IMPERIAL STATE ELECTRIC

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KISS waren der Anfang

In all den Jahren ihres Bestehens waren die HELLACOPTERS immer wieder im Ox vertreten, hatte die Band um Nicke Andersson doch eine erstaunliche Entwicklung von der krawalligen Brachial-Punkband zur zitierfreudigen Rock-Combo durchgemacht. Nach dem Ende der Band 2008 konzentrierte sich Nicke auf seine Zweitband THE SOLUTION, und mit IMPERIAL STATE ELECTRIC, deren erstes Album vor einigen Wochen erschienen ist, beweist der Mann einmal mehr, dass es rätselhaft ist, warum er so viele Jahre mit ENTOMBED Death Metal spielte, wo sein Herz doch eigentlich für klassischen Rock’n’Roll schlägt.

Nicke, als ich das Album deiner neuen Band anhörte, erinnerte es mich an die Zeit, als ich als Junge Besuch von meinen älteren Cousins bekam, die mir dann STATUS QUO oder THE SWEET vorspielten.

Ist das jetzt gut oder schlecht?

Gut. Kindheitserinnerungen sind das doch meistens – meine jedenfalls. Es war wie eine Zeitreise.

Okay. Es ist ja kein Geheimnis, dass ich nicht wirklich auf moderne Musik stehe. Ich wünschte, alle Musik würde so klingen. Es ist eben das, was ich mag.

Der erste Song vom Album heißt „A holiday from my vacation“ – ist dies ein Synonym für deine Situation? Urlaub vom Touren und Aufnehmen seit dem Split der HELLACOPTERS?

Du bist nicht der Erste, der mich das fragt. Die Antwort ist nein. Es ist viel direkter gemeint. Ich war im Urlaub und habe es gehasst. Allein darum geht es. Ich habe es gehasst, Tourist zu sein, ich habe es gehasst, nicht spielen zu können. Ich bin mein ganzes Leben unterwegs gewesen. Wenn ich Freizeit habe, will ich nicht irgendwohin reisen, dann will ich einfach zu Hause bleiben. Ich bin zweimal in meinem Leben im Urlaub gewesen. Als Kind war ich auch mit meinen Eltern weg, aber danach nur zweimal und ich habe jede Minute gehasst.

Wo warst du denn?

Ich war in Ägypten und fand es beschissen. Dann war ich in Prag und es hat mir auch nicht gefallen. Es ist eine tolle Stadt, aber ich mochte es nicht, nicht zu Hause zu sein. Ich wollte wieder arbeiten, denn das ist mein richtiger Urlaub.

Hast du alle Songs des neuen Albums selbst geschrieben?

Mehr oder weniger. Dolf von den DATSUNS hat den Text zu „I’ll let you down“ geschrieben. Ein Freund aus Kanada beziehungsweise Portugal namens Neil Leyton hat den Text zu „Deja vu“ beigesteuert. Ansonsten sind es meine Songs.

Du hast ja nahezu alle Instrumente auf dem Album selbst gespielt. Wer wird in deiner Live-Band dabei sein?

Bei einem Lied auf dem Album – „Together in the darkness“ – hat Dolf von den DATSUNS Bass gespielt, Tomas von CAPTAIN MURPHY Schlagzeug und Tobias von der Stockholmer Band THE OBJECTS Gitarre. Ich habe sie gefragt, ob sie auch live mit mir auftreten würden und sie haben zugesagt. Sie werden meine Live-Band sein.

Und du spielst auch Gitarre, oder Schlagzeug?

Ich spiele Gitarre und singe. Schlagzeug spielen und singen kann ich nicht. Außerdem sieht das meiner Meinung nach blöd aus. Ich bin nicht Phil Collins.

Werdet ihr nur Festivals und einzelne Gigs spielen?

Wir konnten bislang nur einige Festivals buchen aber ich freue mich schon darauf, im Herbst richtige Clubshows zu spielen.

Gibt es Pläne, in Deutschland zu touren?

Wenn ich mir zwei Länder aussuchen dürfte, in denen ich touren wollte, so wären es Deutschland und Spanien.

Warum gerade diese Länder?

Weil diese beiden die besten für Rockmusik sind. Zumindest für die HELLACOPTERS waren es die Länder, in denen es uns am meisten Spaß gemacht hat zu spielen. Finnland war auch immer gut.

Woran liegt das? An den kurzen Entfernungen zwischen den Konzertorten?

