Bryant Clifford Meyer als Keyboarder von ISIS als eine Art Seitenprojekt oder kleine Brüder von NEUROSIS wahrnimmt. Das beweist speziell das dritte Album „The Fear is Excruciating, But Therein Lies the Answer“, das kürzlich auf Conspiracy Records erschien und mit seinem instrumentalen, soundscapehaften Breitwand-Sound beeindruckt. Ich sprach mit Bassist Greg Burns, den mein Anruf in einem Coffeeshop in Orlando, Florida erreichte, wo die Band am Abend zuvor im Rahmen einer sechswöchigen US-Tour gespielt hatte.

Ihr seid nicht oft in Europa, so dass eure Konzerte immer etwas Besonderes sind – und gut besucht. Wie ist das in den USA?

In Europa läuft es für uns etwas besser als in den USA, aber letztlich bewegt sich das auf ungefähr dem gleichen Level. In kleineren Städten spielen wir vor hundert Leuten, in San Francisco oder New York sind es auch mal sechs- oder siebenhundert. Ich weiß, dass andere Bands in Europa wesentlich erfolgreicher sind als in Amerika, aber bei uns bewegt sich das in der gleichen Größenordnung.

Nun ist die Musik, die ihr spielt, zwar in den letzten Jahren beliebter geworden, aber in Europa ist es immer noch ein Underground-Phänomen ohne Massenwirkung. Und in den USA?

Es gibt ein paar Bands, die solche Musik – instrumentalen, experimentellen Rock – seit vielen Jahren schon machen, etwa TORTOISE oder FLINT, und die damit schon immer recht erfolgreich waren. In den letzten Jahren ist das Interesse für solche Musik gewachsen, gleichzeitig gibt es aber auch mehr Bands, die Instrumental-Rock spielen und die auf die Gunst des Publikums aus sind, das wiederum Tendenzen von Übersättigung zeigt. Einen richtigen Boom dieser Musik kann ich also nicht feststellen, auch wenn es vor ein paar Jahren mit EXPLOSIONS IN THE SKY einen kleinen Ausschlag nach oben gab, als die bei „Friday Night Live“ auftraten. Die spielten danach plötzlich in viel größeren Clubs, es kamen viel mehr Leute zu den Shows. Bei uns ist das anders, unsere Fans sind einfach Menschen, die sich für experimentellen Underground-Rock interessieren, ob der nun Gesang hat oder nicht. Und natürlich fände ich es schön, wenn diese Musik noch beliebter würde, und dass so was auch massentauglich sein kann, das bewiesen doch einst PINK FLOYD mit ihrer seltsamen psychedelischen Musik auf Platten wie „A Saucerful Of Secrets“ oder „Meddle“. Man muss die Menschen, die so was interessiert, also nur irgendwie erreichen.

Mit TORTOISE und EXPLOSIONS IN THE SKY hast du aber eben zwei Bands erwähnt, die mehr im medial präsenteren Indierock-Lager stehen als im Lager derer, die NEUROSIS und ISIS verehren. Nun sehe ich RED SPAROWES eher in der Gesellschaft Letzterer, zumindest in Europa. Ist das in den USA anders, kommen da eher die College-Indie-Kids zu euren Konzerten?

Das hängt davon ab, wo wir spielen, und oft ist es ein Mix von Leuten aus beiden Lagern. Wir pendeln zwischen den beiden Lagern, schon deshalb, weil Bryant ja auch bei ISIS spielt, und Josh Graham, der früher bei RED SPAROWES war, ist bei NEUROSIS für die visuellen Aspekte zuständig. Da sind also Gemeinsamkeiten, und außerdem sind wir heavier als TORTOISE, EXPLOSIONS IN THE SKY und andere Bands dieser Art. Entsprechend gemischt ist unser Publikum, und das gefällt mir, denn ich höre ja selbst Musik aus all diesen Bereichen.

