ROUGHNECKS

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Komplett alte Schule

Für Rockabilly-Bands war es Anfang der Achtziger nicht leicht, denn ihr Sound galt als altmodisch. Das Entstehen des Psychobilly zur selben Zeit kam noch erschwerend hinzu. Sobald eine Rockabilly-Band etwas moderner, schneller spielte, wurde diese auch für Psychobilly-Festivals gebucht, von denen es noch nicht so viele gab. Die ROUGHNECKS aus Berlin befanden sich genau in dieser Grauzone und haben sich dort zunächst auch wohlgefühlt. Wie bei vielen anderen Bands dieser Zeit war der Stress zwischen den Szenen und auch bandintern irgendwann einfach nicht mehr zu ertragen und man löste sich auf. Später kam dann die Reunion und seitdem immer wieder Konzerte, hauptsächlich in und um Berlin. Der Kultstatus wirkt heute immer noch nach und die Fans sind ihnen immer noch treu. Und nun werden ihre ersten Platten erneut auf Vinyl erscheinen – und mit Betonung, nur auf Vinyl. Tom Reiss, Sänger und Kopf der Band stand für einige Fragen zur Verfügung.

Eure Vergangenheit bis 2003 kann man auf der Homepage nachlesen. Kommen wir zur Jetztzeit. Wie sieht die aktuelle Situation aus? Wie kam es zur Idee, die alten Platten noch mal auf Platte herauszubringen?

2004 haben wir zusammen mit den WALTONS eine kleine Tour gespielt, und zwar genau dort, wo wir auch 20 Jahre zuvor gemeinsam gerockt hatten. Tatsächlich haben wir Leute getroffen, die 20 Jahre zuvor auch beim Konzert waren. Es ist erstaunlich, wie lange uns manche Fans die Treue halten. Wir haben auf der Bühne immer noch die gleiche Energie und bekommen sie auch wieder vom Publikum zurück. Wenn wir ein Konzert in Deutschland haben, dann bereitet sich jeder erst mal alleine zu Hause vor, anschließend proben wir zusammen. Zwei von uns wohnen schon länger in den USA , aber eigentlich kann jeder von uns alle ROUGHNECKS-Songs im Schlaf spielen. Zwei Tage dann zusammen geprobt und es geht ab auf die Bühne. Wir haben in den Anfängen vier bis fünf Mal die Woche geprobt. Das Motto war, immer alle Songs in jedem Zustand, zu jeder Zeit perfekt spielen zu können. Und davon zehren wir noch heute. Die Tour war aber auch in vielerlei Hinsicht anstrengend. Darum haben wir danach eigentlich immer nur noch alleine und in Berlin gespielt. Oft im Wild at Heart, da war es immer voll und jede Menge toller Leute waren da, sogar aus dem Ruhrgebiet. Im letzten Jahr bekam ich dann eine E-Mail von Bernd von Mad Drunken Monkey Records, in der er mich fragte, was ich davon halten würde, die alten Songs noch mal auf Doppelvinyl zu veröffentlichen. Darüber habe ich mich irre gefreut. Die Nachfrage nach Vinyl ist glücklicherweise stabil und sogar wieder etwas gestiegen. Geld verdienen kann man damit nicht, aber das ist ja ein Problem der gesamten Musikszene. Wir waren und sind glücklich, wenn unsere Musik den Leuten immer noch oder wieder gefällt, und wir die Möglichkeit haben, sie zu veröffentlichen und live zu spielen.

Ihr habt euch damals auch mal gerne auf Psychobilly-Festivals sehen lassen, zu einer Zeit, als die Abgrenzung der Festivals stärker war als heute.

Wir waren Rockabillys, aber nicht sehr traditionell, wir waren auch keine Psychos, haben aber trotzdem psychoähnliche Songs gespielt, wir haben einfach unser Ding gemacht. Das war immer spannend für uns, denn manchmal gab es echt Zoff. Oft haben wir live die Lager gespalten. Auch optisch. Die Psychos standen in der einen Ecke, die Billys in der anderen und je nach Song ging es für die einen ab, für die anderen nicht. Das hat mich persönlich später dazu bewogen, mit den ROUGHNECKS aufzuhören. Ich hatte keinen Bock mehr, ein Klischee zu erfüllen. Für mich sind die ROUGHNECKS einfach eine verdammt gute Rockabilly-Band, die sich die Freiheit nimmt, auch mal Pop zu spielen, Punk oder eine Ballade. Gerade auf Psychobilly-Festivals haben wir gezeigt, dass Rockabilly mit all seinen Facetten zu genießen ist. Einmal habe ich zur Verwunderung aller„Saddle soap“ in einem Johnny Cash-Stil angefangen zu spielen, ganz langsam und sehr countrymäßig. Und das ziemlich lange. Der Saal war still, jede Menge Psychos schauten böse und dann haben wir unvermittelt den Song in eine treibende Uptempo-Rockabilly-Version verwandelt. Die Leute waren begeistert.

Die Szenen Rockabilly oder Psychobilly sind schon lange nicht mehr als jugendlich zu bezeichnen. Freut ihr euch schon darauf, in wenigen Jahren vor Rentern aufzutreten?

Rockabilly ist einfach Rock in seiner ursprünglichsten Form und wird immer da sein. Es wird auch immer wieder Bands geben, die diesen Sound spielen werden und es wird irre Symbiosen geben. Warum nicht mal eine Rockabilly-Gitarre mit HipHop-Beats vermischen? Ihr werdet uns aber nicht als Rock-Rentner sehen. Wenn wir die Geschwindigkeit und die Power der ROUGHNECKS-Songs live nicht mehr hinbekommen sollten, dann ist es Zeit aufzuhören.

Juckt es jetzt nicht, mit einem neuen Album wieder aktiver zu werden?

Ja, ich hätte Lust, noch mal neue Songs zu schreiben und eine Platte zu machen. Aber dann nur auf Vinyl, keine Downloads, keine CD. Aber wir werden auf jeden Fall spielen, wann immer es möglich sein wird.