Nein. Spanien ist einfach zehnmal besser als zum Beispiel Italien, und Deutschland ist zehnmal besser als Belgien. Keine Ahnung warum. In diesen Ländern läuft es einfach am besten – auch besser als in England. In England müssen die Bands am besten aus England kommen. Wenn man zuerst in Deutschland auf Tour geht, braucht man nicht mehr nach England zu fahren. Die Engländer wollen alles zuerst, und wenn sie merken, dass man zuerst woanders war und dort Erfolg hatte, interessiert es dort niemanden mehr. In Deutschland oder Spanien haben wir das nie erlebt.

Vorab erschien auf Ghost Highway eine Single, die nach wenigen Tagen bereits ausverkauft war. Sie klingt aber anders als das Album.

Die Lieder auf der Single sind Coverversionen, vielleicht liegt es daran. Die A-Seite ist von Sam Cooke. Die B-Seite ist von Larry Williams, aber es gab keine Angaben, wer die Nummer ursprünglich geschrieben hat. Vielleicht war er es selbst. Ich habe die ganzen Songdatenbanken durchforstet, aber nirgends Informationen zu diesem Song finden können.

Nach welchen Kriterien suchst du Songs aus, die du covern möchtest?

Zunächst einmal muss ich das Lied mögen und dann muss ich es spielen wollen. Meistens merke ich dann, dass ich es nicht so spielen kann wie das Original, was auch beim Sam Cooke-Song der Fall war. Dann verändere ich es in einen Pubrock-Song, was meistens ganz gut funktioniert. „That’s where it’s at“ klingt überhaupt nicht wie das Original, was super ist.

Die Gesangsmelodie ist aber gleich.

Klar, daran ändert man nichts, aber das ganze Arrangement und der Rhythmus sind anders. Es klingt irgendwie „weißer“.

Du hast ja mit den HELLACOPTERS und anderen Bands unzählige Coversongs aufgenommen. Die meisten klangen aber so, als seien sie von dir geschrieben.

Das ist auch die Absicht dahinter, und es ist ein Kompliment für mich, wenn du das so siehst. Man nimmt ein fremdes Lied und macht es zu seinem eigenen. Mit IMPERIAL STATE ELECTRIC werden wir live auch einige fremde Sachen spielen, weil das Album nur 40 Minuten lang ist, aber die meisten Lieder werden die Leute vermutlich nicht kennen.

Du hattest ja nach dem HELLACOPTERS-Split mit COLD ETHYL eine reine Coverband am Start.

Das sind die gleichen Leute, die auch jetzt in meiner Live-Band sind. Wir haben letztes Jahr aus Spaß fünf oder sechs Konzerte gespielt. Da wir live gut zusammen spielten und sie gute Musiker sind, habe ich sie gefragt, ob sie mich auch bei IMPERIAL STATE ELECTRIC unterstützen würden und sie hatten Lust dazu.

Du hast geschrieben, dass ihr nur Songs live spielen wolltet, die man nicht erneut aufnehmen sollte.

Das stimmt ja auch. Wir haben nur Klassiker gespielt. Niemand braucht eine weitere Aufnahme von „Silly thing“ der SEX PISTOLS. Es ist bereits perfekt. Das ist ein Fehler, den wir anfänglich mit den HELLACOPTERS gemacht haben. Wir haben MOTÖRHEAD-Songs aufgenommen und veröffentlicht. Diese Klassiker live zu spielen ist eine andere Sache. Wenn man sie nicht völlig anders interpretiert, sollte man sie nicht aufnehmen. Mit den HELLACOPTERS haben wir einige Soul-Songs im HELLACOPTERS-Stil aufgenommen, was viel besser war.

Mein Lieblingscover der HELLACOPTERS ist „Angel dust“ von VENOM.

Ja, aber hier ist es genauso. Wir haben den Stil des Songs geändert. Ich denke, dass VENOM einen ganzen Haufen großartiger Songs geschrieben haben, obwohl sie nicht gerade für ihr Songwriting bekannt sind.

Nur, dass ihr es umgekehrt gemacht habt. Üblicherweise wird doch ein softerer Song härter und schneller gespielt.

Ja, so ist es meistens. Aber ich habe weitere Sachen in der Art vor. Ich habe gerade einen ACCEPT-Song vom „Balls To The Wall“-Album aufgenommen, „Fight it back“, der klingt verdammt soft im Vergleich zum Original. Vermutlich wird er auf einer kommenden Single sein.