Du würdest also nicht sagen, dass es eine gewisse Trennlinie zwischen den verwandten Genres gibt? Ich habe immer das Gefühl, das Publikum von ISIS, NEUROSIS und Co. ist etwas elitär in dieser Hinsicht ...

Das ist eine gute Frage. Ja, es gibt Leute, die da eine Trennlinie zwischen den einen und den anderen Bands sehen. Gerade Leute, die eher aus dem Metal-Lager kommen, sind schon mal etwas erstaunt, wenn sie die Indie-Kids auf unseren Shows sehen. Und ich hörte erst neulich einen erstaunten Kommentar von einem Veranstalter, der von all den Metallern überrascht war und nur Indie-Kids bei unserem Konzert erwartet hatte. Übrigens sind auch ISIS ein gutes Beispiel für eine Metal-Band mit Indierock-Tendenzen, und wenn ich genauer darüber nachdenke, finde ich es ziemlich blöd, so eine Grenze zu ziehen. Ich denke, die Leute sollten offener sein.

Ich gestehe durchaus ein, dass Menschen, die über Musik schreiben, an solchen Festlegungen nicht unschuldig sind, denn um über eine Band zu schreiben, kommt man nicht umhin, eine gewisse Einordnung in bestehende Kategorien vorzunehmen.

Ich halte das für entschuldbar, denn wenn du in eine Bibliothek gehst, sind die Bücher dort auch nach gewissen Kriterien geordnet. Es entspricht einem menschlichen Bedürfnis, Dinge einzuordnen, so arbeitet eben unser Hirn und mich stört das nicht. Und unsere Band leidet darunter einerseits und profitiert andererseits davon, dass wir eine sind, die sich nicht so leicht kategorisieren lässt – oder zumindest will ich glauben, dass es sich so verhält. Das kann die Arbeit auch mal komplizieren, eben wenn Leute nicht genau wissen, was sie bei uns erwartet. Würden wir Garage-Rock spielen, wäre das Leben für uns einfacher und die Garage-Rock-Fans wüssten sofort, dass sie bei uns gut aufgehoben sind. Aber letztlich stört mich unser „Schicksal“ nicht, und auch nicht, wenn Leute wie du ihren Job machen und eben irgendwie versuchen zu vermitteln, was sie bei uns erwartet.

Sind die RED SPAROWES eine Band, die irgendeine Art von Botschaft oder Inhalt vermitteln will?

Auch das ist eine gute Frage. Ich habe mir dazu bislang nie viele Gedanken gemacht, von daher lautet meine direkte Antwort: Nein. Andererseits haben wir uns als Band getroffen, weil wir gemeinsame Ideale und Ziele musikalischer Art haben. Wir sind alle daran interessiert, Grenzen zu erweitern, und wir haben keinen Spaß daran, immer wieder die gleiche Platte aufzunehmen. Wenn es also eine gemeinsame Agenda gibt, dann die, dass wir zusammen so viel interessante Musik machen wollen wie möglich, ohne dass wir uns darum kümmern, was irgendeine Art von Fanbasis von uns erwartet. Unsere gemeinsame Basis ist die Musik, Freundschaft und die Liebe zu Underground-Musik ganz allgemein.

Immer wieder liest man als Beschreibung zu Songs wie euren, sie klängen wie der Score zu einem noch zu drehenden Film. Ist das für dich nachvollziehbar?

Natürlich habe ich das schon oft gehört und gelesen, und es macht schon irgendwie Sinn, gerade auch angesichts der Tatsache, dass wir live mit Filmprojektionen arbeiten. Allerdings entstehen diese Filme immer erst, nachdem wir die Musik geschrieben haben. Wenn wir die Songs schreiben, haben wir keine bestimmte Story im Kopf, wir machen die Musik, die sich in dem Moment gut anfühlt. Erst hinterher, nach dem Songwriting, ergründen wir, was uns visuell dazu einfällt, denn es stimmt natürlich, unsere Musik hat eine soundtrackartige Ästhetik. Wenn wir Lieder schreiben, versuchen wir aber, unseren Stücken eine gewisse emotionale Farbe zu verleihen. Wir fangen beispielsweise traurig oder wütend an und lassen den Song hoffnungsvoll enden, so dass wir uns hinterher mit den filmischen Bildern darauf beziehen können.

