SAMMY SIEGLER

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My little drummerboy – Folge 6

Wenn man in seiner Plattensammlung auch nur einige wenige New-York-Hardcore-Scheiben stehen hat, so stößt man früher oder später auf jeden Fall auf den Namen Sammy Siegler. Schon im zarten Alter von 14 Jahren begann er, sich in der New Yorker Szene herumzutreiben, und spielte bei GORILLA BISCUITS, YOUTH OF TODAY, JUDGE, um hier nur einige seiner wichtigsten Bands zu nennen. Gründe genug, um mit Sammy während der jüngsten YOUTH OF TODAY-Tour ein paar Worte zu wechseln über sein bewegtes Leben als Hardcore-Drummer.

In welchem Alter hast du angefangen zu trommeln und wie hat alles begonnen?

Ich habe angefangen zu trommeln, als ich sieben Jahre alt war. Mein Vater und auch mein Großvater haben schon Schlagzeug gespielt. Als ich geboren wurde hat, mein Vater für einige Jahre pausiert, behielt aber das Drumkit. Ich bin dann immer zu den einzelnen Trommeln hingelaufen und habe ihn gefragt: „Daddy, was ist das hier und was ist das da?“ und er hat dann sein Schlagzeug wieder aufgebaut und mir die einzelnen Trommeln erklärt. Dann fing mein Vater wieder an zu spielen, und auch mein Großvater kam häufig vorbei und gab mir Unterricht. Später spielte ich dann in verschiedenen Bands und versuchte so, immer besser zu werden.

Was für Musik haben dein Vater und Großvater gespielt?

Beide haben Jazz gespielt und zwar sowohl in Bands als auch in Big Bands. Mein Vater hat dann auch viel Black Music gespielt und ich erinnere mich, dass er ein wunderbares Paar Timbales und alle diese Spezialtrommeln für afrikanische und kubanische Musik hatte. Er stand damals in den Fünfziger und Sechziger Jahren schon sehr auf die „schwarze Musik“, er stand unheimlich auf Buddy Rich und Gene Krupa. Er hätte es natürlich gern gesehen, wenn ich mich auch in diese Richtung entwickelt hätte, aber ich habe dann Rock für mich entdeckt. Und natürlich KISS. Ich mochte zwar Jazz, aber ich war halt sehr jung und KISS hatten diese coolen Kostüme, die Schminke und viele Explosionen. Das war schon eher mein Ding. Und dann entdeckte ich die frühen Punkbands wie BLONDIE, die SEX PISTOLS, CLASH und das ganze Zeug, was es in dieser Richtung gab. Ich habe aber wirklich nie aufgehört, mich für viele auch ganz verschiedene Arten von Musik zu interessieren, denn mein Vater hat immer viel Wert darauf gelegt, mir unterschiedliche Musik nahezubringen.

Wie beginnt man mit sieben Jahren den Schlagzeugunterricht?

Ich erinnere mich genau an die erste Lektion, die mein Großvater mit mir geübt hat. Das war die sogenannte „Mühle“, im Englischen „Double Stroke Roll“, und mein Opa ließ mich dabei immer die Silben „Mama - Papa - Mama - Papa“ für die jeweiligen Schläge Rechts-Rechts, Links-Links vorzählen. Auf diese Weise hat sich mir die Figur für immer eingeprägt, bis ich sie so schnell spielen konnte, dass endlich ein Trommelwirbel daraus wurde. Das war die erste wirkliche Lektion, die ich lernte. Ich habe auch viel zu Kassetten gespielt und die EARTH, WIND AND FIRE-„Greatest Hits“-Kassette meines Vaters habe ich rauf und runter gespielt. Überhaupt glaube ich, dass man am meisten lernt, wenn man einfach versucht viele Dinge nachzuspielen. Das ist aufregend und man verbessert ständig sein Timing.

Konntest du regelmäßig zu Hause üben oder haben sich die Nachbarn beschwert?

