Unterschichten-Hardcore

Beim diesjährigen „Trash-Maskenball“ im Mai 2010 in Münster habe ich erneut erlebt, welche euphorische Energie die Thrashcore-Band OVER THE TOP zu versprühen in der Lage ist: Circle Pit im Kreisverkehr, Pogo und Konfetti. Was alles aber auch erst so richtigen Spaß macht durch die destruktiven Texte und die nihilistische Anti-Haltung der Band mit den übertrieben martialischen Kampfnamen. Aber so großmäulig sich Lou Paloma (Geschrei), El Destructor (Bass) und El Dorando (Gitarre) hier auch geben – Drummer Los Excrementos schwieg –, so wenig haben sie sich danach gedrängt, die Fragen zu beantworten, zu denen mich die Songs ihrer bald erscheinenden Split-LP mit der französischen Band HIPPYCORE inspiriert haben. Übrigens: der Begriff „Unterschichten-Hardcore“, der hier im Tracklist-Interview zum ersten Mal auftaucht, hat die Band gleich so begeistert, dass sie sich das auf bunte T-Shirts haben drucken lassen ...

Bundeswehr, Zivildienst oder Totalverweigerung? („Hate. Fuck. Fight. Kill.“)

El Destructor: Ich habe Zuvieldienst gemacht. In einer zentralen Unterbringungseinrichtung für Asylbewerber bei mir im Heimatdorf. Aus meiner generellen Wut auf das System wurde damals richtiger Hass. Seitdem denke ich zerstörerisch. Eine wichtige Station auf dem Weg zum „El Destructor“.

Lou: Bundeswehr stinkt. Genauso wie Zivildienst. Geballer find ich aber geil und auch wenn Menschen zersplattern. Aber nur im Film! Fiktion gleich geil. Realität gleich Kot.

Ein Kosmetikkonzern warb letztens mit dem Slogan „Neue Ära durch Inspiration aus der Genforschung“ – kaufen? („Shampoo“)

El Dorando: Jo, die Werbung ist echt der Hammer. Das Gelaber eher weniger. Aber Shampoo rockt. Man muss sich mal überlegen, für was es alles Shampoo gibt: für lockiges, glattes, dünnes, dickes, fettiges Haar und so weiter. Da gibt es einfach keine Grenzen. Das finde ich geil, weil die Leute so geil sind und den Scheiß auch noch glauben und kaufen ...

Legt ihr Wert auf gesunde Ernährung, sind Vegetarier in der Band? („Bananaman killed spider“)

Lou: Klaro! Gesunde Ernährung ist wichtig. Keiner von uns kommt ohne eine Scheibe Wurst aus’m Bett. Ich unterstütze auch den momentanen Fitnesswahn. „Fit an der Flasche“. Da muss jedes Bandmitglied mitziehen. Beerbreak gleich Facebreak, Alter!

Guckt ihr vielleicht zu viel Fernsehen? („Dog, der Headhunter“)

Lou: Ich denke, das ist eine Frage der Definition von „zu viel“. Aber kack drauf! Also, ich sehe kaum fern. Da läuft eh meistens nur Scheiße. Aber über die Scheiße, die ich hin und wieder mitbekomme, lassen sich hervorragende Songs schreiben. Außerdem stehen der El Destructor und ich total auf schlechte Filme.

El Destructor: Stimmt! Und ich gucke definitiv viel zuviel Fernsehen. Besonders nachts, wenn so coole Sendungen laufen wie „Dog, der Headhunter“, Wrestling und Talkshows. Wie war noch mal die Bezeichnung davon? Unterschichten-Fernsehen. Genau. Übertriebene Männlichkeit geht einher mit sinnloser Gewalt und Sex. Halt das richtige Leben, die ungeschminkte Wahrheit. Darüber berichten wir. Wir sind ein Produkt des Unterschichten-Fernsehens. Wir machen Unterschichten-Hardcore.

Mysteriös bleibt bis heute das Verschwinden etlicher Kreisverkehrsschilder im Großraum Münster. („Hau ab!“)

Lou: Schilder klauen ist geil. Ich habe mal dieses mit dem Pfeil und so geklaut. Das, was manchmal auf Verkehrsinseln steht. Sah echt schick aus in meinem Keller. Aber die Teile sind verdammt schwer.

El Destructor: Deswegen klaue ich die nicht mehr. Aber manchmal zerstöre ich sie.

Warum spielen Skater den besten Punk/Hardcore? („Nordic Walking“)

Lou: Das würde ich so nicht unterschreiben. Denn bei uns skatet niemand und es lässt sich ja wohl kaum von der Hand weisen, dass wir den besten Punk/Hardcore spielen. Ich habe auch überhaupt keine Zeit für Skaten. Ich schreibe lieber geile, neue Songs. Und zwar über Scheiße. Vielleicht ist der nächste dann ja gegen Skaten, und dass immer behauptet wird, Skater würden die besten Punk/Hardcore-Songs schreiben. Bemerkenswert ist aber, dass Straight Edger sehr gute Songs schreiben, also nicht Texte, das ist ja immer der gleiche Scheiß. Aber fette Riffs.

El Dorando: Hey, ich bin voll der Skater. Hab’ immer fleißig „Starlight Express“ geguckt und so. Vielleicht stimmt es ja doch, dass Skater die dicksten Eier haben ...

El Destructor: Ich fahre lieber Fahrrad. Ohne Tricks, aber immer schön schnell! Hm ... genau wie unsere Musik.

Was tun bei einer Zombie-Attacke? („Zombies sind in der Stadt“)

Lou: Ich kann jedem folgendes Buch empfehlen: „Zombie Survival Guide“. Da steht echt alles drin. Wie du die Typen am besten platt machst, wo und wie man am besten überleben kann, wie sich die verschiedenen Waffen auswirken und welche Arten von Zombies es gibt. Und dann natürlich noch ein paar Storys über Zombie-Sichtungen. Hammer, echt, ey!

Und wohin führt das KOMMANDO ZURUECK? („Partykommando“)

Lou: Jau. Schuldig, Alter, das ist meine andere Band. Drei verspackte Spacken feiern auf Neunziger-Jahre-Eurodance ab und spielen dazwischen noch Punk. Also, wenn ihr ein paar Bekloppte für eure WG-Party braucht und gerade kein Geld für 2 UNLIMITED habt ...