Seid ihr jemals von jemandem angesprochen worden, Musik zu einem Film beizusteuern?

Bislang leider nicht, aber unsere Musik wurde schon mehrfach zur Untermalung von TV-Produktionen verwendet, etwa in einer, äh, „Reality-Show“ über Geisterjäger. Da verwendeten sie was von uns für die Titelmusik. Und auf MTV wurden wir auch schon mal im Hintergrund gespielt. Aber da war leider bislang kein Auftrag für einen Soundtrack, obwohl mir das sicher Spaß machen würde. Und wir stimmen auch nur einer Verwendung unserer Musik in einem Kontext zu, mit dem wir einverstanden sind. Denn auch wenn unsere Musik eher düster erscheinen mag, so ist uns doch wichtig, dass sie eine positiven Eindruck hinterlässt, dass sich Menschen dabei gut fühlen.

Eine interessante Feststellung: Eure Musik hat doch eher was vom Soundtrack zu einem stürmischen Wintertag als einem sonnigen Sommermorgen. Und wenn ich gute Laune haben will, lege ich eine BLONDIE-Platte auf.

Unsere Musik passt gut zu nachdenklichen Momenten, zu solchen von Trauer oder auch Wut. Unser Ziel ist, solchen Gefühlen Ausdruck zu verleihen und wir hoffen, dass Hörer unserer Musik sie nachvollziehen können – und es sind ja nicht per se negative Gefühle. Ich mag Chan Marshall alias CAT POWER, und ihre Musik ist eher traurig und nachdenklich, und wenn ich ihre Platten auflege, fühle ich mich auch oft so. Aber ich fühle mich dann nicht schlecht, sondern die Musik ermöglicht mir, diese Gefühle zu ergründen, ohne dass es mir dabei schlecht geht. Und das ist ein Unterschied dazu, wenn man Musik verwendet, um gezielt eine negative Stimmung zu erzeugen – etwa indem man, wie im Irak geschehen, METALLICA zu Folterzwecken einsetzt.

Was würdest du als die Reaktion beschreiben, die ihr mit eurer Musik hofft erzielen zu können?

Dass Menschen sich der Musik so öffnen, dass sie ganz individuell darauf reagieren können. Unser Ziel ist es, Musik zu schreiben, die nicht so explizit ist, dass darauf nur eine bestimmte Art von Reaktion möglich ist. Deshalb mag ich es auch, in einer Instrumentalband zu spielen, denn da existiert kein Text, der dem Zuhörer vorgibt, wie er sich jetzt fühlen soll. Jeder soll die Musik auf seine Weise hören und so interpretieren, wie es für ihn Sinn ergibt. Ich versuche selbst, mich bei der Musik anderer Bands zu einer solchen Reaktion zu zwingen, indem ich meinen iPod immer auf Zufallswiedergabe einstelle und höre, ohne auf das Display zu schauen. Wenn ich den Namen einer Band schon im Vorfeld kenne, verbinde ich damit etwas, doch lasse ich mich überraschen, bin ich immer wieder erstaunt, wie anders ich auf Stücke reagiere, die ich nicht sofort einer bestimmten Band zuordnen kann. Ich schaue dann immer erst hinterher aufs Display und bin oft erstaunt, was ich da gerade gehört habe. Und ich würde mir wünschen, dass Menschen mit so einer Art von Offenheit zu unseren Konzerten kommen.

Letzte Frage: Was für Musik schafft es immer, dir richtig gute Laune zu machen?

Ich liebe CHEAP TRICK, ich mag die BEACH BOYS und besonders „Pet Sounds“, und ein paar Platten der ANIMAL CRACKERS. Und noch viele andere, aber diese drei liebe ich wirklich.