Oh, das war wirklich eine sehr schwierige Sache, denn ich bin mitten in New York City aufgewachsen. Glücklicherweise war mein Vater bei einer Umzugs- und Lagerfirma beschäftigt und er hatte sein Schlagzeug in einem Lagerhaus der Firma aufgebaut. Dort konnte ich üben, so oft ich wollte, und später haben wir da auch mit YOUTH OF TODAY und JUDGE geprobt und Songs geschrieben.

Du hast KISS erwähnt. Welche Platten waren die ersten, die du dir gekauft hast?

„Sgt. Pepper’s ...“ von den BEATLES war wohl die erste LP, die ich mir gekauft habe. Und dann viele KISS-Platten, auch wenn sie keinen großen Einfluss auf meine Musik hatten. DEVO und BLONDIE sollte ich noch erwähnen, denn insbesondere Clem Burke von BLONDIE ist ein großartiger Drummer. POLICE habe ich auch sehr gemocht, denn Stewart Copeland ist einer der besten Drummer überhaupt. Der konnte Reggae fantastisch mit Rock und Pop kombinieren und brachte ganz verschiedene Stile zusammen.

Und welche großen Drummer haben dir in deinen Anfangstagen imponiert?

Da waren Art Blakey, Stewart Copeland und dann in der Hardcore-Szene Makie Jayson, insbesondere auf der BAD BRAINS-LP „Quickness“ und dann später bei den CRO-MAGS. Der hat wirklich einen sehr geschmeidigen und präzisen Stil entwickelt. Mit all den Jungs aus unserer Szene hatte sich eine Art freundschaftlicher Wettbewerb entwickelt, der uns immer wieder vorantrieb, weil jeder sich weiterentwickeln und mit den anderen mithalten wollte.

Wann bist du in deine erste richtige Band eingestiegen?

Da war ich ungefähr elf Jahre alt und meine Schwester hatte mich einigen älteren Jungs vorgestellt. Die suchten einen Drummer für ihre Band NOISE POLICE und wir haben dann auch einige Shows zusammen gespielt. Das war so ein Mix aus Punk, Ska und Reggae und wir hatten sogar ein AGNOSTIC FRONT-Cover am Start. Das war so was wie mein Einstieg in die Musikszene. Ich habe dann 1985 angefangen, bei GORILLA BISCUITS zu trommeln. Zuerst allerdings nur für zwei Konzerte, weil ich einfach nicht gut genug war. Später bin ich dann wieder bei der Band eingestiegen, aber diese Shows 1985 haben mir immerhin die Türen zu dieser ganzen Szene geöffnet. Der Eintritt in diese New York Hardcore-Szene ermöglichte es mir dann, in Bands wie YOUTH OF TODAY, JUDGE oder SHELTER zu spielen. Ich hatte GORILLA BISCUITS damals über drei Ecken kennen gelernt, denn der jüngere Bruder des Gitarristen ging mit einem meiner besten Freunde zur Schule. So kamen wir irgendwann ins Gespräch und ich erzählte, dass ich Schlagzeug spielte und mich für Punk interessierte. Von irgendeiner „Szene“ hatte ich damals keine Ahnung, aber dann traf ich die anderen aus der Band und wir hatten schnell einen guten Draht zueinander. Das war damals alles wie eine große Familie, viele Musiker und Sachen wie Shows organisieren passierten einfach so. Es wurde getourt, Platten wurden aufgenommen uns es lief alles wie von alleine.

Du warst damals ja noch sehr jung. Wie kamst du bei Konzerten in die Clubs rein und wie sind deine Eltern damit umgegangen?

Meine Eltern waren wirklich sehr cool, und als ich noch nicht alleine auf Konzerte gehen durfte, haben sie mich zu den DEAD KENNEDYS ins New Yorker Rats, zu MDC und D.O.A. sowie vielen anderen Shows begleitet. Manchmal musste auch meine ältere Schwester mitgehen, wenn meine Eltern keine Zeit hatten. Als ich dann Walter Schreifels von GORILLA BISCUITS und die anderen Leute kennen lernte, war das wie ein Schneeballeffekt und es gab keine Probleme mehr, bei den Shows hineinzukommen.