Durch die vielen Coversongs, die ihr mit den HELLACOPTERS gemacht habt, habe ich eine ganze Reihe exzellenter Platten und Bands für mich entdeckt. „Prosody“ von den YES-MEN ist so eine Platte.

Ich liebe dieses Album. Es ist so schade, dass der Sänger gestorben ist. Er hatte so eine tolle Stimme und war so ein begnadeter Songwriter. Leider kennt sie bis heute kaum jemand.

Eine weitere Band, die ich durch die HELLACOPTERS entdeckt habe, ist ASTEROID B-612.

Die sind auch super. Als wir mit den HELLACOPTERS in Australien waren, konnten wir all diese Bands kennen lernen. Sie hatten eine ähnliche Musik wie wir entwickelt, obwohl sie am anderen Ende der Welt lebten. Ihre Songs zu covern war unsere Art, ihnen zu danken.

Hat sich schon einmal jemand bei euch beschwert, dessen Song ihr gecovert habt?

Bislang nicht. Vielleicht hat es jemand gedacht, aber gehört habe ich es noch nicht.

Ihr habt ja mit THE FLAMING SIDEBURNS und ADAM WEST Platten gemacht, wo ihr euch gegenseitig gecovert habt. Magst du es denn, wenn deine Songs gecovert werden?

Doch, das hat mir gefallen, vor allem weil beide Bands unsere Songs zu den ihrigen gemacht haben.

Als du angefangen hast, Musik zu machen, hast du da schon Sachen wie Sam Cooke gehört?

Nein, das kam erst viel später. Ich bin mit KISS aufgewachsen. Das war die Band, die mich zur Musik brachte. Dann entdeckte ich Punk, später Hardrock. Zuerst waren da die RAMONES und die SEX PISTOLS, später G.B.H und der schnellere Kram, und das brachte mich zum Metal. Danach entdeckte ich METALLICA, und dann war alles gut, was schnell war. Mir war egal, ob es Hardcore oder Metal war, Hauptsache, es war verdammt schnell. D.R.I., CRYPTIC SLAUGHTER und dann kam Death Metal. Aber ich habe KISS und Punkrock immer geliebt. Soul kam später. Die ROLLING STONES mochte ich immer. Und wenn ich eine Band mag, will ich wissen, woher sie ihre Einflüsse hat. Die ROLLING STONES spielten „Ain’t too proud to beg“ und ich fand heraus, dass es von THE TEMPTATIONS war. So entdeckte ich eine Musikrichtung, die ich mochte, aber von der ich rein gar nichts wusste. Wenn mich etwas interessiert, dann gehe ich darin auf und verschlinge alles, was damit zu tun hat. Ich habe inzwischen so viele Soul-Alben und -Singles und es hört nicht auf. Ich kaufe immer noch viele Sechziger- und Siebziger-Jahre-Sachen, von denen ich noch nie gehört habe.

Und wo findest du diese Musik? Im Internet oder in Plattenläden?

Meistens gehe ich in Secondhand-Plattenläden und kaufe etwas, was cool aussieht und probiere es aus. Leider habe ich auch hunderte Platten, die Müll sind, aber ich dachte, sie wären gut. Die meisten LPs sind sehr billig, und wenn auch nur ein guter Song auf einer Platte ist, hat es sich schon gelohnt, sie zu kaufen. Und dann stecken mir Freunde wie etwa Chips, der unsere Platten produziert hat und der ein großer Plattensammler ist, immer mal Kassetten zu. So habe ich zum Beispiel HEARTFUL DODGER aus den Siebzigern entdeckt, eine gute Rock- und Powerpop-Band. Ich kannte nur ein Lied und inzwischen besitze ich vier Platten von ihnen. Sie sind schwer zu finden, aber wenn man sie dann gefunden hat, kosten sie so gut wie nichts. Und es gibt exzellente Soul-Compilations auf CD, die fast nichts kosten, und wenn ich da einen Künstler entdecke, der mir gefällt, besorge ich mir mehr von ihm. Aber die meisten frühen Soul-Künstler haben nur eine oder zwei Singles gemacht.

Wenn du auf über 20 Jahre zurückblickst, in denen du Platten aufgenommen hast, gibt es Platten oder Songs, die du rückblickend besser nicht gemacht hättest?