Du hast auch auf einer Platte von LIMP BIZKIT gespielt. Bist du heute Profimusiker? Wann hast du angefangen, darüber nachzudenken, als Profi zu arbeiten?

Im Musikbusiness als Profi zu arbeiten, ist heutzutage ein sehr hartes Geschäft. Die Leute kaufen immer weniger Platten und alles, was hilft, ist touren, touren und nochmals touren. Und das ist für mich deutlich weniger aufregend geworden, seit ich ein Baby habe, denn nun steht die Familie doch im Vordergrund. Jetzt bin ich verheiratet und mag das ewige Touren wirklich nicht mehr so sehr, wie ich es früher mochte. Ich mache jetzt viele Jingles für Werbung und Musik für Webseiten. Es ist also nicht mehr nur das Schlagzeugspielen, sondern es ist Programmieren, Stückeschreiben und Produzieren hinzugekommen. Manchmal bin ich auch als DJ bei verschiedenen Events in New York gebucht. Es passieren also viele unterschiedliche Dinge, aber alle haben definitiv irgendetwas mit Musik zu tun. Und zum Glück rufen mich von Zeit zu Zeit auch Leute an und fragen mich, ob ich nicht Lust habe, bei dieser oder jener Aufnahme zu spielen oder wieder mal auf Tour zu gehen. So geht das irgendwie schon mein ganzes Leben. So kam es, dass ich auf der ersten GLASSJAW-Platte gespielt habe, als die ihren Drummer ersetzen mussten, und dann war der Produzent dieser Platte auch der der LIMP BIZKIT-Platte, auf der ich dann auch gespielt habe, und so geht es immer weiter. Ich hatte aber nie Lust, ein reiner Studiomusiker zu werden. Dann hätte ich nach L.A. umziehen müssen, denn da werden viel mehr Platten produziert als bei uns in New York. Ich wollte immer lieber Teil einer Band sein, so nach dem Motto „Swim together, sink together“.

Wart ihr in der Zeit, als YOUTH OF TODAY bekannt wurden, auch schon als Profis unterwegs?

Nein, aber heutzutage sind wir natürlich professionell unterwegs. Ich meine, wir verdienen keine Unsummen damit, aber umsonst machen wir es auch nicht. Für mich fügt sich das eben alles zusammen. Ich mache ein bisschen dies und ein bisschen das. Aber mal im Ernst, niemand von uns ist natürlich mit dem Ziel, viel Geld zu verdienen, in eine Hardcore-Band eingestiegen. Das ist ja alles sehr organisch passiert. Freunde hingen zusammen ab, haben eine Band gegründet, Shows zusammen gespielt und dann eine Platte aufgenommen. Das war alles sehr spontan, ohne einen Hintergedanken an Geld zu verschwenden. Heute ist alles anders und ich könnte auch gut einfach mit meinem Kind zu Hause abhängen. Die Tour jetzt ist ein bisschen wie ein gut bezahlter Urlaub mit alten Freunden. Außerdem glaube ich, dass es da eine große Nachfrage nach unserer Musik gibt – insbesondere bei den Jüngeren. Bei den älteren Fans ist es so, dass sie sich an frühere Zeiten erinnern und dann zu den Konzerten kommen, um einfach ein bisschen Spaß zu haben, und wir sind ja auch immer noch in der Lage, gute Shows abzuliefern. Bei dieser Tour ist das Publikum allerdings durch die Bank schon älter, als es noch 2004 der Fall war.

Was hast du vor, wenn du von der Tour zurück wieder nach Hause kommst?

Meine Hauptband ist ja eigentlich RIVAL SCHOOLS, zusammen mit Walter von den GORILLA BISCUITS, und wir werden im Februar unsere neue Platte veröffentlichen. Vorher kommt noch eine Single raus und dann werden wir 2011 zusammen mit ... TRAIL OF DEAD auf Tour gehen. Wir werden also bald wieder in Deutschland zurück sein.