Hm, ich denke, dass „Rock & Roll Is Dead“ anders hätte abgemischt werden sollen. Ich mag die Songs und wie wir sie spielten immer noch, aber mit dem Sound bin ich nicht zufrieden. Es klingt zu brav. Ich wünschte, es hätte den Sound von „By The Grace Of God“, dann wäre es perfekt. Aber ich kann es nicht mehr ändern. Wir haben mit den HELLACOPTERS „All American man“ von KISS gecovert und unsere Version ist ziemlich mies, nahezu überflüssig, weil wir versucht haben, wie KISS zu klingen, aber das geht eben nicht.

Siehst du eine Entwicklung in der Art und Weise, wie du Songs schreibst? Bei ENTOMBED und den frühen HELLACOPTERS waren es ja Riffs, Akkorde und jede Menge Distortion, sogar auf dem Gesang. Die späteren Sachen hatten einen cleaneren Sound, die Akkorde wurden zerlegt. Woran liegt das? Bessere Fähigkeiten, andere Interessen oder bist du erwachsener geworden?

Ich hoffe, dass es nicht am Erwachsenwerden liegt. Ich mag den krachigen In-your-face-Kram immer noch sehr. Ich spiele ja noch bei DEATH BREATH, die ziemlich heavy und intensiv sind – ähnlich wie ENTOMBED. Ich mochte extreme Musik schon immer, und mich treibt es immer dazu, Sachen auszuprobieren, die ich noch nicht gemacht habe.

Gibt es DEATH BREATH denn noch? Du hast ja generell immer einige Nebenprojekte am Start gehabt, etwa auch THE SOLUTION.

Mit DEATH BREATH haben wir gerade ein neues Album aufgenommen, es fehlen nur noch die Vocals. Die Platte erscheint wohl Ende dieses Jahres. Von THE SOLUTION wird es nichts Neues mehr geben, denn das war zu viel Arbeit. Zu viele Musiker – und Scott lebt in den Staaten –, da ist es schwer, alles unter einen Hut zu bringen. Ich bin froh, es gemacht zu haben, aber es war auch eine Quälerei. Ich hätte gerne in Deutschland getourt, aber mit zwölf Leuten ist eine Tour einfach zu teuer. Daher haben wir einige Gigs in Schweden gespielt und das war’s.

Mit SUPER$HIT 666 hast du auch eine kurze, aber nahezu perfekte Platte gemacht. Ist da noch mehr zu erwarten?

Ja, ich habe Ginger von den WILDHEARTS neulich getroffen, als die in Stockholm gespielt haben. Wir haben über eine weitere Platte gesprochen. Es ist nur so, dass wir alle viel zu tun haben. Dregen, Ginger und ich sind alle anderweitig eingebunden, daher kann ich nicht sagen, wann wir es machen werden, aber es wäre ein Heidenspaß. Außerdem müsste die zweite Platte viel extremer als die erste werden.

Apropos Dregen, was machen eigentlich die anderen HELLACOPTERS-Mitglieder? Habt ihr noch Kontakt?

Ja, wir treffen uns ab und zu. Boba spielt auch auf drei Liedern der neuen Platte, aber diesmal Gitarre und nicht Piano. Strings spielt bei THUNDEREXPRESS beziehungsweise bei deren schwedischer Version namens DUNDERTÅGET, Robban spielt bei einer Band namens TRAMP. Boba und Robert sind neulich mit Stevie Clawson auf Tour gegangen. Kenny hat eine Buchhandlung. Ich glaube nicht, dass er Musik macht. Ich habe schon länger nicht mehr mit ihm gesprochen.

Auf der HELLACOPTERS-Homepage gibt es ein Foto, auf dem du Gitarre spielst, während Lemmy singt. Da siehst du wie ein sehr glücklicher Junge aus.

Würdest du das nicht sein, wenn du mit Lemmy auf einer Bühne stehen würdest? Das Foto wurde in London im Rahmen der MC5-Reunion gemacht. Lemmy hat Mundharmonika gespielt. Das war toll.

Hattest du öfter solche Momente, in denen du deine Idole getroffen hast?

Mit den HELLACOPTERS waren wir in der glücklichen Situation, dass wir immer wieder Musiker trafen, die wir bewunderten. Nimm zum Beispiel Scott Morgan – ich traf ihn und habe am Ende in zwei Bands mit ihm gespielt.